Mitten ins Herz

Maria Cebotari

Ihre Biographie liest sich wie ein Hollywood-Drehbuch: Mit 16 Jahren brannte Maria Cebotaris von zu Hause durch und heiratete einen um Jahrzehnte älteren Grafen. In unglaublicher Rasanz entwickelte sich ihre Opernkarriere, der Erfolge beim Film folgten.

Die Künstlerinnen und Künstler, die wir ganz besonders lieben und verehren, die haben natürlich ihre ganz eigenen, individuellen Fähigkeiten. Die einen imponieren uns wegen ihrer halsbrecherischen Virtuosität, wegen ihrer brillanten Spitzentöne, ihrer berückenden Piani, andere wieder können besonders tief singen oder besonders laut, dann gibt es natürlich auch noch die überzeugenden Singschauspieler und so weiter.

Eines aber gelingt nur ganz wenigen Auserwählten, nämlich mit ihrer Stimme direkt unser Herz zu treffen, unser Innerstes zu berühren - und sei es auch nur durch Bild- oder Tonaufnahmen. Eine dieser raren Ausnahmeerscheinungen war die tragisch früh verstorbene Maria Cebotari. Allein dieser Name - "Maria Cebotari" - das hat einen geradezu magischen Klang.

Zeitlos sinnliche Stimme

Am 10. Februar jährt sich bereits zum 100. Mal der Geburtstag dieser Künstlerin, die auch heute noch ein Begriff ist, selbst bei Menschen, die ansonsten an Oper eigentlich kein größeres Interesse haben. Die Cebotari war nämlich nicht nur eine weltweit gefeierte Operndiva, sie war auch ein umjubelter, äußerst populärer Filmstar, und sie hatte -als sie am 9. Juni 1949 in Wien, ihrer letzten künstlerischen Heimat mit nur 39 Jahren gestorben ist - ein Leben hinter sich, das sich wie das Drehbuch zu einem Kassenschlager aus Hollywood liest.

Dennoch, nach mehr als einem halben Jahrhundert interessieren alle diese Sensationsgeschichten rund um sie, ihre beiden Ehemänner und ihren tragisch frühen Tod wahrscheinlich nur mehr wenige Zeitgenossen. Was bleibt, auch für künftige Generationen, sind die zahlreich hinterlassenen Bild- und Tondokumente, die uns vor allem eine unverwechselbare, erotisch-ausdrucksvolle Stimme zeigen, die eigentlich zeitlos scheint.

Durchgebrannt mit 16

Geboren wurde Maria Cebotari (beziehungsweise Cebotaru, wie sie wirklich geheißen hat) in Bessarabien, in Kischinew, am 10. Februar 1910. Das gehörte damals zu Russland, wurde dann von Rumänien annektiert und ging schließlich an die Sowjetunion. Heute liegt es in der selbständigen Republik Moldava oder Moldau, wo man natürlich sehr glücklich ist, einmal eine solche Künstlerin hervorgebracht zu haben.

Maria Cebotaris Vater war Lehrer, und sie selbst hat eigentlich von frühester Kindheit an schon gesungen: An Sonn- und Feiertagen in der Kirche, bei Hochzeiten und bei Begräbnissen verdiente sie so ihre ersten kleinen Honorare.

Mit 14 hat sie bereits das Konservatorium von Kischinew besucht, und sie war erst blutjunge 16, als sie schon das erste Mal geheiratet hat, einen ihr damals faszinierend erscheinenden Mann, Chef einer fahrenden Künstlertruppe, die damals zufällig in Kischinew gastiert hat: Graf Alexander von Wiruboff. Er war zwar Jahrzehnte älter als sie, doch an seiner Seite lernte sie sozusagen die große Welt kennen, zunächst Paris und schließlich Berlin, denn der Graf hatte von der UFA ein Filmangebot erhalten.

Opernstart in Dresden

Obwohl sie damals kein Wort deutsch gesprochen hat, hat man sie sofort in die Berliner Musikhochschule aufgenommen, und es dauerte gar nicht lange und sie konnte Fritz Busch vorsingen - damals Operndirektor in Dresden -, der sie auch sofort engagiert hat. 1931 hat dann in Dresden tatsächlich ihre Opernkarriere begonnen, als Mimi in Puccinis "La Boheme" unter Fritz Busch.

Der Erfolg war so überwältigend, dass sie daraufhin in kürzester Zeit gleich eine ganze Reihe von für sie völlig neuen und vor allem gänzlich unterschiedlichen Rollen übernehmen musste, was darin gipfelte, dass sie bereits damals in Dresden sogar schon die "Turandot" gesungen hat. So etwas geht natürlich nur in einem Ensembletheater und auch dann nur, wenn an einem solchen Opernhaus ein verantwortungsbewusster und souveräner Musiker das Sagen hat und das war in Dresden zuerst in der Person von Busch und dann von Karl Böhm absolut der Fall.

