Typisch weibliche Tätigkeiten sind schlecht bezahlt

Care-Ökonomie

Kinderbetreuung und -erziehung, das Kümmern um Kranke und Bedürftige und die Pflege alter Menschen - diese Tätigkeiten werden als Care-Ökonomie zusammen gefasst. Wie soll mit diesem Wirtschaftsbereich umgegangen und wie kann er finanziert werden?

Die Betreuung und Umsorgung von abhängigen Personen, seien es Kinder, bedürftige oder alte Menschen, findet größtenteils abseits des Marktes statt. Und sie ist schlecht bezahlt, meint die Ökonomin Gabriele Michalitsch.

"Frauenarbeit ist billige Arbeit, weil sich darin das Machtverhältnis zwischen den Geschlechtern widerspiegelt. Historisch und bis heute treffen Frauen in weit geringerem Umfang Entscheidungen in Politik und Wirtschaft." Rund 80 Prozent der Versorgungsleistungen werden privat erbracht. Über drei Viertel dieser privaten Pflege, Erziehung und Betreuung erledigen Frauen.

Ins Heim stecken?

Bernhard Weicht von der University of Nottingham ist der Überzeugung, dass sehr viele Menschen glauben, Pflege zu Hause sei besser, als Pflege im Heim. Daher wird versucht, so viel wie möglich selbst zu machen, innerhalb der Familie, und nur die nötigsten Dienste werden zugekauft.

Jene Menschen, die keine Bedenken gegen fremde Hilfe haben, stehen vor dem Problem der Finanzierbarkeit. Die Versorgungsdienstleistungen werden in den nächsten Jahren noch viel teurer werden. Aus einer Studie von Ulrike Mühlberger vom österreichischen Wirtschaftsforschungsinstitut geht hervor, dass bis 2030 die Kosten für die Pflegevorsorge um 160 Prozent zunehmen werden. Hinter dieser Prognose stehen Annahmen über die demografische Entwicklung, sowie über die Steigerung der Frauenerwerbsquote. Die höhere Frauenerwerbsquote hat natürlich auch Auswirkungen auf die Kinderbetreuung.

Staat oder Privat?

Wenn man krank ist, so die Schweizer Ökonomin Mascha Madörin, kann man ohne Hilfe Medikamente schlucken oder sich Spritzen verabreichen aber wahrscheinlich kann man sich nicht mehr selber waschen, nicht kochen, putzen oder einkaufen gehen. Die grundlegende Frage ist, wer hat die Kosten für die Versorgung und Pflege von Kindern, Bedürftigen und alten Menschen zu tragen? Die privaten Haushalte? Der Staat? Oder der Markt?

Der Markt bietet bereits sehr viele haushaltsnahe Dienstleistungen an. Wenn diese Tendenz ausgebaut werden soll, wie es in den USA bereits der Fall ist, dann kann das nur funktionieren, wenn sehr niedrige Löhne bezahlt werden, meint Mascha Madörin. "Das heißt nichts anderes, als dass eine große Gruppe so genannter working poor kreiert wird."

Pflege ist teuer

Im Bereich der Pflege wäre es für die meisten Betroffenen unmöglich, die notwendigen Dienste aus den laufenden Einkommen zu bezahlen. Das staatliche Pflegegeld soll das mildern, erklärt der Pflegegeldexperte August Österle.

"Das Pflegegeld, ist ganz ausdrücklich gestaltet als pflegebedingter zusätzlicher Beitrag zu dem Mehrkosten in einem Haushalt. Das deckt nicht alle Kosten. Es bleibt den Betroffenen ein relativ großer Aufwand. Daher hat sich ein Graubereich entwickelt."

Wenn viele Menschen "schwarz" ihre Pflegerinnen, selten auch Pfleger zukaufen, dann sind nicht nur viele dieser Betreuungspersonen prekär beschäftigt, es entgehen dem Staat auch Steuereinnahmen. Aus dem entsprechend geringeren Budget können dann auch weniger Sozialleistungen bezahlt werden.

August Österle von der Wirtschaftuniversität Wien sieht Bedarf am Ausbau der Sozialleistungen von Seiten des Staats. Denn wenn eine höhere Frauenerwerbstätigkeit, mehr Flexibilität und ein höheres Pensionsantrittsalter gewünscht sind, dann wird es immer schwieriger werden, informell zu pflegen. Momentan liegen die öffentlichen Ausgaben für Langzeitpflege, also mindestens 50 Stunden - zumindest sechs Monate lang, bei drei Milliarden Euro im Jahr. Das sind 1,2 Prozent des Bruttoinlandsprodukts.

Stößt die Care-Ökonomie an ökonomische Grenzen?

Entweder ist die Leistung so teuer, dass sie nur noch von wenigen Reichen bezahlt werden kann oder die Erbringer der Care-Tätigkeiten werden unterbezahlt. Ist die Care-Ökonomie einfach nicht gewinnbringend und daher nicht marktfähig? Sollte die Care-Ökonomie gar zur Gänze öffentlich finanziert werden, wenn nicht gerade eine Aufbaugeneration ihr Vermögen vererbt? Ginge sich das überhaupt aus?

Es sei eine Frage der Prioritäten, meint die Ökonomin Gabriele Michalitsch. "Was ist das Ziel der Ökonomie? Was sind die wichtigen Ziele unserer Gesellschaft, wenn nicht unser Wohlbefinden? Die Frage der Finanzierung muss man in diesem Gesamtkontext gestellt werden: wer wird besteuert, und wer bekommt Ressourcen. Wir stoßen an Grenzen. Aber wenn wir sehen, dass die Finanzmärkte Unsummen verschlingen, dann scheint es eine vergleichsweise leichte Frage Mittel für Versorgungsarbeit aufzuwenden."

Hör-Tipp
Dimensionen, Dienstag, 16. Dezember 2008, 19:05 Uhr