Von Tito-Straßen und Massengräbern in Slowenien

Schatten der Vergangenheit

Ein Massengrab mit 4.000 mutmaßlichen Partisanen-Opfern aus der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg, sowie eine neue Straße in Ljubljana, die nach dem kommunistischen Ex-Diktator Tito benannt werden soll, sorgen derzeit in Slowenien für heftige Debatten.

Auf dem Weg von einer kleinen Provinzstadt zur Hauptstadt eines unabhängigen Staates hat Laibach, slowenisch Ljubljana, binnen 70 Jahren zwei Weltkriege und den Zerfall zweier Vielvölkerstaaten durchlebt. Nach dem Ende der Monarchie wurden Straßen entweder slowenisiert oder umbenannt. So wurde aus der Beethoven-Straße die Beethovena Ulica, während Kaiser Franz Josef dem serbischen König Alexander weichen musste. Alexander wiederum fiel 1945 der kommunistischen Machtergreifung zum Opfer und Tito und Co verschwanden nach der Unabhängigkeit Sloweniens vor 18 Jahren aus dem Stadtbild von Ljubljana.

Aufregung um Tito-Straße

Peter Bozic, der Vorsitzende der Kommission für Straßennamen in Ljubljana missbilligt diese Umbenennungen grundsätzlich. Denn Straßennamen zeigen für ihn die wechselvolle Geschichte einer Stadt und seien somit Teil ihrer Identität. Daher befürwortet Peter Bozic auch, dass Josip Broz Tito in Laibach nun wieder präsent sein soll - obwohl seine Straße gerade erst gebaut wird. Diese Meinung teilt einer Umfrage zufolge die Mehrheit der Laibacher.

Auch in elf anderen Städten Sloweniens gibt es nach wie vor Tito-Straßen. Die nationalkonservativen-katholischen Parteien fordern jedoch eine Umbenennung. In diesem Sinne sammelte etwa in Ljubljana die Jugendorganisation der Kleinpartei "Neues Slowenien" 5.000 Unterschriften gegen die geplante Tito-Straße. Der Vorsitzende der Parteijugend, Jernej Vrtovec, begründet sein Nein zur Tito-Straße mit den Morden und Menschenrechtsverletzungen, für die Tito verantwortlich sei.

Massengrab mit Partisanen-Opfern

Die Debatte über Tito und die Verbrechen seiner Partisanen hat im März durch die Öffnung eines Massengrabes in der Gemeinde Lasko neue Nahrung bekommen. In einem Bergwerk, der "Huda Jama", der "Bösen Grube", vermuten Historiker bis zu 4.000 Personen, die wahrscheinlich von Partisanen im Frühsommer 1945 liquidiert wurden. 460 mumifizierte Leichen haben Gerichtsmediziner bereits untersucht.

"Einiges spricht dafür, dass hier wahllos gemordet wurde", erzählt der Historiker Joze Dezman, Leiter der Kommission für Massengräber. Details über Alter, Geschlecht und Nationalität der Opfer muss die Gerichtsmedizin noch klären.

Ein Fall für die Kriminalisten

Die Kriminalpolizei vernimmt Zeugen, die sich nach Angaben Dezmans in unerwartet großer Zahl gemeldet haben. Ob es auch zu Strafverfahren kommen wird, ist derzeit völlig offen, doch die Aussagen sind auch für Historiker sehr wertvoll. Knapp 600 Massengräber aus der Zeit unmittelbar nach Kriegsende haben Dezman und seine Kommission in Slowenien erfasst. Etwa 100.000 Personen wurden binnen sechs Monaten liquidiert, schätzt Dezman. Das sind mehr Tote als in vier Jahren Krieg in Slowenien.

Gerichtsverfahren gab es kaum, und schon gar keine, die rechtsstaatlichen Kriterien entsprachen. Die Bewertung dieser Ereignisse spaltet nicht nur die Historiker, sondern auch die politischen Parteien. Sie verkörpern die Nachfahren der Partisanen-Generation und des nationalkonservativen, bürgerlich-katholischen Slowenien.

Kritik an Präsident Türk

Zur Linken zählt auch Staatspräsident Danilo Türk. Wegen einer ersten, missverständlichen Aussage zum Massengrab bei Lasko wurde Türk von konservativen Politikern massiv kritisiert. Mittlerweile stellte er jedoch eine strafrechtliche Verfolgung jener Personen in Aussicht, von denen festgestellt werden könne, dass sie für bestimmte Verbrechen verantwortlich waren.

Türk lässt offen, was aus dem Massengrab werden und mit den Opfern geschehen soll. Die Kommission für die Massengräber will die Opfer begraben lassen - voraussichtlich im Gedächtnispark in Tezno bei Cilli. Und sie möchte weiters, dass der Staat die Grube aufkauft und dort eine Art Museum des Titoismus errichtet.

Titos Ansehen retten?

Ob diese Pläne umgesetzt werden, ist jedoch ebenso ungewiss, wie die Zukunft der Kommission. Eingesetzt wurde sie unter der konservativen Regierung, doch seit Jahresende regiert ein Mitte-Links-Kabinett in Slowenien. Kommissions-Chef Dezman sieht die Gefahr, dass die Kommission möglicherweise ihre Kompetenzen verlieren könnte. "Kommt es dazu, wäre dies Ausdruck des Versuchs der Politik, das Ansehen des Titoismus zu retten, so weit das noch möglich ist", sagt er.

Sicher ist, dass Ljubljana demnächst eine Tito-Straße bekommen wird. Unsicher ist aber somit, ob in Slowenien Öffentlichkeit und politische Eliten die Kraft aufbringen werden, sich auch den dunkeln Seiten Titos zu stellen.

Hör-Tipp
Europa-Journal, Freitag, 15. Mai 2009, 18:20 Uhr