Erfolge auch mit Neuem

Maria Cebotaris Opernrepertoire hat rund 50 Rollen umfasst, ohne große Fachabgrenzungen, lediglich von Wagner hat sie eigenartigerweise keine Hauptpartie gesungen. Richard Strauß hingegen hat in ihrer Karriere einen ganz besonderen Stellenwert eingenommen. Sie war - von ihm selbst außerordentlich bewundert - ebenso Salome wie Sophie, Arabella, Ariadne, Daphne, Capriccio-Gräfin, und die Aminta in der "Schweigsamen Frau" hat sie bei der Uraufführung in Dresden, 1935, sogar aus der Taufe gehoben.

Richard Strauss gehört heute längst zu den Klassikern, zur Zeiten der Cebotari aber war er ein zeitgenössischer Komponist und selbstverständlich nicht der einzige, dessen neue Opern vom Publikum neugierig erwartet wurden - und nicht als quasi Pflichtübung wie heute, manchmal mit mehr, meistens leider mit weniger Erfolg. In einer ganzen Reihe solcher Uraufführungen war dabei auch Maria Cebotari mit von der Partie, unter anderem in Werken von D'Albert, Sutermeister, Schoeck, Einem und Martin.

Zweite Ehe - neue Heimat
Unmittelbar nach Kriegsende hat sich Maria Cebotari zusammen mit ihrem zweiten Ehemann, dem Wiener Schauspieler Gustav Diessl, nach Österreich abgesetzt. Sie hat auch gleich bei den ersten Nachkriegsfestspielen in Salzburg, 1945, mitgewirkt, ist ebenso in anderen österreichischen Orten aufgetreten, dann aber kam eine Schwangerschaft dazwischen, sodass die Staatsoper, an der sie als Gast schon seit 1936 immer wieder zu hören gewesen war, bis Anfang 47 auf sie warten musste.

Ab da aber stürzte sie sich - nun als fixes Mitglied- sofort mit all ihrer Energie in die Arbeit und hat in den ihr noch verbleibenden zwei Jahren hier nicht weniger als 178 Vorstellungen absolviert. Dazu kamen noch jede Menge Konzerte, Gastspiele, sie eilte von Erfolg zu Erfolg.

Düstere Wolken
Doch plötzlich begann sich der Himmel über ihr gefährlich zu verdüstern. Zuerst war es ihr Mann, der ihr größte Sorgen bereitete. Ein Schlaganfall hemmte nicht nur alle seine beruflichen Pläne, er lähmte auch seinen Lebenswillen. In kürzester Zeit war Maria Cebotari Witwe und ihre beiden kleinen Söhne Halbwaisen.

Schließlich machten sich auch bei ihr Anzeichen einer ernsten Erkrankung bemerkbar, doch sie war entschlossen durchzuhalten. Das Leben musste weitergehen, abgesehen davon waren die damaligen Jahre auch in finanzieller Hinsicht nicht gerade berauschende Zeiten.

Letzte Triumphe
Am 23. Dezember 1948 war sie die Turandot in der Weihnachtspremiere der Wiener Staatsoper unter Karl Böhm und mit Helge Rosvaenge als Kalaf, für 27. März 1949 war an der Volksoper eine Neuinszenierung von Millöckers "Der Bettelstudent" geplant, wobei als ihr Tenorpartner ausnahmsweise ein Gast aus dem Burgtheater vorgesehen war: Fred Liewehr, jahrzehntelang eine Ikone im österreichischen Theaterleben.

Mit übermenschlicher Kraft und ohne ihre Schmerzen zu zeigen, hat sie drei Vorstellungen gesungen, dann aber kam der Zusammenbruch. Die Diagnose der Mediziner lautete Leberkrebs und da gab es damals keinerlei Hoffnung. Zwar wurde noch eine Operation versucht, doch es war zu spät. Am 9. Juni 1949 ist Maria Cebotari gestorben - betrauert von Musikfreunden in aller Welt und buchstäblich beweint von ganz Wien.

Trauriges Nachspiel
Aber auch nach ihrem Tod waren die tragischen Ereignisse noch nicht zu Ende. Da ging es, heftig kommentiert von einschlägigen Zeitschriften, um ihre beiden Söhne und insbesondere um ihren zwar handschriftlich dokumentierten, aber nicht unterfertigen Letzten Willen.

Unzählige Adoptivangebote sind damals eingelangt, schließlich war es dann der englische Pianist Clifford Curzon, der die beiden adoptiert hat. Doch als er sich von der langjährigen Erzieherin der Kinder trennen wollte, sprang die unglückliche Frau in die Donau. Sie wurde schließlich neben dem Ehepaar Cebotari-Diessl auf dem Döblinger Friedhof begraben.

Hör-Tipp
Apropos Oper, Dienstag, 2. Februar 2010, 15:05 Uhr