Fast wie im echten Leben
Power of Politics
Frühmorgens liest Harry Lahm die Zeitung, dann besucht er einen Unterausschuss und nachmittags steht ein Interview an. Harry Lahm ist allerdings kein echter Politiker, er ist eine Figur in der Online-Politiksimulation "Power of Politics".
8. April 2017, 21:58
In dem kostenlosen Browser-Spiel " Power of Politics "kämpfen an die 40.000 Spieler aus dem gesamten deutschsprachigen Raum um weitaus weniger Mandate in Gemeinderäten, Landtagen oder dem Nationalrat.
Ziel des Spieles ist es, seine Partei zum Wahlsieg zu führen und irgendwann einmal selbst BundeskanzlerIn zu werden. Wie in der echten Politik ist das allerdings schwerer als es aussieht. Pro Woche steht den Spielenden eine gewisse Menge an Energie und Geld zur Verfügung, die gut investiert werden will: In möglichst öffentlichkeitswirksame Termine, in effizienzsteigernde Mitarbeiter oder in Wahlkampfteams, die gezielt auf Wechselwählerjagd geschickt werden.
Themenkonjunktur
Jeder Politiker beginnt im Spiel auf Bezirksebene und versucht sich nach und nach in der Gunst der Wähler und der Parteihierarchie bis zur Bundesebene hochzuarbeiten. Dafür spezialisiert er sich auf einige aus insgesamt 18 Themengebieten - von "Soziales" über "Sicherheit und Recht" bis hin zu "Afrika" und "Religionen". Je mehr er zu diesem Thema weiß und seine Meinung der virtuellen Öffentlichkeit mitteilt, desto bekannter und erfolgreicher wird er. Doch die Relevanz jedes Themengebietes unterliegt Schwankungen.
"Tagtäglich überprüfen wir automatisiert über 300 Online-Medien, alle Headlines werden kategorisiert und diesen 18 Spielthemen zugeteilt", erklärt Tim Preuster, Mitentwickler von "Power of Politics." Findet zum Beispiel gerade eine Fußball-Europameisterschaft statt, gewinnen auf Sport spezialisierte Politikerinnen an Popularität gegenüber ihren Kollegen dazu. So entscheidet sich jeden Sonntag Abend, wer ein Mandat bekommt und wer seine Taktik vielleicht besser ändern sollte.
Politik-Simulation?
"Power of Politics" will politische Vorgänge simulieren, doch dem Spiel fehlt gerade das, was Politik ausmacht: aufeinanderprallende Ideologien, Standpunkte und Ideen. Denn auch wenn die Parteien Koalitionen eingehen können oder eben in Opposition bleiben müssen, im Parlament werden keine konkreten Entscheidungen beschlossen.
"Man kann bei uns keinen richtigen politischen Standpunkt vertreten, sonst wären wir ein großes Diskussionsforum. In "Power of Politics" werden Themen in einer abstrakten Form behandelt, die mit rechts, links, geradeaus nichts zu tun haben", verteidigt sich Tim Preuster.
Ein wenig mehr Realität hat Michael Eisengruber wieder ins Spiel gemacht. Sein erster Politiker, Harry Lime, war sehr erfolgreich unterwegs, als er über einen Skandal stolperte. "Ich war bereits Wiener Landeshauptmann und bin dann leider beim Schummeln erwischt worden." Über einen zweiten Account hat Harry Lime eine Lücke im System ausgenutzt, um über Immobilienspekulationen zum schnellen Geld zu kommen.
Wie es bei einem echten Politiker auch schon geschehen ist, war die Karriere damit beendet. Die Strafe für solche Vergehen fällt in "Power of Politics" allerdings drakonischer aus: Der virtuelle Landeshauptmann wurde gelöscht. "Das wollte ich nicht auf mir sitzen lassen und habe mich neu registriert. Aus Harry Lime wurde Harry Lahm, der nunmehr etwas lahm unterwegs ist und sich gerade erfolglos für ein Landtagsmandat bewirbt."
Von Greenhorn zum Elder Statesman
"Power of Politics" ist auch nach einem längeren Zeitraum noch interessant. Denn wenn man die Finessen des Spiels erst einmal durchschaut hat, braucht man nur mehr wenige Minuten am Tag, um nicht an Popularität zu verlieren. Dann kann man Anfängern helfen, ein neues Parteilogo entwerfen oder einen Parteitag organisieren, bei dem sich die Menschen hinter den virtuellen Politikern real treffen.
Hör-Tipp
Digital.Leben, Montag bis Donnerstag, 16:55 Uhr
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