Haydn kommt nach Eisenstadt

Das zweite Begräbnis

Der Fürst Esterházy beschließt, dass Haydns letzte Ruhestätte in Eisenstadt gelegen sein soll. Er lässt den Verstorbenen deshalb von Wien dorthin bringen, wodurch bekannt wird, dass der Kopf verschwunden ist. Ein Rätsel, das jedoch bald gelöst wird.

Haydn örtlich - Teil 57

"Wie glücklich war der Mann, der diesen Haydn im Leben besessen hat und noch im Besitze seiner irdischen Reste ist." 1820 kann sich der Herzog von Cambridge noch eine solche Aussage voll des Bewusstseins gesellschaftlicher Überlegenheit leisten - und er spricht damit bei seinem Standeskollegen, dem Fürsten Esterházy, bei welchem er in Eisenstadt zu Besuch weilt, offenbar eine ähnliche Seite an, welche den ungarischen Magnaten zu einer spektakulären Aktion veranlasst: der Überführung von Haydns Gebeinen von der Begräbnisstätte am Hundsturmer Friedhof in Wien nach Eisenstadt.

Von Wien nach Eisenstadt

Als neue, zum Besitzstand des Fürsten gehörige Grablege ist die Krypta unter der Bergkirche vorgesehen. Dort haben viele verdienstvolle Menschen aus der esterházy'schen Verwaltung ihre letzte irdische Bleibe gefunden, unter anderem auch der Geiger Luigi Tomasini, Haydns Konzertmeister und Freund. Die neue letzte Bleibe seines ehemaligen Kapellmeisters ist unter dem Musikerchor der Kirche, wo der Komponist seine letzten Messen, die reifsten Früchte seiner Meisterschaft, zur Aufführung gebracht hat.

Freilich: Bei der Eröffnung des Hundsturmer Grabes gibt es zuerst einmal den Schock der Feststellung, dass der dort beerdigten Leiche der Kopf fehlt. Haydn ist an seiner Kleidung und an der noch gut erhaltenen Perücke, die lose neben dem Corpus liegt, eindeutig identifizierbar. Die Behörde wird unter ihresgleichen fündig - Johann Peter, der Verwalter des k. k. niederösterreichischen Polizeistrafhauses, war einer der Mittäter bei der Leichenschändung im Dienste verbotener wissenschaftlicher Theorien.

Nach langen Verhandlungen wird ein Kopf übergeben - aber es ist nicht der Haydns. So kommt des falsche Haupt zu den richtigen Gliedern, oder was davon eben noch vorhanden ist, nach Eisenstadt.

Noch einmal das "Requiem"

Am 7. November 1820, in der Woche nach Allerheiligen, wird der eiserne Sarg mit dem, was die Hundsturmer Erde von ihm übriggelassen hat, in Eisenstadt beigesetzt. Es wird aus diesem Anlasse in der Kirche ein feierliches Seelenamt gelesen. In der Liturgie gelangt Wolfgang Amadeus Mozarts "Requiem" zur Aufführung. Aufs Neue ist es die Totenmesse des Freundes, welche Haydn zur ewigen Ruhe seiner sterblichen Reste begleitet - wie bei der großen Trauerfeier in der Wiener Schottenkirche im Juni 1809.

"Parva domus - magna quies" - so klein das Haus ist, so groß sei die Ruhe, so sagt es ein alter Spruch, der aber für das, was an Haydn irdisch ist, noch lange keine Gültigkeit haben wird.

Ein würdiges Denkmal

An der Nordwand der Kirche, gleich unter der Orgelempore, wird dem Meister ein würdiges Denkmal errichtet: Dem Geschmack der Zeit entsprechend ist dieses der Schmalwand eines römischen Sarkophages nachempfunden und verweist in der lateinischen Inschrift auf die Bedeutung dessen, auf welchen durch diesen Stein verwiesen wird: "Josephus Haydn, Musicorum aevi sui princeps natus Roraviae ad Lytham”.

Er war der Fürst unter den Musikern seines Zeitalters, der aus Rohrau an der Leitha Gebürtige. Wie sehr dem einstmaligen fürstlichen Kapellmeister dieser Adelstitel gebührt, darüber lohnt sich das Nachdenken. Franz Schubert tut es bei seiner letzten Wanderung, die den Dankbaren hierher führt. Viele werden sich zu einer solchen positiven Interpretation des Begriffes vom "Fürstlichen" nicht durchringen können - und es sind Große ihrer Kunst, die deswegen an Haydn scheitern, wie etwa Robert Schumann oder Richard Wagner. Für sie und manche andere ist er zu sehr der Künstler eines Fürsten gewesen, als dass sie ihn, die so sehr davon träumen, von allen Banden einer Anstellung frei zu sein, als fürstlichen Künstler zu verstehen imstande sind.

Aber Haydn kann bereits warten - auf eine dritte "letzte Ruhestätte" ebenso, wie darauf, dass seine künstlerische Souveränität in der schier unergründlichen Dimension ihrer geistigen Freiheit unabhängig von Diskussionen über aktuelle gesellschaftliche Gegebenheiten erkannt wird.

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Hör-Tipp
Haydn örtlich, jeden Montag, Mittwoch und Freitag bis einschließlich 22. Mai 2009, jeweils 15:06 Uhr

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Links
austria.info - Joseph Haydn
Haydn 2009

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