Philosophische Spurensuche

Das Wittgenstein-Land in Niederösterreich

Ludwig Wittgenstein hat zwischen 1920 und 1926 in den Gemeinden Trattenbach und Otterthal im niederösterreichischen Feistritztal als Volksschullehrer gearbeitet. Heute erinnern dort ein Museum und ein Wanderweg an den Philosophen.

Walter Hummer über das Feistritztal

Du wirst es nicht glauben können, dass das End der Welt nur drei Stunden von Wien entfernt und noch in Niederösterreich zu finden ist. Mit dem Wagen fährt man von Gloggnitz über Schloss Wartenstein und Schlagl nach Otterthal, oder geht den gleichen Weg zu Fuß in knappen drei Stunden. Hier biegt die Straße scharf nach Westen ab, wird immer schlechter und schmäler und wir sind am End der Welt - in Trattenbach.

1918 hat Stephan Mautner die "Chronik von Trattenbach" geschrieben. Zwei Jahre später hat es den weit über die Grenzen Österreichs hinaus bekannt gewordenen Philosophen Ludwig Wittgenstein hierher, ans "Ende der Welt" in den kleinen Ort am Fuße des hohen Otters verschlagen. Der Mann, der heute als ein prägender Philosoph des 20. Jahrhunderts gilt, arbeitet von 1920 bis 1922 als Volksschullehrer in Trattenbach, danach in gleicher Funktion im nahen Otterthal und in Puchberg am Schneeberg.

Wohnen im Schachnerstüberl

Ludwig Wittgenstein mietete sich damals im Nebengebäude eines Wirtshauses in einem kleinen, spartanisch eingerichteten Zimmer ein. Das "Schachnerstüberl", 1838 errichtet und benannt nach einem früheren Besitzer des Hauses, steht heute unter Denkmalschutz und beherbergt ein kleines Wittgenstein-Museum. Das kleine, aber feine Museum reflektiert die Region und Wittgensteins Tätigkeit als Lehrer. Ausgestellt ist in dem kleinen Raum unter anderem ein später von Wittgenstein in Cambridge entworfenes Bett.

Als Lehrer war Wittgenstein im Dorf umstritten, schwächere Schüler soll er mit Ohrfeigen bestraft, begabte dagegen über den Unterricht hinaus gefördert haben. Er brachte ihnen besonders in Mathematik und Geometrie Dinge bei, die den Volksschulstoff bei weitem überschritten.

Wandern zum "Tractatus"

Ludwig Wittgenstein sollte in Trattenbach und Otterthal nicht so glücklich werden, wie er es gehofft hatte.

Er leidet unter der geistigen Einsamkeit und dem Mangel an gegenseitigem Verständnis. Den Dorfbewohnern kommt er irgendwie hochgeistig und gleichzeitig auch edel und unantastbar vor, ein Vornehmer unter den Armen, ein Gelehrter unter den Bauern, einer, der nie Mundart spricht, kaum ins Wirtshaus oder die Kirche geht, (...) sich nicht wie ein Lehrer kleidet, nicht grüßt, einer, der auf die Leute einen kuriosen Eindruck macht. (Mathias Iven, "Leben als gelebte Ethik")

1918 hat Ludwig Wittgenstein sein erstes philosophisches Hauptwerk, den "Tractatus logico-philosophicus", fertig gestellt, veröffentlicht wurde das Werk erstmals aber erst während seiner Lehrertätigkeit in Trattenbach 1921. Mit der Arbeit als Volksschullehrer in dem kleinen Bergdorf zog Wittgenstein nach der Niederschrift des "Tractatus" die Konsequenz, seine philosophische Arbeit zu beenden und sich einem asketischen, an einer praktischen Aufgabe orientierten Leben zu widmen.

Ein "Wittgenstein-Wanderweg" ruft heute philosophischen Wanderern auf Holztafeln die sieben Hauptthesen des "Tractatus" in Erinnerung. Eine Stunde Gehzeit sollte man für den philosophischen Rundwanderweg einplanen - philosophische Nachdenkpausen nicht inbegriffen.

Hör-Tipp
Ambiente, Sonntag, 8. Februar 2009, 10:06 Uhr

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Links
Internationale Ludwig Wittgenstein Gesellschaft
Österreichische Ludwig Wittgenstein Gesellschaft