Wissenschaft muss kommuniziert werden

Die Scientific Community

Wissenschaftsfortschritte sind oft nur auf Grund eines globalen Wissenstransfers möglich. Das Internet hat eine explosionsartige Verbreitung neuer Forschungsergebnisse ermöglicht. Die Wissenschaftsgemeinde arbeitete aber schon früher eng vernetzt.

Die Scientific Community, zu deutsch etwa "Wissenschaftsgemeinde", ist die Gemeinschaft aller am internationalen Wissenschaftsbetrieb teilnehmenden Wissenschaftler. Noch bis ins 18. Jahrhundert wurde diese Wissenschaftsgemeinde mit dem lateinischen Begriff "Res publica literaria" bezeichnet, was übersetzt etwa "Republik der Gelehrten" heißt.

Mit dem lateinischen Begriff wird ausgedrückt, dass die gelehrte Republik keine Standesunterschiede und keine Nationen kennt, sondern sich als Gemeinschaft aller wissenschaftlich arbeitenden Menschen versteht.

Weit über 90.000 medizinische Kongresse finden gegenwärtig jedes Jahr weltweit statt. Die Besucherzahlen reichen dabei von mehreren hundert bis zu 50.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmern. Eine rege Reisetätigkeit um den persönlichen Austausch mit Kollegen zu pflegen, ist also wesentlicher Bestandteil einer wissenschaftlichen Karriere.

Aber die Internationalität der Forschergemeinde ist durchaus kein Phänomen des 20. Jahrhunderts. Wenn auch langsamer, zu Pferd, per Kutsche und zu Schiff - mussten auch die Forscher des Spätmittelalters bereits Reisende sein, wollten Sie sich als "echte" Akademiker betrachten.

Dichtes Korrespondenznetz

Auch der Austausch von Forschungsergebnissen über Briefe war üblich. Die Möglichkeit, wissenschaftliche Erkenntnisse über Briefe per Boten und später mit der Postkutsche und per Schiff zu transportieren, war - aus heutiger Sicht - natürlich eine sehr langsame Methode der wissenschaftlichen Kommunikation. Letztlich war die Methode, sich über ein eng geknüpftes Korrespondentennetz auszutauschen, allerdings erstaunlich effizient.

Die ersten Journale

Ab dem 17. Jahrhundert schlossen sich Wissenschaftler erstmals zu wissenschaftlichen Gesellschaften zusammen. So wurde 1665 die - auch heute noch renommierte - Royal Society of London" gegründet. Kommuniziert wurde nunmehr nicht nur über Briefe, sondern auch über wissenschaftliche Journale.

1665 erschien das weltweit erste dieser Zeitschriften in Frankreich, das "Journal des Savants", übersetzt einfach mit "Das wissenschaftliche Journal". Nur drei Monate später folgte die Erstausgabe der "Philosophical Transactions" der "Royal Society of London for the Promotion of Natural Knowledge". 1682 erschien in Leipzig die erste Ausgabe der Acta Eruditorium - in Deutsch "Berichte und Taten der Gelehrten".

Latein als Lingua franca

Die Sprache dieser wissenschaftlichen Journale war Latein. Seit dem Spätmittelalter war Latein die Wissenschaftssprache schlechthin. Der Grund dafür war einfach: Alle Studenten mussten Latein lernen, damit eine gemeinsame Sprache eine länderübergreifende Kommunikation ermöglichte.

Bis zum 19. Jahrhundert blieb Latein die unangefochtene Sprache der Wissenschaft. Erst mit dem Beginn der Konstituierung von Nationalstaaten wurden die Landessprachen auch in der Wissenschaft eingeführt - ganz gegen den Willen damaliger Gelehrter - die, nicht ganz zu Unrecht, befürchteten, dass die gemeinsame Kommunikation damit deutlich erschwert werden würde.

Latein blieb daher bis weit ins 20. Jahrhundert immer die Zweitsprache der Wissenschaft. Erst dann wurde sie durch Englisch abgelöst, jene Sprache, die heute als "lingua franca" der Scientific Community gilt.

Publish or perish!

Vor etwa fünfzig Jahren wurde jener Faktor in die Wissenschaft eingeführt, der zum Ende des 20. Jahrhunderts das Publizieren weltweit zu einem intensiven Wettkampf veränderte. Der Impact Faktor soll messen, welche Wirkung ein wissenschaftlicher Artikel für die Scientific Community aufweist.

Die Idee dahinter ist: Je öfter ein Artikel zitiert wird, desto höher ist sein Impact Faktor und desto besser ist die akademische Beurteilung des Wissenschaftlers oder der Wissenschaftlerin, die diesen Artikel verfasst hat.

Wer sich also einen Namen in der Scientific Community machen will, muss publizieren – auf Englisch natürlich. "Publish or perish" heißt die Devise in der Wissenschaft der Gegenwart: Publiziere oder gehe unter. Mit der Möglichkeit der Publikation von wissenschaftlichen Erkenntnissen war von Anfang an ein gewisser Druck auf die Forscher vorhanden, sich mit Hilfe von Artikeln in Zeitschriften zu profilieren.

Wissen übersetzen

Die weltweite Vernetzung der Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen und das Internet haben es ermöglicht, wissenschaftliche Erkenntnisse immer rascher und praktisch in Echtzeit um die ganze Welt zu verbreiten.

In Zukunft wird es darum gehen, dieses Wissen zu verbreiten, auch an jene Menschen, die keine Wissenschaftler sind. Die Herausforderung ist sicherlich, diese Informationen in eine Sprache zu übersetzen, die auch Nicht-Wissenschaftler verstehen.

Hör-Tipp
Dimensionen, Mittwoch, 4. Februar 2009, 19:05 Uhr