Die Rückkehr der Greife

Bogdan Bogdanovic

Eine Dokumentation von Reinhard Seiß porträtiert einen der bedeutendsten Schöpfer und Vertreter der Denkmalarchitektur unserer Zeit: Bogdan Bogdanovic. Bogdanovic hat bereits mehrere surrealistische Gedenkstätten gegen Krieg und Vernichtung entworfen.

Selten ist ein Mann zu finden, der wie Bogdan Bogdanovic, sich mit so starkem Protest gegen den Totalitarismus in seiner Heimat stellt und das auf so eindrucksvolle Art und Weise.

1980 besuchte ich mit einem Fernsehteam aus Kroatien den Architekten Bogdan Bogdanovic im serbischen Dorf Mali Popovici, wo er einen Workshop für seine Architekturstudenten aus Belgrad veranstaltete. Als Abschiedgeschenk gab er mir ein Büchlein mit dem Titel "Die Rückkehr der Greife" mit auf den Weg. Der Greif ist ein Mischwesen mit dem Körper eines Löwens und den Flügeln und Kopf eines Adlers. In der Antike wurde der Greif als Symbol der Klugheit verehrt.

Orte des Nachdenkens
Im ehemaligen Jugoslawien war Bogdanovic als Denkmalarchitekt bekannt. Er hat mehr als 20 Werke geschaffen, die wegen ihrer nicht-realsozialistischen Herangehensweisen Bogdanovic großes Ansehen eintrug. Wenn von Denkmalarchitektur die Rede ist, dient oft sein Werk im kroatischen Jasenovac als Beispiel. Die Form des Denkmals erweckt Assoziationen an eine erblühende Blume, die aus dem flachen Boden wächst - dort, wo im Zweiten Weltkrieg ein Konzentrationslager stand.

Ich selbst schätze am meisten ein hügeliges Areal neben der bosnischer Stadt Bihac, wo Bogdanovic, von den alten Grabsteinen der mittelalterlichen christlichen Sekte Bogumilen inspiriert, einen zurückhaltenden Ort des Nachdenkens erschaffen hat.

Vergangenheit und Gegenwart
Schon aus diesen zwei Arbeiten von Bogdan Bogdanovic, ebenso wie aus all den anderen symbolträchtigen Denkmälern, die er ersonnen hat, kann man jene Zuneigung zur tiefen Verknüpfung und Verflechtungen von Geschichte, Mythen und Gegenwart erkennen, die sich auch in seinem Büchlein über das mythische Wesen Greif manifestiert.

Bogdan Bogdanovic verließ Belgrad Richtung Wien, als Slobodan Milosevic in Serbien die Macht ergriff. Bogdanovic betonte in einem Interview, das er dem Schriftsteller Mile Stojic im Dezember 1998 für die bosnisch-herzegowinische Zeitschrift "Dani" (Die Tage) gab, dass Milosevic, den er als einen Dummkopf ansah, so schnell "verschwinden" würde, wie ihm die Macht zugeflogen sei.

In Wien schrieb Bogdan Bogdanovic Bücher, in welchen er versuchte, auf seine analytische Art und Weise Antworten auf die schrecklichen Geschehnisse im Krieg um Ex-Jugoslawien zu finden. Schon die Titel der Bücher "Die Stadt und der Tod" (1993), "Architektur der Erinnerung" (1994), "Die Stadt und die Zukunft" und "Der verdammte Baumeister" (1997) zeigen klar seine fast obsessive Beschäftigung mit dem Tod, dem Schicksal der Städte und mit der Vergangenheit.

Bogdanovic ins Bewusstsein rücken
Der Autor Reinhard Seiß schreibt über seine Dokumentation: "Das filmische Porträt sieben ausgewählter Denkmäler - vom Memorial am jüdischen Friedhof der serbischen Hauptstadt Belgrad über die 'Stadt der Toten' im bosnisch-herzegowinischen Mostar bis hin zum wohl bekanntesten Monument, jenem im ehemaligen Vernichtungslager im kroatischen Jasenovac - will zum Einen das bislang nicht dokumentierte architektonische Werk von Bogdan Bogdanovic ins öffentliche Bewusstsein Mitteleuropas zurückführen, zum Anderen sollen dabei die surrealistische Architektur mit der Literatur des heute in Wien lebenden Intellektuellen in Beziehung gesetzt und daran die Geschichte und Gegenwart Jugoslawiens reflektiert werden."

Der zweistündige Film, in dem Seiß sehr ausführlich und schön mehrere Denkmäler von Bogdan Bogdanovic darstellt und den mittlerweile 87-jährigen Meister ausführlich zu Wort kommen lässt, erweckten in mir Erinnerungen an mein erstes Treffens mit Bogdanovic im Dorf Mali Popovici wieder.

Das Büchlein mit den Greifen habe ich noch immer bei mir. Nur bin ich nicht mehr sicher, ob der Greif, wie das in der Antike der Fall war, noch immer das Symbol der Klugheit ist. Bogdanovic hat seit den 1980er Jahren keine Denkmäler mehr geschaffen. Er beendete seine Denkmal-Arbeit gerade vor den neuen, grausamen Geschehnissen in seinem Land.

Service

Bogdan Bogdanovic, "Die grüne Schachtel", Zsolnay

Mehr dazu in oe1.ORF.at

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