Eine Orgel für die Magdalenenkirche

Schützen

Die Kirche in Schützen am Gebirge benötigt eine neue Orgel. Es liegt nahe für die Bewohner der ehemaligen Grenzstadt, Haydn um Rat zu bitten. Er willigt ein, denn er hat ja genug Zeit, unter anderem auch, um nach London zu reisen.

Haydn örtlich - Teil 43

Vielleicht haben die Menschen in dieser Ortschaft nördlich von Eisenstadt ein besonders gehobenes Selbstbewusstsein. Das stünde ihnen schon zu. Schließlich ist ihr Dorf eine alte ungarische Grenzwächtersiedlung. Ihre Vorfahren wurden dort als bewaffnete Bauern angesiedelt. Sie galten als kleinadelig und waren mit besonderen Rechten ausgestattet, eben auch jenem des Schießens. Und so dürfen sie den Namen ihres Ortes von dieser der Verteidigung dienenden Tätigkeit ableiten. Der lautet seit jeher und auch zu Haydns Zeiten nicht "Schützen am Gebirge" - die Leute haben noch nicht das Bedürfnis, die überlieferten Benennungen ihrer alten Siedlungen in ein Pseudo-Schriftdeutsch zu übertragen. Ihr Ort heißt "Gschieß" und zur genaueren Spezifizierung - denn es gibt entlang der ungarisch-österreichischen Grenze noch weitere Orte, die auf privilegierte "Schützen" ihrer Art zurückgehen - "am Beri".

Eine fast übliche Geschichte

Am südöstlichen Ortseingang steht die Kirche, inmitten des alten Friedhofes und umgeben mit einer Wehrmauer. Auch diese ist ein Zeichen der defensiven militärischen Bedeutung des Ortes. Das Gotteshaus, der Hl. Maria Magdalena geweiht, hat die in dieser Gegend fast schon übliche Geschichte: Gründung im Mittelalter, in dieser Zeit schon Mittelpunkt einer Pfarre - und das gibt dem Ort eine zentrale Bedeutung -, in der Reformationszeit vorübergehend lutherisch, dann wieder rekatholisiert, 1683 im Zuge der Türkenkriege abgebrannt und im Barockstil über den Resten der Vergangenheit wiedererrichtet.

Derart sind also die Präliminarien und Grundlagen für eine mögliche Begebenheit, welcher durchaus - wenn sie denn so stattgehabt hat - das Prädikat des Besonderen zuerkannt werden darf. Die Einschränkung mittels "Wenn" und "Möglich" stellt dabei keineswegs die Begebenheit an sich in Frage, sondern sie verweist auf eine Überlieferung, die im Sinne exakter Wissenschaftlichkeit zumindest als etwas fragwürdig anzusehen ist.

Eine neue Orgel

Dem sicherheitshalber ins Treffen geführten "Wenn" und "Möglich" ist aber ein affirmatives "Jedoch" entgegenzustellen: Es gibt im gegenständlichen Fall zwar wenige quellenmäßige Anhaltspunkte und im Wesentlichen die Tradition mündlicher Überlieferung, jedoch: Es gibt ein Zeugnis, das als Beweismittel ersten Ranges ins Treffen zu führen ist und starke Aussagekraft besitzt, weil es gehört werden kann. Und dieses Beweismittel ist ja auch das hauptsächlich handelnde Subjekt in der möglichen Geschichte der Leute von Schützen und Joseph Haydn. Die Dorfkirche bedarf 1792 einer neuen Orgel.

Wie so vieles andere in dieser Geschichte wissen wir auch nicht, warum sie dieser bedarf. Jedenfalls wird irgendwann der Name Haydn ins Spiel gebracht. Wir kennen dergleichen schon aus der Freistadt Eisenstadt und wie es dort zum Bau der Orgel unter Haydns Aufsicht gekommen ist. Aber sowas kann sich schon herumsprechen auch bis Schützen - und sind die Eisenstädter Stadtleute, so sind sie hier eben stolze Nachkommen der alten kleinadeligen Grenzwächterbauern. Also warum sollten die Haydn nicht fragen können, ob er ihnen beim Bau der neuen Orgel als künstlerischer Berater zur Seite steht.

Haydn hat viel Zeit

Die Hofmusik gibt es seit dem Tod des Fürsten Nikolaus ohnehin nicht mehr. Dessen Nachfolger Anton hat die Musiker entlassen. Haydn ist zwar nominell Kapellmeister geblieben - aber in dieser Funktion wird er jetzt kaum wirklich etwas zu tun haben - so denkt man sich's halt. Er ist doch nach London gereist, was ja deutlich genug zeigt, dass seine Position ihm alle Zeit der Welt lässt. Von dort ist er gerade zurückgekommen und so kann man annehmen, dass er schon Zeit hat, sich um eine Orgel in Schützen zu kümmern. Groß soll dieselbe eh nicht sein, die hiesige Magdalenenkirche ist ja auch nicht die große Stadtpfarrkirche in Eisenstadt. Haydn hat zwar mit ebendiesem Instrument gezeigt, welche Vorstellungen er auch im Bezug auf die Größe einer Orgel hat. Aber man wird schon mit ihm reden können. Zudem: er ist ja doch einer "vom Land", der sicher kreuzgut weiß, was man in einem Dorf braucht. Und auch eine kleine Orgel klingt eben, wenn Haydn es denn will, nach Haydn.

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Hör-Tipp
Haydn örtlich, jeden Montag, Mittwoch und Freitag bis einschließlich 22. Mai 2009, jeweils 15:06 Uhr

Links
austria.info - Joseph Haydn
Haydn 2009

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