Achse Bochum - Wien
"Selbdritt" mit Malmsheimer
Die Achse Bochum - Wien ist geschmiedet und wartet nur darauf, in Schwung gesetzt zu werden: Gunkl und Werner Brix luden den frisch gekürten Träger des Deutschen Kleinkunstpreises 2009 Jochen Malmsheimer zu einem kabarettistischen Schlagabtausch.
8. April 2017, 21:58
Jochen Malmsheimer über die 1970er
Es war ein wahrlich gelungenes Experiment! Zwei prominente heimische Kabarettisten, Gunkl und Werner Brix, luden den von ihnen hoch verehrten deutschen Kollegen Jochen Malmsheimer zu einem kabarettistischen Stelldichein ins Wiener Orpheum und in die ARGE Salzburg. Zweck der Unternehmung war es, den soeben mit dem Deutschen Kleinkunstpreis geehrten Jochen Malmsheimer auch in Österreich einem größeren Publikumskreis bekannt zu machen. Der wortgewaltige Satiriker aus Bochum, der Zustände und Ereignisse pointiert bis zur Kenntlichkeit zerlegt, eröffnete mit hämischen Heimatbetrachtungen aus dem Ruhrpott. "Die Weigerung, an der Realität auch nur als Gast teilzunehmen, ist ein typischer Wesenszug der Menschen dort."
Ein Kabarettist "wie gute Musik"
Seit rund 15 Jahren steht der gelernte Buchhändler Malmsheimer nun schon als Kabarettist auf der Bühne, anfangs zusammen mit dem Schriftsteller Frank Goosen im Duo "Tresenlesen", seit 2000 allein. "Malmsheimer hören ist wie gute Musik hören", erklären Werner Brix und Gunkl alias Günther Paal. Schon beim wiederholten Abspielen seiner CDs seien sie dem Humor ihres Bochumer Kollegen verfallen.
"Ein gut gespieltes Lied kann man sich sehr, sehr oft anhören, obwohl man schon weiß, was kommt", meint Gunkl. "Bei Malmsheimers Weltbetrachtungen kennt man auch schon den Text, aber die elegante Wucht, mit der er das bringt, hat eine musikalische Qualität, die durch Wiederholung nichts an Reiz verliert."
Liebe zum Detail
Mit einem schönen alten Wort für "zu dritt", nämlich mit "Selbdritt", haben Brix, Gunkl und Malmsheimer ihren gemeinsamen Abend betitelt. Was sie bei aller Verschiedenheit doch eint: die Liebe zum Detail, das Ohr für sprachliche Feinheiten und der Hang zu philosophischen Erörterungen. "Die Zeit" so doziert Gunkl "vergeht nicht überall gleich schnell. Eine Stunde trinken beim Wirten oder dieselbe Stunde auf den Trinkenden daheim warten, wird zum Beispiel als verschieden lang empfunden."
Die Dramaturgie von "Selbdritt" ist so simpel wie effektvoll. Abwechselnd stellen sich die drei für je eine Solo-Nummer an die Rampe, die andren beiden sitzen derweil am Bühnenrand, schauen zu und werden dabei vom Publikum natürlich auch beobachtet.
"Wir hören zu und signalisieren: Wir sind da für den Freund, der vorne steht" erläutert Brix. Und auch für Malmsheimer ist dieses Sicherheitsnetz wichtig. "Wenn man so ein Experiment zu dritt macht, so einen Fesselballon startet, ist es extrem hilfreich, wenn die Kollegen dabei sind. Weil die wissen, was ich kann. Und das ist für die Nerven unglaublich wichtig, weil ich weiß, die beiden haben mich lieb, da kann nichts passieren." Und auch das Publikum hatte ihn dann sehr lieb.
Gutes Gespür
In einem Ausschnitt aus seinem aktuellen Solo "Flieg Fisch, lies und gesunde! Oder: Glück wo ist dein Stachel?" widmet sich der witzige Wortfechter der angeblich langweiligsten Textgattung der Welt: dem Reisetagebuch. "Schon Christian Fürchtegott Rosenkranz, jener vollkommen zu Recht vollkommen vergessene Dichter - der einzige Vertreter der Gattung 'Still & Stand', die sich direkt an den 'Sturm & Drang' anschloss - schrieb bereits Ende 1788 die wesentlichen Worte: Das Schöne am Reisen ist ja bekanntlich das Unterwegssein. Das Schlechte am Reisen hingegen ist, dass man dazu nicht zu Hause bleiben kann."
Werner Brix und Günther Paal bewiesen bei der Auswahl ihres deutschen Gastes guten Geschmack und vor allem gutes Gespür, denn mitten in die Wien-Premiere platzte die Nachricht, dass Jochen Malmsheimer den Deutschen Kleinkunstpreis 2009 erhält. "Wer sonst, wenn nicht er? Deshalb haben wir ihn ja importiert nach Österreich", sagt Werner Brix. Und Günther Paal setzt gleich zu einer Laudatio aus dem Stegreif an: "Mir ist nicht einsichtig warum er ihn erst jetzt bekommt und nicht seit Erfindung der Kleinkunst jedes Jahr. Weil er ein so bündiges, saftiges Stück Weltbetrachtung herausklotzt, das mit alttestamentarischer Wucht jede Befindlichkeit hinweg fegt und in Beschlag nimmt. Man muss ihm verfallen!" "Das hätte ich bitte gerne als Linolschnitt oder eingefräst in ein Frühstücksbrettchen!", fügt der Geehrte noch schnell hinzu.
Hör-Tipp
Contra, Sonntag, 9. November 2008, 22:05 Uhr
Mehr dazu in oe1.ORF.at
Links
Jochen Malmsheimer
Gunkl
Ideentität.at - Werner Brix
kabarett.at
kabarett.cc