Wie aus Hanslick Beckmesser wurde

Wer war "Hans Lick"?

Wie einst Gluckisten und Piccinisten im Paris des 18. Jahrhunderts einen Kulturkampf gegeneinander führten, so war das mit den Wagnerianern im Wien des 19. Jahrhunderts. Die Gegenpartei hob Brahms auf ihren Schild und dessen Prophet hieß Hanslick.

Eduard Hanslick, 1825 in Prag - im selben Jahr wie Johann Strauß Sohn - geboren, erhielt eine profunde musikalische Ausbildung, begann schon im Alter von 19 Jahren Musikkritiken zu schreiben und studierte nebenbei Rechtwissenschaften an der Universität Wien.

Der promovierte Jurist arbeitete zunächst in diversen Ministerien, publizierte aber darüber hinaus so erfolgreich Kritiken und Schriften zur Musik seiner Zeit und eine Theorie der Musikästhetik, dass er seit 1856 an der Universität Wien Vorlesungen halten konnte und bald zum Professor für Musik und Ästhetik ernannt wurde. Ein philosophisches Ehrendoktorat hat die Wiener Universität - wohl der Form halber - nachgereicht.

Neuausgabe

Wenn einem Kritiker - wie derzeit Eduard Hanslick - die Ehre zuteil wird, dass sich die Musikwissenschaft fast ein Jahrhundert nach seinem Tod zu einer historisch-kritischen Ausgabe aufrafft (Böhlau Verlag), obwohl bereits zu seinen Lebzeiten eine Sammlung seiner Kritiken und Erinnerungen in 13 Bänden erschienen ist (auch als Reprint auf den Markt gekommen), dann kann man das durchaus zum Anlass nehmen, einige seiner Urteile erneut auf die Waagschale zu legen und sich mit seiner Bedeutung als Katalysator musikgeschichtlicher Entwicklungsvorgänge auseinanderzusetzen.

Europaweite Resonanz

Als führender Musikkritiker der "Neuen Freien Presse" hat er deren Feuilleton einen Ruf verschafft, der europaweite Resonanz hatte - auch über die Sprachgrenzen hinaus. So hat etwa Tschaikowsky Hanslicks vernichtende Kritik über sein Violinkonzert in einem römischen Café gelesen.

Heute kann man den Stellenwert Hanslicks in der Musikgeschichte des 19. Jahrhunderts auch daran erkennen, dass das renommierteste englische Musiklexikon, der "Grove", Eduard Hanslick einen Artikel - ohne Literaturangaben - von 260 Zeilen widmet, in dem letztlich sogar Richard Wagners Urteil über seinen kritischen Widerpart relativiert wird.

Tiefe Feindschaft

Zwischen diesen beiden ist sukzessive eine tiefe Feindschaft entstanden, seitdem sich Hanslick in seiner begeisterten Kritik über Wagners "Tannhäuser", der für ihn "ein unvergessliches Erlebnis" war, auch positiv über Meyerbeer und später auch begeistert über Mendelssohn geäußert hat, dessen Musik Hanslicks ästhetischen Prinzipien vollkommen entspricht.

In seiner Schrift "Vom Judentum in der Musik" (Aufl.1869) hat Wagner den Kritiker Hanslick so markant in diesem Umfeld verankert, dass Hanslick sich bewogen sah, dem öffentlich entgegenzuhalten:

Wagner mochte keinen Juden leiden; darum hielt er jeden, den er nicht leiden konnte, gern für einen Juden. Es würde mir nur schmeichelhaft sein, auf ein und demselben Holzstoß mit Mendelssohn und Meyerbeer von Pater Wagner verbrannt zu werden; leider muss ich diese Auszeichnung ablehnen, denn mein Vater und seine sämtliche Vorfahren, soweit man sie verfolgen kann, waren erzkatholische Bauernsöhne, obendrein aus einer Gegend, welche das Judentum nur in Gestalt des wandernden Hausierers gekannt hat. Wagners Einfall, meine Abh. 'Vom Musikalisch-Schönen' ein 'mit außerordentlichem Geschick für den Zweck des Musikjudentums verfasstes Libell' zu nennen, ist, milde gesagt, so unglaublich kindisch, dass er vielleicht meine Feinde ärgern konnte, mich selbst gewiss nicht.
(Eduard Hanslick)

Beckmesser

Wagner hat bei der Letztfassung seiner "Meistersinger von Nürnberg" seiner Abneigung Hanslick gegenüber doch nicht so weit nachgegeben, den Merker - wie ursprünglichen geplant - Hans Lick zu nennen. Glücklicherweise, meint Thomas Grey, der Autor des Hanslick-Artikels im "Grove", denn alles in allem lässt Hanslicks Ziel, seine Studenten und Leser für das aufgeschlossen zu machen, was an neuer Musik - seiner Meinung nach - gut war, "eher an Hans Sachs denken als an Beckmesser".

Hör-Tipp
Musikgalerie, Montag, 18. Mai 2009, 10:05 Uhr

Buch-Tipp
Eduard Hanslick, "Sämtliche Schriften", herausgegeben von Dietmar Strauß, Böhlau Verlag