Jossi Wieler inszeniert "Rechnitz" in München
Spezialist für Elfriede Jelinek
Am 28. November bringen die Münchner Kammerspiele Elfriede Jelineks neuestes Stück zur Uraufführung. Regisseur von "Rechnitz (Der Würgeengel)" ist Jossi Wieler. Ausgehend von einem grauenhaften NS-Massaker thematisiert das Stück die Konstruktion von Geschichte.
8. April 2017, 21:58
Jossi Wieler im Gespräch mit Maria Rennhofer
"Rechnitz (Der Würgeengel)" heißt das neue Stück von Elfriede Jelinek, das am 28. November in den Münchner Kammerspielen seine Uraufführung in der Inszenierung von Jossi Wieler feiert. Darin thematisiert die Literaturnobelpreisträgerin ein Massaker kurz vor Ende des Zweiten Weltkriegs am burgenländischen Schloss Rechnitz.
Am 24. März 1945, nur einige Tage vor Kriegsende, zwingt eine Abend-Gesellschaft von lokalen Statthaltern des NS-Regimes etwa 200 jüdische Zwangsarbeiter anzutreten. Der Ortsgruppenleiter verteilte an ausgewählte Gäste Waffen, die Juden mussten sich nackt ausziehen, wurden malträtiert und erschossen oder erschlagen. Gemäß Prozessakten des Landgerichts Wien aus der Nachkriegszeit waren auch die Besitzer des von der SS requirierten Schlosses, Graf und Gräfin Batthyány, beim Fest anwesend, wegen der Rechnitzer Mordnacht aber nie gerichtlich belangt.
Ein Stück wider das Vergessen
Der bloße dokumentarische Rekonstruktionsversuch ist aber nicht Jelineks Sache, sie nutzt Luis Bunuels 'Würgeengel' als Kontrastfolie, bei Bunuel ist es eine festliche Gesellschaft, die nicht fort kann, da sie vom Personal im Schloss eingesperrt wurde, in 'Rechnitz' bleiben die Boten zurück. Jelinek lässt diese Boten berichten. "Rechnitz" ist laut Ankündigung "ein Stück wider das Vergessen". Denn es sind Boten, die von dieser Zeit erzählen, "die Opfer-, die Tätergeneration des Zweiten Weltkrieges ist dabei, auszusterben".
Regisseur Jossi Wieler, der bereits sechs Stücke von Elfriede Jelinek inszeniert hat, interessiert vor allem die Arbeit am abstrakten Text, an diesem Denkstrom, wie er sagt.
Baumbauers letzte Saison
Das Spannungsverhältnis von Recht und Freiheit, von Schuld und Sühne steht im Mittelpunkt der Inszenierungen an den Münchner Kammerspielen in der neuen Spielzeit, der letzten unter der Ägide von Frank Baumbauer, dessen Nachfolge Johan Simons vom Nationaltheater Gent. Insgesamt 15 Neuinszenierungen, darunter sechs bis sieben Uraufführungen, standen beziehungsweise stehen in den drei Häusern in der Spielzeit 2008/2009 auf dem Programm: "Der Prozess" ist ebenso darunter wie das neue Stück von Händl Klaus, "Furcht und Zittern".
Wieler und die Macht
Nicht unverwandt zum Münchner Programm ist übrigens auch das Motto des Schauspiels bei den Salzburger Festspiele 2009 vom "Spiel der Mächtigen" wird dann gehandelt sein und wieder wird Jossi Wieler mit von der Partie sein: Erstmals in deutscher Sprache wird Peter Handkes "Bis dass der Tag euch scheidet oder Eine Frage des Lichts" in Salzburg zu sehen sein. Handke hat sich darin mit Samuel Becketts "Das letzte Band" auseinandergesetzt. Becketts Stück wird gemeinsam mit Handkes Beckett-Reflexion für eine Schauspielerin (Nina Kunzendorf) im Landestheater zu sehen sein und zwar in der Regie von Jossi Wieler.
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Hör-Tipp
Im Künstlerzimmer, Sonntag, 23. November 2008, 12:31 Uhr
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