Beamer, Phaser und Zeitmaschinen

Die Physik des Unmöglichen

Michio Kaku, einer der weltweit bedeutendsten Physiker, hat eine unkonventionelle Reise in die ausgefalleneren Gefilde der Physik unternommen. In seinem neuen Buch beschäftigt er sich mit Beamern, Phasern und Zeitmaschinen.

Michio Kaku ist seit seiner Kinderheit ein begeisterter Science-Fiction-Fan. Er hat jede Folge von "Startrek" und alle Teile des "Star Wars"-Epos von George Lucas gesehen. Doch seine erste Liebe hat Flash Gordon gegolten. Nach einer Weile ist ihm jedoch etwas klar geworden: "Erstens, ich war weder blond noch muskulös. Und zweitens, eigentlich machten die Wissenschaftler die interessante Arbeit", erzählt Michio Kaku im Gespräch. "Es war Dr. Zarkov, der das Raumschiff, das Unsichtbarkeitsschild und die Städte im Himmel erfunden hat. Ohne Wissenschaft, also Science, gibt es keine Science Fiction."

Und so wurde Michio Kaku Physiker, um das Unmögliche möglich zu machen. Das Unmögliche ist für ihn eine relative Sache, denn was heute nicht machbar scheint, kann in ein paar Jahrzehnten Wirklichkeit sein. Man brauche nur an Forscher aus früheren Zeiten und ihre falschen Prognosen für die Zukunft denken, meint der Physiker: "Im 19. Jahrhundert war Lord Kelvin der vielleicht größte Physiker seiner Zeit. Er behauptete, Flugzeuge seien unmöglich, denn da ein Flugzeug schwerer als Luft sei, widerspreche fliegen den Gesetzen der Physik. Er behauptete außerdem, dass die Erde nur ein paar Millionen Jahre alt war. Damals verstand man die Gesetze der Physik noch nicht. Lord Kelvin wusste nichts von der Kernkraft, die die Erde erhitzt. Auch von der Strömungslehre, die Flugzeuge möglich macht, hatte er keine Ahnung."

Abgestufte Unmöglichigkeiten

Auf der Basis der Gesetze der Physik teilt Michio Kaku künftige Errungenschaften, die wie aus einem Science-Fiction-Roman klingen, in drei Kategorien. Er nennt sie Unmöglichkeiten ersten, zweiten und dritten Grades.

Unmöglichkeiten ersten Grades sollten sich in ein paar Jahrzehnten, längstens jedoch in 100 Jahren realisieren lassen; für die Unmöglichkeiten zweiten Grades muss man ein paar Tausend Jahre veranschlagen; und die Unmöglichkeiten dritten Grades widersprechen den Gesetzen der Physik. Demnach wird es uns nie gelingen, etwa die Zukunft vorherzusagen. Freilich sei nie auszuschließen, meint der Forscher, dass ein neues Gesetz eines Tages noch entdeckt würde.

Tarnkappen von morgen

Auch wenn es unwahrscheinlich klingen mag: Unsichtbarkeit sollte schon in den nächsten Jahrzehnten realisierbar sein. Mit den derzeit existierenden Hilfsmitteln sei es allerdings nicht zu machen. Nach den herkömmlichen Gesetzen der Optik sind nur Kristalle und Glas unsichtbar, weil sie Licht auf bestimmte Weise brechen. Es wäre eine Tortur für Harry Potter, ihn so weit zu bringen, dass er sich wie ein Kristall verhält.

Um Harry Potter unsichtbar zu machen, müssten wir ihn verflüssigen, kochen, um Dampf zu erzeugen, ihn kristallisieren, erneut erhitzen und ihn dann abkühlen, was zu überstehen selbst für einen Zauberer eine echte Herausforderung wäre.

Doch Unsichtbarkeit lässt sich dann erreichen, wenn man für die Oberflächen andere Materialien verwendet. "Wir glauben, wir können Harry Potter in einen Zylinder stecken, der außen mit einem so genannten Metamaterial verkleidet ist", meint Kaku. "Das wird ihn unsichtbar machen. Metamaterialien sind neue Fasern, die nicht in der Natur vorkommen. Mutter Natur hat uns Glas und Kristalle geschenkt, die das Licht auf bestimmte Weise brechen, doch um etwas unsichtbar zu machen, müsste man das Licht rückwärts brechen. Das widerspricht an sich den Gesetzen der Optik, doch im Labor haben wir es geschafft. Wir verwenden dazu Nanotechnologie, mit deren Hilfe wir Moleküle in den Substanzen neu arrangieren. Das heißt, wahre Unsichtbarkeit wird in der Zukunft möglich sein."

Umsetzung mit Metamaterialien

Der Effekt, dass das Licht, das auf die verkleidete Oberfläche trifft, rückwärts gebrochen wird, wäre etwa der Tarnung eines Klingonen-Raumschiffes aus der Fernsehserie "Raumschiff Enterprise" vergleichbar. In einer Episode war das Raumschiff unsichtbar gar mitten in einem Park in San Franciso geparkt.

