Semantische Technologien

"Licht an"

Ursprünglich für Suchmaschinen entwickelt, haben sich semantische Technologien auch in anderen Bereichen etabliert. Ein weiterentwickeltes System reagiert auf körperliche Zeichen. Behinderte Menschen können so die Haustechnik ihrer Wohnung steuern.

Computer und Rechnersysteme sind inzwischen allgegenwärtig geworden. Sie steuern den Motor eines PKW, sorgen dafür, dass die Klimaanlage immer die richtige Temperatur hält und überwachen beispielsweise startende und landende Flugzeuge. Doch die Verständigung mit diesen Systemen ist nicht immer ganz einfach. Entweder werden sie über komplizierte Maschinensprachen gesteuert, oder die Anwender müssen sich durch die Auswahl von Stichwörtern bzw. Schlüsselbegriffen mühsam durch vorgegebene Menüs hanteln.

Mit semantischen Technologen, also Technologien, mit denen Maschinen Eingaben verstehen können, können die Anwender direkt mit dem System sprechen. Das Computersystem erkennt also, was der Mensch genau will. Lange Zeit galt das als reine Zukunftsmusik.

Die Sprache der Technik

Dario Bonino von der Universität Turin hat eine semantische Technologie zur Steuerung von Haustechnik entwickelt. Der Hausbewohner sagt dem System einfach, welche Temperatur er wünscht und welche Lichtverhältnisse er bevorzugt. Teilt der Anwender dem System zum Beispiel mit, dass er um 19:00 Uhr ein entspannendes Bad nehmen möchte, entnimmt das System seinem Anwender- oder Bewohnerprofil die Informationen: die Wassertemperatur soll 36 Grad Celsius betragen, und zur Entspannung Musik aus den Brandenburgischen Konzerten gespielt werden.

Die Kombination von Anwender-Profildatenbank, Spracherkennung und allgemeiner Beschreibungssprache zur Steuerung der verschiedenen haustechnischen Systeme sorgt dabei für den Komfort der Bewohner.

Dario Bonino erläutert das so: "Wenn eine semantische Technologie eingesetzt wird, kann von den konkreten Technologien abstrahiert werden. Die spezifischen technischen Protokolle werden sozusagen in eine höhere Sprache übersetzt. Dann kann jedes Element oder Objekt in der Haustechnik allgemein beschrieben werden. Allgemein gehaltene Anweisungen lassen sich einfach in die Sprache der individuellen Hausanlage übersetzen."

Technik unterstützt die Pflege

Ältere Menschen können somit länger in ihrer eigenen Wohnung leben, weil haustechnische Systeme dank semantischer Technologien viele Assistenz- und Überwachungsfunktionen wahrnehmen können. Die Kontrolle über die Medikamenteneinnahme gehört ebenso dazu wie ganz konkrete Unterstützung bei der täglichen Hygiene. Sogar Pflegeroboter können problemlos in die haustechnischen Systeme integriert werden. Dario Bonino will das sogar noch ausweiten.

"Das wirkt sich sehr gut bei älteren Menschen aus oder in den technischen Systemen von Krankenhäusern, die häufig mit unterschiedlichen Technologien und Standards arbeiten. Auch behinderte Menschen profitieren davon. Wenn die sich zum Beispiel nur noch eingeschränkt bewegen können, haben sie dennoch ihre gesamte Wohnung unter Kontrolle, indem sie sich mit dem semantischen System verständigen oder vielleicht sogar die Haustechnik mit den Augenbewegungen steuern."

Augengesteuerte Systeme

Die Interpretationen der Augenbewegungen folgt nämlich ähnlichen Regeln wie das Verstehen und Umsetzen der von Menschen gesprochenen Anweisungen. Das semantische System erkennt anhand der Augenbewegungen, dass der Bewohner das Licht einschalten möchte.

"Wir arbeiten an augengesteuerten Systemen, mit denen behinderte Menschen zum Beispiel das Licht in ihrer Umgebung steuern können. Die Augenkameras sind mit einer eigens entwickelten Schnittstelle zu unserem semantischen System verbunden und können dann über die Augenbewegung das Licht oder auch Rollstühle in der gesamten Wohnung steuern", so Dario Bonino.

Zentrales Thema Datenschutz

Allerdings muss das semantische System sehr viele Informationen über die Wohnung und dessen beispielsweise Rollstuhl fahrenden Bewohner haben. Dafür wird ein eigenes Modell für die Wohnung entwickelt, in der der Rollstuhlfahrer sich bewegt. Eine Ontologie nennen die Fachleute das.

Das Wissen in diesem Modell ist etwas sehr Privates und muss vor Missbrauch geschützt werden, meint der Informatik-Professor Rudi Studer, der das deutsche Kompetenzzentrum für semantische Technologien in Karlsruhe leitet. "Das ist ganz klar ein Thema, weil wir keine Applikationen in der Praxis einsetzen können, bei denen man sich nicht um Datenschutz Gedanken macht, Privatheit der Daten und Schutz der Privatheit der Daten ist ein ganz zentrales Thema. Sobald Sie über kontextspezifische Informationsbereitstellung reden oder über Personalisierung von Angeboten, ist ja immer die Frage: Wer hat Kontrolle darüber, welche Daten über den Benutzer zur Verfügung stehen", so Studer.

Genau diese Frage aber ist noch nicht eindeutig beantwortet. Der Schutz der Privatheit von Daten ist sozusagen die Achillesferse der semantischen Systeme. Werden hier keine umfassenden Schutzsysteme entwickelt, droht der Einsatz semantischer Systeme in vielen Bereichen zu scheitern.

Hör-Tipp
Digital.Leben, Montag bis Donnerstag, 16:55 Uhr

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