Joesi Prokopetz und der Auftragskiller
Bitte nicht schießen!
"Nächtelang geht mir durch den Kopf, was mir eigentlich am Arsch vorbei gehen sollte", meint Joesi Prokopetz. Für sein aktuelles Programm "Bitte nicht schießen! - Paschalstje njet streljaetje!" bekam Joesi Prokopetz den Salzburger Stier verliehen.
8. April 2017, 21:58
Von der neuen Armut nimmt man zu!
Wie schnell ein Unterhaltungskünstler, von der Wirtschaftskrise in die Knie gezwungen, die Auswirkungen der neuen Armut am eigenen Leib verspüren kann, beschreibt Joesi Prokopetz in seinem prämierten Solo. "So gesehen bin ich ein Kriegsgewinnler der Krise", sagt Prokopetz, der sein Programm schon längst entwickelt hatte, bevor das Vokabel "Rezession" traurige Aktualität erhielt und die Wirtschaftsseiten der Zeitungen dominierte.
"Bitte nicht schießen" ist die Geschichte eines glücklosen Kleinkünstlers, dem das Schicksal so übel mitspielt, dass er sich zur Zielscheibe eines russischen Auftragskillers macht. Gefunden hat er ihn im Internet. Auf die Suche nach ihm begab sich der Kabarettist, weil er keinen akzeptablen Weg fand, sein missglücktes Leben selbst zu beenden.
Beseelte Pointen
Mir dürfte einer zehn Millionen herlegen und sagen, ich soll arm sein dafür, ich nehmet's nicht.
Dieser Ausspruch aus Johann Nestroys Posse "Der Zerrissene" ist für Joesi Prokopetz der Inbegriff einer beseelten Pointe. Und die österreichische Seele, das Wiener Gemüt, das sind Themen, die ihn als Verfasser legendärer Austropop-Songs und später als Kabarettist immer intensiv beschäftigt haben.
"Ein bisserl sterben, das gibt es nur in Wien", sagt Joesi Prokopetz, der die tragisch-komischen Momente des menschlichen Strebens und Scheiterns gekonnt in seine Geschichten flicht.
Nur ein Toter hat keinen Dauerauftrag
Die erdachte Ausgangslage für Prokopetz' Protagonisten ist trist. Joesi Prokopetz verschafft seiner Bühnenfigur intime Einblicke in das Ungemach einer künstlerischen Existenz in wirtschaftlich miesen Zeiten. Bei einer sehr bescheidenen Auftragslage bleibt immer häufiger die Kundschaft und mit ihr auch das Geld aus. Selbst der zu Rate gezogene Finanzoptimierer kann für den Kabarettisten nur mehr eines tun - nämlich das Bier bezahlen. Geld allein macht nicht eben glücklich, sinniert Prokopetz, man muss es schon auch besitzen.
Systematisch lässt Joesi Prokopetz seinen Kabarettisten immer tiefer in die Krise schlittern, denn wenn bei ihm schon etwas schiefgeht, dann gleich richtig. Das Finanzamt stellt hohe Forderungen, die Freundin auch und den erhofften Kredit bei der Bank gibt es natürlich nicht. Resignierend stellt Prokopetz fest: Ein Kredit gleicht einem Regenschirm, den man bei Sonnenschein leicht bekommt, der aber beim ersten Regentropfen sofort zu retournieren ist. Doch noch ist der Kabarettist nicht ganz am Ende - zumindest kann er auf seinen Körper vertrauen.
Körperliche Befindlichkeiten
"Hauptsache, ich bin gesund", lässt Joesi Prokopetz seinen Unterhaltungsexperten resignierend feststellen. Doch: Woher will er denn so genau wissen, dass es um seine körperliche Verfassung so gut bestellt ist? Um diese Ungewissheit aus der Welt zu schaffen, unterzieht er sich einer umfassenden Untersuchung. Die Resultate lassen auf sich warten, der Arzt hüllt sich in Schweigen.
"Wie müssen denn meine Befunde sein, wenn sich mein Arzt mich nicht anrufen traut, um zu sagen: Herr Prokopetz, ihre Befunde, also Haltbarmilch brauchen sie keine mehr einzukaufen", sinniert der verunsicherte Kleinkünstler.
Dieses Vorgangsweise lässt für ihn aber letztendllich nur einen Schluss zu: Er ist nicht nur unschuldig verarmt und umsummt von der stillen Dramatik der Bedeutungslosigkeit, er ist vermutlich auch unheilbar krank. So will er nicht weiterleben - aber was tun?
Tolstoi
Am Ende seiner Kräfte macht sich Joesi Prokopetz' Alter Ego im World Wide Web auf die Suche nach einem Auftragskiller, der seinem unglücklichen Künstlerdasein ein Ende bereiten soll. Im einschlägigen Chat trifft er auf Tolstoi, der für 7.000 Euro den Wunsch des Kabarettisten erfüllen will. Eine schriftliche Bestätigung unter abschaffungskommando.com und der Auftrag ist auf den Weg gebracht.
Doch ähnlich wie im richtigen Leben: Kaum ist der Killer engagiert, wendet sich für Joesi Prokopetz alles zum Guten. Der Grund, verfrüht aus dem Leben zu scheiden, ist verschwunden - ebenso wie der Zugriff auf Tolstois URL im Netz. Fehler 4711 lässt die Kommunikation zu Tolstoi nicht zu. Der Wunsch "Bitte nicht schießen" bleibt ungelesen.
Ich überweise, also bin ich
Der Tod ist ja immer ein Auftragskiller, sagt Joesi Prokopetz. Mit Ironie nähert sich der Kabarettist den großen Fragen des Lebens. Als gewitzter Erzähler eröffnet Prokopetz seinem Publikum die absurden Facetten einer aus den Fugen geratenen Leistungsgesellschaft.
Wie das Leben im digitalen Kapitalismus funktioniert, bringt er auf die kurze Formel: Ich überweise, also bin ich. Und ganz in diesem Sinne versucht er auch das Phantom namens Tolstoi zu überleben. Aber: Wo ist er? Wird er zuschlagen und wenn ja, wann und wie?
Hör-Tipp
Contra, Sonntag, 24. Mai 2009, 22:05 Uhr
Links
Joesi Prokopetz
Salzburger Stier
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