Schwerpunkt Digitalisierung

Frankfurter Buchmesse eröffnet

Dienstagabend ist in Frankfurt die 60. Buchmesse eröffnet worden. Zur Eröffnung sprachen der deutsche Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) und der türkische Staatspräsident Abdullah Gül. Schwerpunktland ist die Türkei.

Auf dem weltgrößten Branchentreff werden von Mittwoch bis Sonntag über 7.000 Aussteller aus mehr als 100 Ländern erwartet. Auf über 2.500 Veranstaltungen sind etwa 1.000 Schriftsteller vertreten. Ehrengast ist dieses Jahr die Türkei, die angeführt von Literaturnobelpreisträger Orhan Pamuk etwa 250 Autoren nach Frankfurt schickt. Zur Eröffnung sprechen der deutsche Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) und der türkische Staatspräsident Abdullah Gül.

Keine Angst vom Internet

Die massenweise Verbreitung von Texten über das Internet treibt die Buchmesse in diesem Jahr besonders um. "Die Digitalisierung ist kein neues Thema, neu ist nur die Dimension", sagte Honnefelder. "Kein Verlag kann heute noch die Augen vor dieser Entwicklung verschließen." Mehr als die Hälfte der 400 Veranstaltungen bis zum Sonntag beschäftigt sich mit dem Thema Digitalisierung, 42 Prozent der ausgestellten Objekte sind Bücher, 30 Prozent digitale Produkte. Mit Spannung erwartet werden vor allem die neuen E-Books. Sie sieht Honnefelder als "große Chance" für die Branche.

Bestsellerautor Paulo Coelho rief vor der Eröffnung der weltgrößten Bücherschau Schriftsteller und Verlage dazu auf, das Netz als Chance und nicht als Bedrohung zu begreifen. "Je mehr man gibt, desto mehr gewinnt man", sagte der Brasilianer. Verlage sollten das neue Medium als globale Werbeplattform sehen und nicht als "Feind".

Der Glaube an die elektronische Revolution
Das besondere Interesse auf der Messe gilt dem E-Book. Schon seit Jahren wird sein Durchbruch - vergeblich - herbeigeredet und auch heuer wollen mehrere Unternehmen neue elektronische Lesegeräte vorstellen, die im Ausland zum Teil schon erhältlich sind. Branchenexperten gehen jedenfalls davon aus, dass das E-Book auf dem deutschen Markt bis 2015 einen Anteil von zehn bis 15 Prozent erzielen könnte.

Im Jahr 2018 sollen digitale Inhalte traditionelle Bücher sogar überholen, wie aus einer am Montag von der Buchmesse veröffentlichten Umfrage hervorgeht. Die von der Buchmesse befragten rund 1.000 Experten aus 30 Ländern bezeichneten den Online-Buchhandel als wichtigste Entwicklung der vergangenen 60 Jahre in der Branche. Die Messe wird von einer Tochter des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels organisiert.

Markteinschätzung stabil
Die wirtschaftliche Lage wird in der Branche angesichts der Finanzkrise und des konjunkturellen Abschwungs zurückhaltend beurteilt. In einer Online-Umfrage von Buchmesse und Branchenblatt "Buchreport" gab es unter den Verlagen vor der weltgrößten Bücherschau fast dreimal mehr skeptische als optimistische Stimmen. Allerdings glaubt die Mehrheit an ein gleichbleibendes Geschäft. Während die Belletristik als stabil gilt, könnte laut Umfrage das Segment der Ratgeber-Literatur wegen wachsender Alternativangebote im Internet unter Druck geraten.

Schwerpunktland Türkei
"Faszinierend farbig" lautet das Motto des Gastlandes Türkei auf der 60. Frankfurter Buchmesse, die am Mittwoch beginnt. Einen ersten Zugang in das "Labyrinth" der türkischen Literatur bietet die Ausstellung im Forum des Messegeländes.

Auf acht riesigen Bildtafeln stehen dort die "ganz Großen", darunter die epochemachenden Dichter des Landes - Namen wie Yahya Kemal Beyatli (1884-1958), der den Übergang vom Osmanischen Reich in die Republik markiert; Nazim Hikmet (1901-1963), der Kommunist und Begründer der modernen türkischen Lyrik, der im Exil in Moskau starb; der 1923 geborene Yasar Kemal, der mit seinen "Legenden der Berge und Geschichten der Städte" den sogenannten Dorfliteraten den Weg wies. Und natürlich fehlt nicht Orhan Pamuk, "der erste türkische Nobelpreisträger", wie es stolz heißt.

"Die Türkei in allen ihren Farben", darin ist auch die Aufforderung an das eigene Land enthalten, die kulturelle Koexistenz unterschiedlicher Volksgruppen zuzulassen und als Chance zu erkennen. Ein Streben nach "echt türkischer Kultur" sei falsch, sagt die Verlegerin Müge Gürsoy Sökmen, Co-Vorsitzende des Organisationskomitees.

"Wer seine Augen aufmacht, der sieht in unserer Musik und Kunst, in unserer Literatur und der Architektur Spuren der verschiedensten ethnischen, sprachlichen und religiösen Gruppen", erklärt die Organisatorin. "Statt alles über einen Kamm zu scheren, sollten wir froh über ein so vielfältiges kulturelles Erbe sein."

Kultur der kleinen Leute
In der Türkei gibt es heute mehr als 1.700 Verlage und rund 6.000 Buchhandlungen. In dem Land sind östliche und westliche Kultur verankert. In vorislamischer Zeit prägten Geschichten der Nomaden die Anfänge türkischer Literatur. Im Osmanischen Reich stand sie stark unter persischen und arabischen Einflüssen.

Mit dem Erstarken des türkischen Nationalismus und der Gründung der türkischen Republik galt die Devise "hin zum Volk". Im Gegensatz zum höfischen Leben rückten der anatolische Bauer und das Leben der kleinen Leute in Stadt und Land ins Zentrum des Interesses.

Die Reformen des Republikgründers Mustafa Kemal Atatürk und die Umstellung der Schriftsprache von arabischen auf lateinische Schriftzeichen im Jahr 1928 markierten eine Zeitenwende.

Meinungsfreiheit noch immer nicht ganz da
Rund 700 Künstler werden den Ehrengast-Auftritt in Frankfurt bei Lesungen, Konzerten und Ausstellungen begleiten. Es werden allein etwa 300 Autoren - darunter auch viele Schriftstellerinnen - erwartet. Zum breiten Spektrum gehört auch der türkische Bestseller- Autor Murathan Mungan, der sich offen zu seiner Homosexualität bekennt.

Pamuk, der an der Spitze der Autoren steht, hat in der Türkei selbst mehrfach nationalistische Intoleranz zu spüren bekommen und wurde wegen "Herabwürdigung des Türkentums" vor Gericht gestellt.

"Vollständige Freiheit ist die Voraussetzung für kreatives Schaffen", sagt Sökmen. Sie kritisiert, dass in der Türkei noch immer der umstrittene Strafrechtsparagraf 301 in Kraft ist, der zur Drangsalierung des kreativen Schaffens in der Türkei diene.

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