Volksbildung goes Pop

The Temporary Soundmuseum

Der Klangkünstler Kalle Laar versucht eine Geschichte der Vinylkultur der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts zu schreiben. Einen besonderen Stellenwert nehmen dabei Tonträger ein, die nicht der Musik gewidmet waren, sondern, etwa der politischen Kommunikation.

Mit dem Niedergang des Vinyls verschwindet auch ein spezieller Teil unserer Kultur, der normaler-weise kaum der Aufmerksamkeit oder gar Bewahrung für Wert erachtet wird. Jedes bewegte oder unbewegte Bild (Foto, Film, Video etc.) wird wie selbstverständlich als Teil eines größeren Erbes betrachtet, alles was mit Klängen zusammenhängt findet dagegen in der Regel kaum kulturgeschichtliche Beachtung. Damit gilt auch die Schallplatte (und Verwandte) nicht als eigentliches Kulturgut.

Nach wie vor gilt die Schallplatte vorwiegend als Pop-Medium, was verhindert, dass sie als Zeitdokument ernst genommen wird. Ein bedeutender Teil der Produktion war aber überhaupt nicht der populären oder klassischen Musik gewidmet. Werbung, Politik, Literatur bis hin zum Militär, um nur wenige Bereiche zu skizzieren, benutzten das moderne Medium zum Transport der unterschiedlichsten Botschaften.

Alles Vinyl
Eine der grundsätzlichen Feststellungen des Temporary Soundmuseum lautet, dass es so gut wie keine Art von gespielter, gesprochener oder sonst wie akustisch formulierter Aussage gibt, die nicht irgendwann einmal ihren Weg auf eine Schallplatte gefunden hat. Ob es sich um Musik, Geräusche oder Reden handelt, um künstlerische Aussagen (fast jeder bedeutendere Künstler der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts hat seine Platte) bis hin zu charmanten Absurditäten aus der Reihe der Instruktions-Schallplatten, wie eines unserer Lieblingsbeispiele, mit der man seinem Papagei das Reden beibringen kann ("Train your bird in stereo"): Kein Klang hat je vor den vertieften Rillen im (meist) schwarzen Vinyl halt gemacht.

Das bedeutet nicht, dass wir unbedingt mit einer Art Haltung der Nostalgie jede Schallplatte retten möchten. Unsere Erfahrung zeigt aber, dass hier sehr viel Interessantes, im Hinblick auf die jeweilige
Zeit und darüber hinaus Bewahrenswertes und bedeutendes Material unterzugehen droht.

The Temporary Soundmuseum versucht, eine Geschichte der Vinylkultur der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts zu schreiben, ein besonderer Blick auf diese Epoche mit Hilfe eines Mediums, das die populäre Kultur und das Zeitgefühl stark geprägt hat. Ohne Nostalgie, mit Blick auf die Zeitgeschichte, durchaus ernst gemeint und vergnüglich produziert.

Die Veranstaltungen des Temporary Soundmuseum sind jeweils einem Thema gewidmet und in zwei Teile gegliedert. Der erste Teil findet statt im Klangtheater im Radiokulturhaus des ORF und bietet den Einstieg das jeweilige ein Klang/Tonträger/Zeit - Thema: Vorträge, Gespräche mit Gästen, einen Ausstellungsbereich, Klanginstallation - Hörspielsituation, und die Möglichkeit zur Diskussion.

Der zweite Teil im Wiener Szene-Lokal phil bietet dann sozusagen die Partyversion, immer noch bezogen auf die Thematik, aber ohne Aufmerksamkeits-Zwang, aber auch nicht verwechselbar mit der üblichen Partyzone.

Soundmuseum 26. November 2008

Eines der Anliegen des Temporary Soundmuseum ist es darauf hinzuweisen, welche Fülle an zeitgeschichtlich aussagekräftigem Material auf zu ihrer Zeit modernen Tonträgern festgehalten wurde. Hier macht die Politik keine Ausnahme.
Unser Interesse gilt vor allem der Selbstdarstellung und Werbung, sozusagen der Verbreitung nicht-zeitloser Produkte. Viele Politiker der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts haben versucht, das moderne Medium als Transportmittel für Parteiprogramme, persönliche Ansichten oder zur Wahlwerbung zu nutzen. Besonders letztere geschah unter anderem auf fragilen Medien wie Flexis oder Klangpostkarten, Verwandten des Vinyls. Der Schwerpunkt liegt auf Österreich, mit Ausblicken auf die näheren Nachbarn und darüber hinaus (wobei Deutschland und Amerika auch in eigenen Veranstaltungen zu Wort kommen werden).

Soundmuseum 29. Oktober 2008

Warum fehlt ein Museum der Schallplattenkultur? Dieser Frage, ihrer Beantwortung und der Begründung der Notwendigkeit einer über Nostalgie und Spezialistentum hinausgehenden Betrachtung dieses Teils unserer jüngeren Geschichte ist dieser Abend gewidmet. Eher un-musikalisch wird die Bandbreite der Vinylproduktion (und ihrerer Verwandten) angedeutet und die Schallplatte unter dem Aspekt eines konkreten Zeitdokuments (oder Zeitreisemittels) betrachtet.

Kurzvita Kalle Laar

Klangkünstler. Gründet 1996 das Temporary Soundmuseum. 2005 artist in residence im Museumsquartier Wien. Temporärer Club ‚Stereo Action Lounge’ beim sonambiente Festival für Klangkunst 2006, Berlin. Teilnahme unter anderem mit dem Projekt Calling the Glacier an der Biennale Venedig & ars electronica Linz 2007. Produzent von Ernst Molden und Marilies Jagsch, der La Paloma Serie bei Trikont und der Cds von Coco Schumann. Lebt in Krailling bei München und Wien.

Eine Veranstaltung von Ö1, phil und Kalle Laar.

Links
RadioKulturhaus
The Temporary Soundmuseum
phil