Und keine Müdigkeit vorschützen!

Auf in den Weihnachtskampf!

Das erste Adventwochenende! Sie sind hoffentlich durch die Geschäfte gerannt und haben Ihre Geschenkeliste abgearbeitet! Denn Sie wissen, welche Verantwortung heuer auf Ihnen lastet: Sie müssen den Zusammenbruch der Weltwirtschaft verhindern!

Weihnachten - seufz! - naht. Wie jedes Jahr warten alle meine Lieben auf ein Geschenk. Und das, obwohl wie schon im letzten und vorletzten Jahr die Parole ausgegeben wurde: keine Geschenke! Den Zusatz "Nur eine Kleinigkeit!" haben wir einvernehmlich in "Nicht einmal eine Kleinigkeit!" umgewandelt. Mittlerweile ist nämlich jeder von uns schon einmal reingefallen, hat sich an die Abmachung gehalten und stand dann da wie ein Vollidiot, weil die anderen jeder "nur eine Kleinigkeit!" mitgebracht hatten.

Diesmal haben wir schon im Juni angefangen, die Parole "Heuer keine Geschenke, nicht einmal eine Kleinigkeit!" auszugeben. Man weiß ja, wie das ist. Man schlendert in Nizza oder Pietermaritzburg oder Odense auf dem Corso, um zu sehen und gesehen zu werden, und dann plötzlich werden die Augen umgelenkt. Auf eine Kleinigkeit, die genau, aber hundertpro für XY passen würde. Jössas! Was der für Augen machen wird, wenn wir ihm das zu Weihnachten...

Nicht wahr? Und genau das wollten wir durch intensive Vorarbeit verhindern. Genau deshalb haben wir uns an jedem letzten Samstag im Monat zu einem Beratungsessen zusammengesetzt. Das Weihnachtsmenü geplant. Eingeteilt, wer für das Primo, das Secondo etc. zuständig ist. Wer welchen Wein besorgt, welche Deko den Tisch schmücken soll usw. Und jedes Treffen wurde mit der Parole begonnen und beendet: "Heuer keine Geschenke, nicht einmal eine Kleinigkeit!"

Und jetzt das!

"Wir setzen unsere Hoffnung auf das Weihnachtsgeschäft", bekannte ein dackeltraurig dreinschauender Goldschmied in irgendeinem der unzähligen Wirtschaftsmagazine. Oder war es ein Buchhändler?

Unser letztes Weihnachtsessenvorbereitungstreffen stand unter keinem günstigen Stern. Die tonnenschwere Verantwortung erkennend, haben wir lange finster in die Runde gesehen. Keiner sagte etwas. Was sollte man auch sagen, in einer solchen Situation? Nach der ersten geleerten Flasche Jungwein räusperte sich einer von uns. "Wir sollten..." fing er an. "Auf keinen Fall!", geiferte sein Gegenüber. "Naja, wir könnten", warf ich ein, "wir könnten doch mal überlegen..." Wieder kam ein schroffes "Nichts da!" Aber ich gab mich nicht geschlagen. Noch nicht! "Meine Lieben! Bücher. An Büchern kann doch nichts falsch sein!!! Jeder von uns kennt doch mindestens einen, der schon ein Buch veröffentlicht hat. Die kaufen wir und schenken uns gegenseitig."

Im Prinzip fand meine Idee Anklang. Nur hatte jeder von uns schon mein Buch, sein Buch, das von ihrer Freundin und das von meiner Großmutter. Aber die Idee "Buch" war gut, der Not leidenden Buchhändler wegen. Also stellten wir eine Buchliste zusammen. Jeder durfte sich ein Buch wünschen, und dann wurde verlost, wer das jeweilige Buch besorgen, einpacken und überreichen sollte. Die Liste war schon fast fertig - für meinen Schatz das Buch über die Regatten der Millionäre, für meine Schwester den neuesten Hundekrimi, für mein verkniffenes Gegenüber den Reisebericht durch 3.000 Jahre Zentralasien, für X die Yoga-Kühe und für Y die Musikeranekdoten - da meinte einer von uns, nachdem er sein Glas exzellenten Rotweins geleert hatte: "Und was ist mit den Not leidenden Goldschmieden?" Entsetztes Schweigen. "Und den Not leidenden Weinhändlern?" schob sein Gegenüber nach. "Und den Not leidenden..." Den Rest habe ich nicht mehr verstanden. Ich habe mir die Ohren zugehalten.

Und so kommt es, dass wir heuer die Weltwirtschaft retten: Jeder darf so viele und so teure Geschenke verschenken, wie er will, Halleluja!

Ich frage mich, ob es die Weltwirtschaftskrise auch gegeben hätte, wenn Weihnachten nicht so nahe gewesen wäre.

Buch-Tipps
Bruno Troublé (Hg.), "Die Geschichte des Louis Vuitton Cup. 25 Jahre Segelregatten im Wettstreit um den Americas Cup", Collection Rolf Heyne

Carsten Sebastian Henn, "Tod & Trüffel. Ein Hundekrimi aus dem Piemont", List Verlag

Daniel Schwartz, "Schnee in Samarkand. Ein Reisebericht aus dreitausend Jahren", Eichborn

"Das muss wie im Zoo klingen. Musikeranekdoten", Reclam

Klaus Puth, "Fröhliche Weihnachten mit den Yoga-Kühen", Eichborn