Die einzige Namenstagsmesse in Moll

"Missa in angustiis"

Haydn komponiert 1789 eine Namenstagsmesse, die sich von allen anderen in einem wesentlichen Punkt unterscheidet: Sie steht in Moll. Dieser Umstand hat einen Grund im Privatleben Haydns, das zur Zeit des Komponierens eben jener Messe traurig aussah.

Haydn örtlich - Teil 47

Am 23. September 1798 kann Haydn die von ihm disponierte Orgel in der Martinskirche voll zur Geltung bringen. Da findet die Festmesse zum Namenstag der Fürstin Josepha Maria Hermenegild in jenem Gotteshaus statt und nicht wie sonst in der Bergkirche.

Darüberhinaus gibt es noch einen Unterschied zu den schon stattgehabten und noch folgenden Namenstagsfeiern - und gerade der lässt die Orgel hervortreten. Haydn erklärt dies so: "Ich habe in dieser Messe die Blasinstrumente eigentlich auf die Orgel gesetzt, weil damals der Fürst die Spieler der blasenden Instrumente verabschiedet hatte."

Spärliche Bläserbesetzung

Nur drei Trompeten stehen Haydn diesmal als Blasinstrumente zur Verfügung. Der Meister macht aus der Not eine Tugend - auch wenn er später anregt, die Orgelstimme auf Holzbläser aufzuteilen. Das ist halt auch wegen der allgemeinen Erwartung und um die Leute doch nicht zu sehr zu erschrecken.

Die originale Klangkonzeption vermittelt nämlich eine Strenge und akustische Abgenagtheit, dass einem schon angst und bang werden kann. Der Orgel sind zwischendurch zwar sanft schwebende Soli zugewiesen, sie hat aber gleich zu Beginn und dann immer wieder düstere und durchdringende Akkorde zu spielen.

d-Moll aus persönlichen Gründen

Haydn sieht für dieses Werk die Grundtonart d-Moll vor. Es ist die einzige der Namenstagsmessen, die nicht in Dur steht. Ist denn d-Moll überhaupt geeignet für die Feier eines Namensfestes, noch dazu wo es um den Namen "Maria" geht? Erst einmal - nämlich 1768 - hat der Meister bisher ein Ordinarium missae in dieser Tonart in Musik gesetzt - und unter dem bezeichnenden Titel "Sunt bona mixta malis". Hier kommt klingend zur Evidenz, dass auch im Leben eines gläubigen Menschen das Gute und das Schlechte vermengt sind.

Das neue d-Moll-Werk erhält von Haydn den liturgisch korrekten Namen "Missa in angustiis" und weist es als ein Stück aus, welches in Zeiten der Ängste entstanden ist. Ganz persönliche Not stürzt den Komponisten in solche Ängste und diese diktieren ihm dann - wiewohl unter der Kontrolle seines Geistes und seines Könnens - jenes Werk in die Feder. Er schreibt es in nicht einmal acht Wochen nieder - gefesselt ans Bett - "weil er damals Krankheits halber nicht ausgehen konnte" - so vermeldet es der Biograph Georg August Griesinger lapidar.

Dass Haydn auf dem Krankenbett konzentriert komponieren kann, das ist bezeugt - und auch, dass ihm die Ärzte und seine treusorgende Gattin dann die Beschäftigung mit Musik verbieten. Er aber kümmert sich nicht um diese gutgemeinten Ratschläge. Er widersteht der Krankheit durch den schöpferischen Geist, seine mens sana regeneriert den kranken Leib und macht aus ihm wieder ein corpus sanum.

Die Tonart des Todes

1798 muss es aber besonders kritisch gestanden sein um Haydns Gesundheit. Das ist aus dem d-Moll herauszuhören - einer Tonart des Todes. Hier kann schon auf des fürstlichen Kapellmeisters das Leiden und Sterben Jesu beschwörende Symphonie für die Karwoche, genannt "Lamentatione", in der nämlichen Tonart verwiesen werden, komponiert um 1768, ehe man Mozarts d-moll "Requiem" anführt. Der Tod steht seit der Kindheit nie außerhalb von Haydns Denkhorizont, aber diesmal spürt er ihn so nah wie noch nie in einem offenbar besonders dramatischen Zugriff auf sein eigenes Leben.

Koloraturen als Kontrapunkt

Dem schwerlastenden d-Moll-Grund stellt der Komponist in seiner Messe aber in sinnvoller Weise lebendige Koloraturen der Sopransolistin entgegen - geschrieben für die "fixe Gurgel" der aus Schottwien nächst dem Semmering gebürtigen Barbara Pillhofer von der Eisenstädter Hofmusik. Deren gesangstechnische Fähigkeiten lässt Haydn korrespondieren mit komplizierten kontrapunktischen Abschnitten. So wird beispielsweise der Glaube an das ewige Leben am Schluss des "Credo" gemäß dieser Konzeption zuerst von der Sopranstimme in leuchtender kolorierter Melodik bekannt, als Ergänzung gleichsam dazu, dass am Beginn des gesamten Satzes das Bekennen des einen Gottes im strengen Quintkanon erscheint.

In dieser Vielfalt entsteht auch "in angustiis" ein Kunstwerk höchsten Ranges. Der romantische Dichter E. Th. A. Hoffmann wird in seiner Novelle "Das Sanctus" davon erzählen, dass die Musik dieser Messe Krankheiten heilt.

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Hör-Tipp
Haydn örtlich, jeden Montag, Mittwoch und Freitag bis einschließlich 22. Mai 2009, jeweils 15:06 Uhr

Links
austria.info - Joseph Haydn
Haydn 2009

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