Veränderungen des Landschaftsbildes
Kulturlandschaft im Wandel
Wie wirken sich Agrarpolitik, EU-Maßnahmen und Fördersysteme auf unsere Landschaft aus? Globale Entwicklungen, die zu steigenden Lebensmittelpreisen und zum Anbau von Energiepflanzen führen, verändern derzeit die Bedingungen für Österreichs Landwirte.
8. April 2017, 21:58
Es ist die Arbeit der Bauern, die die Landschaft gestaltet, sagt Karl Buchgraber, Leiter des Instituts "Pflanzenbau und Kulturlandschaft" der landwirtschaftlichen Forschungsanstalt Raumberg-Gumpenstein im steirischen Ennstal. Der durchschnittliche Betrieb im Bergland hält gerade Mal zehn Milchkühe, die einzelnen Wiesen und Weiden sind meist nicht größer als ein halbes Hektar. Diese kleinteilige Struktur sorgt für eine abwechslungsreiche Landschaft.
Vor 50 Jahren waren in Österreich noch etwa 30 Prozent der arbeitenden Bevölkerung in der Landwirtschaft tätig. Heute sind es nur mehr rund fünf Prozent. Pro Jahr verliert Österreich rund 10.000 Hektar fruchtbaren Boden, zum einen an Verbauungen, zum anderen an den Wald. So werden oft auf besten Böden Straßen, Siedlungen oder Industriegebiete errichtet. Unrentable Grünlandflächen werden aufgeforstet oder aufgegeben. Damit steht für den Grünlandexperten das schöne Landschaftsbild auf dem Spiel.
Zunahme der Waldfläche
Etwa 47 Prozent des österreichischen Staatsgebietes sind durch Wälder bedeckt, ihr Flächenanteil nimmt unaufhaltsam zu. Das unrentabel gewordenen Grünland, das zu Wald wird, liegt häufig im Bergland. Besonders kleine, abgelegene Flächen bleiben teilweise sich selbst überlassen, wenn die Nutzung durch den Menschen eingestellt wird. Zunächst kommen Büsche auf, die über längere Zeiträume von Bäumen verdrängt werden. Vielfach werden tiefer gelegene Weiden und steile Mähwiesen aber gezielt aufgeforstet.
Studien der Grünlandexperten zeigen, dass beweidete Wiesen mehr Biodiversität und eine bessere Bodenqualität aufweisen. Bei zu intensiver Nutzung, wenn Wiesen in Tallagen bis zu acht Mal pro Jahr gemäht werden, sinkt jedoch die Pflanzenvielfalt rapide. Im Extremfall bleibt nur eine Handvoll Arten übrig. Auf einer üppig blühenden Bergwiese, die nur ein- bis zwei Mal pro Jahr gemäht wird, können bis zu 200 unterschiedliche Gräser und Kräuter wachsen. Durch die Verwaldung gehen aber genau diese wertvollen Flächen verloren, die die höchste Biodiversität aufweisen.
Auch für den Tourismus ist die vielfältig und kleinteilig bewirtschaftete Landschaft ein wertvolles Kapital. Schwindet die Nutzungsvielfalt, wird auch die Landschaft monotoner und in vielen Gebieten Österreichs nimmt dann der Wald überhand. Gleichzeitig kommt es häufiger zu Bodenerosionen in steilen Berglagen, die wiederum Muren- und Lawinenabgänge begünstigen.
Innovatives Beweidungsprojekt
Ein Schwerpunkt der Forschungsanstalt Raumberg Gumpenstein ist die Behebung von Schäden in der Pflanzendecke. So werden offene Flächen, die durch den Ausbau von touristischer Infrastruktur in Hochlagen entstehen, repariert, um Bodenerosionen, Muren und Lawinen vorzubeugen. Dazu wird am Institut für Kulturlandschaft standortgerechtes Saatgut zur Wiederbegrünung entwickelt.
Auf den strapazierten Pisten des Hauser Kaibling im Oberen Ennstal war im Sommer erstmals ein innovatives Beweidungsprojekt zu bestaunen, das das Forschungszentrum Raumberg Gumpenstein mitinitiert hat. Mit einer alten Kulturtechnik wurden neue Impulse in der Landschaftspflege gesetzt.
Mehr als 700 Schafe aus 20 Betrieben grasten auf fast 2.000 Meter Höhe. Schafe sind zwar in den österreichischen Bergen keine Seltenheit, doch Schafherden, die von einem Schäfer mit Hunden zusammengehalten werden, schon. Für das von der EU geförderte Beweidungsprojekt wurden die Hirten für den Hauser Kaibling extra aus dem deutschen Flachland holen.
Nach dem Sommeraufenthalt auf der Alm werden die jungen Lämmer geschlachtet und gemeinsam über das "Ennstaler Schafbauernzentrum” vermarktet. Das gezielte Beweidungsprojekt, das die Bodenqualität und den Pflanzenwuchs der strapazierten Schipisten verbessern soll, wird in Kooperation mit den Hauser Kaibling Bergbahnen durchgeführt. Der Geschäftsführer Arthur Moser zeigt sich über die neuen "ökologischen Pistenbullys" begeistert. Denn die riesige Schafherde festigt nicht nur den Boden, sie hat auch noch einen weiteren positiven Effekt: Sie lockt im Sommer die Touristen auf den Berg.
Hör-Tipp
Radiokolleg, Montag, 29. September bis Donerstag, 2. Oktober 2008, 9:05 Uhr
Link
Raumberg-Gumpenstein