Vom Hoffnungsgebiet zum Risikofaktor
Osteuropa in der Krise
Das Wachstum der vergangenen zehn Jahre in den CEE-Ländern beruhte vor allem auf Kapitalimport. Die internationale Finanzkrise habe die Bedingungen für jene Länder, die vom internationalen Kapitalgebern besonders abhängig sind, nun drastisch verschärft.
8. April 2017, 21:58
Die internationale Wirtschaftskrise hinterlässt deutliche Spuren auch in Mittel- und Osteuropa. Sie führt aber nach Ansicht des Wiener Instituts für Internationale Wirtschaftsvergleiche zu keiner Rezession - mit Ausnahme der bekannten Fälle wie etwa Ungarn. Die letzte Prognose vom Juli musste das WIIW aber deutlich nach unten revidieren. "Das Wachstum der vergangenen Jahre wird in Osteuropa dramatisch unterbrochen", erklärt WIIW-Experte Michael Landesmann.
Das Wirtschaftswachstum in den neuen EU-Mitgliedstaaten soll sich laut Prognose von durchschnittlich 6,3 Prozent im Vorjahr auf heuer 5 Prozent verlangsamen. 2009 wird nur mehr mit einem Wachstum von 2,7 Prozent gerechnet. 2010 soll ausgehend von der prognostizierten weltweiten Erholung wieder ein Anstieg von 3,5 Prozent erfolgen, berichtet Landesmann.
Wachstum auf wackeligen Beinen
Allerdings sei auch die aktuelle Prognose mit großen Unsicherheiten belastet, warnt Landesmann. Viel werde von der Wirksamkeit der Hilfsmaßnahmen für die Wirtschaft in der EU und den USA abhängen, denn der Wachstumsrückgang in den CEE-Ländern (Central and Eastern Europe) sei zu einem Großteil "importiert".
Das Wachstumsmodell der vergangenen zehn Jahre in den CEE-Ländern beruhte insbesondere auf Kapitalimport. Nur einzelne Länder konnten sich davon teilweise lösen, wie etwa Polen, Tschechien und die Slowakei. Dazu kommt, dass auch die Nachfrage nach Produkten aus diesen Staaten in der Eurozone, dem wichtigsten Absatzmarkt dieser Länder, stagniere, die Investitionen sinken und der Konsum in den Ländern selbst zurückgeht.
Am falschen Fuß erwischt
Die internationale Finanzkrise habe die Bedingungen für jene Länder, die vom internationalen Kapitalgebern besonders abhängig sind, nun drastisch verschärft. So seien etwa die Balkanländer in einer problematischen Phase des Aufholprozesses von der Krise getroffen, sagte Landesmann. Denn die hohen CEE-Wachstumsraten der vergangenen Jahre gingen einher mit hohen Leistungsbilanzdefiziten, welche durch ausländische Kapitalgeber finanziert wurden.
Trocknen nun diese Geldflüsse aber aus, dann sei dieses Wachstumsmodell nicht mehr aufrecht zu erhalten, hieß es vonseiten des WIIW. Einige Länder wie Kroatien, Bulgarien, Rumänien und Lettland seien bereits jetzt besonders von einem hohen Anteil an kurzfristigen Auslandskrediten betroffen, die sie bald refinanzieren müssten.
Kaum Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt
Auf den Arbeitsmarkt der zehn neuen Mitgliedstaaten wird sich die internationale Finanzkrise nur vorübergehend auswirken, erklärte Osteuropa-Experte Peter Havlik vom Wiener Institut für Internationale Wirtschaftsvergleiche. Ein dramatischer Anstieg der Arbeitslosigkeit werde nicht erwartet, denn die meisten dieser Staaten kämpften bereits mit einem Arbeitskräftemangel. Die Situation sollte sich ab 2010 entspannen, wenn wie prognostiziert die globale Wirtschaftskrise weitgehend überwunden sein soll.
Problemfall Autoindustrie
Einen größeren Einfluss wird die Krise aber in einzelnen exportorientierten Branchen wie etwa Auto- und Autozulieferindustrie haben. "Dieser Sektor steckt besonders in Schwierigkeiten", erklärt Havlik. Besonders jene Länder, die einen großen Anteil der Autoexporte an den Gesamtausfuhren haben wie etwa Polen, wo der Anteil 2007 bei knapp über 20 Prozent lag, spüren die Krise besonders.
CEE und Euro
Die Motivation zum Euro-Beitritt hat sich in den CEE-Ländern laut Einschätzung der Experten des Wiener Instituts für Internationale Wirtschaftsvergleiche zwar erhöht, auch wenn die Bedingungen schwieriger zu erreichen sein dürften. Die Europäische Zentralbank (EZB) sei konservativ und würde an den Maastricht-Kriterien strikt festhalten, so die Einschätzung.
Zwar werde ein Rückgang der Inflation erwartet, aber es werde schwieriger, die Haushaltsdefizitziele einzuhalten, meinten die Experten. Die Slowakei sei hingegen in einer glücklichen Lage, da sie ab Anfang 2009 den Euro einführt, erklärte Peter Havlik, Osteuropa-Experte beim WIIW.
Derzeit kommen allerdings jene Länder mit fixen Wechselkursen besonders stark unter Druck, denn käme es zu Abwertungen in diesen Staaten, so würde die hohe Auslandsverschuldung des privaten Sektors zu Zahlungsschwierigkeiten führen. Allein die Aussicht auf Zahlungsschwierigkeiten könnte bereits zur Kapitalflucht führen.
Für Österreich erwarten die Experten vom WIIW, dass sich das Engagement in Osteuropa auch in Zukunft lohnen werde. Die Wirtschaft in den Ländern werde auch in den kommenden Jahren stärker wachsen als jene in Westeuropa. Damit werde Österreich den Vorteil der vergangenen Jahre auch in Zukunft aufrecht erhalten können.
Hör-Tipp
Saldo, Freitag 12. Dezember 2008, 9:45 Uhr
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