Etwas Ähnliches erwartet sich das US-Verteidigungsministerium von den Metamaterialien und finanziert daher die Forschung. "Das Ziel des Pentagon ist, einen Soldaten, einen Panzer oder ein Flugzeug völlig unsichtbar zu machen", so Kaku. "Wenn man hinschaut, sollte man gar nichts sehen. Doch man kann gegen diese Unsichbarkeit Gegenmaßnahmen ergreifen. Man kann zum Beispiel einen unsichtbaren Soldaten mit Sand bestreuen. Dann erkennt man seine Umrisse. Man kann auch ein Netz über ihn werfen. Ich glaube also nicht, dass diese Technologie in absehbarer Zeit auf dem Schlachtfeld eingesetzt werden wird."

Lichtschwerter dauern noch

In die Kategorie der Unmöglichkeiten zweiten Grades fällt etwas, das man aus "Star Wars" kennt: die bunten Lichtschwerter. Doch vor tausend Jahren wird es wohl nichts damit werden. "Wir haben Laserbeams, die Stahl durchdringen, und wir haben Plasmabrenner, mit denen man durch so gut wie jede Substanz durchkommt", erklärt Kaku. "Wir sind also technisch in der Lage, ein Lichtschwert zu bauen. Das wäre ein Stück Metall mit Plasma drinnen. Das ist sehr heißes Gas, etwa so heiß wie die Sonne. Daraus schießen schmale Ströme von heißem Plasma in der Form eines Schwerts heraus. Also herstellen können wir so etwas. Das Problem mit Strahlenpistolen und Lichtschwertern ist die Energiequelle. Es gibt keine tragbare Batterie, die stark genug ist, dass man Stahl durchdringen könnte. Mit einer Strahlenpistole kann man an sich durch eine Ziegelwand durchschießen. Doch man braucht hinter sich ein ganzes Kernkraftwerk dafür. In einer Schlacht ist es einfach unpraktisch, ein Kraftwerk mitzuschleppen."

Des Rätsels Lösung liegt in der Nutzung einer neuen Technologie, so Kaku: "Wir setzen unsere Hoffnung auf Nanotechnologie. Damit müsste man sehr viel Energie in sehr kleine Räume packen können. Schauen wir uns zum Beispiel Benzin an: Warum ist es so schwer zu ersetzen? Weil es im Prinzip konzentriertes Sonnenlicht seit der Zeit der Dinosaurier darstellt. Benzin hat eine sehr hohe Energiedichte. Wenn wir im Benzin nun Moleküle manipulieren, könnten wir Superbenzin erzeugen, mit dem man die Strahlenpistolen und Lichtschwerter der Zukunft betreiben könnte."

Der Umsetzung stehen zwei Hindernisse im Weg: Erstens, Nanotechnologie steckt noch in den Kinderschuhe. Und zweitens: Forschern ist es noch nicht einmal gelungen, die Energiedichte des ganz gewöhnlichen Benzins im Labor nachzubauen.

Die Urururururenkelin vor der Tür

In dieselbe Kategorie wie das Lichtschwert fällt etwas, das viele für ausgeschlossen halten: nämlich das Zeitreisen. "Stephen Hawking hielt Zeitreisen für unmöglich. Also suchte er nach einem physikalischen Gesetz, das die Unmöglichkeit beweisen würde", so Kaku. "In der Physik gibt es ein Sprichwort: Was nicht verboten ist, ist verpflichtend. Er hat sich sehr bemüht, Zeitreisen per Gesetz zu verbieten. Es ist ihm nicht gelungen. Also hat er erklärt, dass es nun verpflichtend sei. Wir müssen zeitreisen, da kein Gesetz der Physik dagegen spricht. Doch mit unserer derzeitigen Technologie ist es unpraktisch. Man würde die Energie eines Sterns brauchen, damit man die Zeit wie eine Brezel verbiegt. Das schaffen wir nicht. Da müssen noch ein paar Tausend Jahre vergehen. Aber möglich ist es. Wenn es also eines Tages an Ihrer Tür klopft und jemand stellt sich als ihre Urururururenkelin vor, schlagen Sie nicht die Tür wieder zu."

Zeitreisen würde fraglos eine Reihe von politischen Problemen mit sich bringen. Doch das ist nicht alles: Es droht eine ernste, existenzielle Gefahr: "Wenn man in die Zeit der Dinosaurier zurückreist und wenn man auf ein kleines Säugetier draufsteigt, das zufällig der Urahn der Menschen ist, dann hat man durchs Zeitreisen die gesamte Menschheit ausgerottet."

Hör-Tipp
Kontext, jeden Freitag, 9:05 Uhr

Buch-Tipp
Michio Kaku, "Die Physik des Unmöglichen. Beamer, Phaser, Zeitmaschinen", aus dem Englischen übersetzt von Hubert Mania, Rowohlt Verlag

Link
Rowohlt - Michio Kaku