Ein Kommen und Gehen der Arten

Die Geschichte der Evolution

Mit Charles Darwin hat das Leben auf der Erde eine Geschichte bekommen. Er hat ein Modell entworfen, das beschreibt, wie alles, was uns umgibt, gleichzeitig Ergebnis eines langen Entwicklungsprozesses und Ausgangspunkt für weitere Evolution ist.

Als Charles Darwin sein bahnbrechendes Werk "On the Origin of Species" 1859 veröffentlichte, gab es das Fach "Biologie" an den Universitäten noch nicht. Darwins Arbeiten waren wesentliche Wegbereiter für die Entwicklung des Wissenschaftsfeldes "Naturgeschichte".

Eine erste Skizze seiner Idee hatte er schon über 20 Jahre zuvor, 1837, in sein Tagebuch notiert: Unter der Überschrift "I think" sind da ein paar verzweigte Linien aufgezeichnet: ein Stammbaum des Lebendigen, der andeutet, dass aus einem gemeinsamen Vorfahren alle Arten die je die Erde bevölkerten hervorgegangen sind. Manche sind ausgestorben, andere haben sich unterschiedlich schnell zu immer neuen Arten weiterentwickelt. Diese berühmt gewordene Skizze beschreibt die Literaturwissenschaftlerin Julia Voss als eine von insgesamt vier Ikonen der Evolutionstheorie.

Inspiriert von Geologen und Naturforschern

Darwins Schriften selbst folgen, in gewisser Weise, den Prinzipien seiner Theorie. Er hat die Ideen anderer aufgenommen, verändert, dem System, für das er die Gesetzmäßigkeiten beschreiben wollte angepasst: Inspiriert war er von Geologen und Naturforschern ebenso, wie von den Ökonomen Adam Smith und Thomas Malthus. Umgekehrt wirkte auch seine Evolutionstheorie von Anfang an weit über die Grenzen der Naturbeschreibung hinaus.

Entstehen und Vergehen

Der Darwinismus, das kontingente, zufällige, nicht von einer höheren Macht oder einem prinzipiellen Lebensgeist gesteuerte Entstehen und Vergehen von Lebewesen im Lauf der Geschichte, hat viele Denker angeregt.

Als besonders interessant erachtet Philip Sarasin von der Universität Zürich die Interpretation des französischen Philosophen Michel Foucault. Sarasins Interpretation der seiner Darwin-Foucault-Analyse lautet:

Das ist die wirkliche Revolution des modernen Denkens, verabschieden wir den Sinn, auch für menschliche Gesellschaften - allerdings ohne zynisch zu werden, nur auf analytisch methodischer Ebene.

Diskussionen weit über die Biologie hinaus

Darwins Theorien wurden immer schon auch moralisch interpretiert. Der "Kampf ums Dasein" und das "Survival of the fittest", das "Überleben der Bestangepassten", oft salopp (und falsch) als "Überleben des Stärksten" übersetzt, wurden zu geflügelten Worten. Der Sozialdarwinismus war einer der ersten, heftig umstrittenen Versuche, den "Struggle for Existence" auf menschliche Gesellschaften zu übertragen.

Viele dieser Ideen fanden ihren Niederschlag auch in der Soziobiologie der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Eines der bekanntesten Werke dieser Epoche war Richard Dawkins Buch "Das egoistische Gen", das mit seiner zur Maxime erhobenen Selbstsuch weit über die Biologie hinaus für Diskussionen sorgte.

Diametral entgegengestellt positioniert der Psychiater Joachim Bauer sein kürzlich erschienenes Buch "Das kooperative Gen", in dem er aktuelle Ergebnisse der Evolutionsforschung zusammenfasst und mit einer anderen ideologischen Stoßrichtung interpretiert.

Potenzial der Evolutionstheorie bis heute nicht erschöpft

Dem genauen, sorgfältigen und vorsichtigen Naturbeobachter Charles Darwin selbst entsprachen plumpe und ideologiebeladene Vereinnahmungen nicht. Er vertrat ein ausgesprochen modernes Wissenschaftsverständnis: er versuchte damit zu leben, dass Unwissenheit ein Teil der Wissensproduktion ist und Erkenntnisprozesse immer mehr Fragen aufwerfen, als sie beantworten.

"Es ist ihre erstaunliche Integrationskraft, die den wissenschaftlichen Erfolg der Evolutionstheorie ausmacht", meint Philip Sarasin, "Weil sie gleichzeitig offen genug formuliert ist, ist ihr Anregungspotenzial bis heute nicht erschöpft."

Hör-Tipp
Salzburger Nachtstudio, Mittwoch, 11. Februar 2009, 21:01 Uhr

Alle Sendungen zu "Projekt Darwin" der kommenden und vergangenen 35 Tage finden sie in oe1.ORF.at

Buch-Tipps
Philipp Sarasin, "Darwin und Foucault. Genealogie und Geschichte im Zeitalter der Biologie", Suhrkamp Verlag.

Julia Voss, "Darwins Bilder. Ansichten der Evolutionstheorie 1837-1874", Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt.

Joachim Bauer, "Das kooperative Gen. Abschied vom Darwinismus", Hoffmann und Campe Verlag, Hamburg

Mary Jane West-Eberhard, "Developmental Plasticity and Evolution", Oxford University Press

Sean B. Carroll, "Evo Devo: Das neue Bild der Evolution”, Berlin University Press