Club Transmediale feierte Jubiläum

Zeitgemäßer Umgang mit neuer Musik

Der Club Transmediale feierte sein zehnjähriges Bestehen. Im Scheinwerferlicht der Jubiläumsausgabe des Berliner Festivals stand heuer die der Clublandschaft inhärente Struktur. Das Programm entstand mit einer Vielzahl an artverwandten Initiativen.

Gleich im ersten Vortrag beim heurigen Club Transmediale wurde der Sache auf den Grund gegangen. Die viel zitierte Krise der Musikindustrie ist eben genau das, eine Krise der Musikindustrie, deren Protagonistinnen und Protagonisten es allerdings sehr gut verstünden, so der Musikwissenschaftler Peter Wicke, diese wie eine Krise aller im Bereich der Musik Tätigen aussehen zu lassen. Dazu würden dann in der Regel diverse Statistiken herangezogen, die jedoch von der Musikindustrie selber in Auftrag gegeben wurden und daher nie den gesamten Musikbereich abdecken.

"Das ist ein alter Trick, der ja auch eine wichtige Rolle beim Politikmachen spielt", so Peter Wicke. "Man muss aber immer wieder einmal daran erinnern, dass das so ist, gerade auf einem Feld wie dem unseren, auf dem Feld der Musik, wo es ja im Wesentlich nicht darum geht, Zahlen zu aggregieren, um damit Wertschöpfungsketten in Gang zu setzen, sondern in erster Linie geht es um künstlerische Kreativität und um kulturelle Aktivitäten, die sich unter dem Aspekt der Wertschöpfung nun einmal nicht messen und abbilden lassen."

Sie kaufen am meisten

Das Internet hat den Musikhörerinnen und Musikhörern neue Wege des Musikkonsums eröffnet, die nun auch rege genutzt werden. Stichworte: Peer-to-Peer-Netzwerke, Tauschbörsen, File-Sharing. Es sei aber kurzschlüssig, dies als Beweis dafür anzusehen, dass die Menschheit immer krimineller werde. Auch würde, nur weil nun gratis heruntergeladen werden kann, nicht grundsätzlich auf den Kauf von Musik verzichtet, ganz im Gegenteil.

Auch hier hätte die Industrie Studien in Auftrag gegeben, so Peter Wicke: "Sie hat es dann allerdings vorgezogen, erstens solche Untersuchungen nicht weiter zu führen und zweitens hat man sich darum bemüht, dass die Ergebnisse dieser Untersuchungen nicht öffentlich werden." Die angesprochenen Untersuchungen hätten nämlich gezeigt, führt Peter Wicke weiter aus, dass die, die sich pro Woche die meisten Songs aus dem Internet herunterladen, auch jene sind, die die meisten Tonträger kaufen. "Oder anders formuliert: Je intensiver heruntergeladen wird, desto intensiver wird auch gekauft", betont Wicke. "Man kann's auch so sagen: Eigentlich sollten jene, die intensiv herunterladen, der Musikindustrie besonders lieb und teuer sein, denn dabei handelt es sich um jene, die dazu bereit sind, das meiste Geld für Musik auf Tonträgern auszugeben."

Kein Aufruf zur Kriminalität

Man solle sich nun aber nicht dazu aufgerufen fühlen, das Internet als einen rechtsfreien Raum zu betrachten. In das Schema der alten Logik ließe sich diese Veränderung aber auch nicht pressen.

"Wenn das nicht geht, dann wird man wohl die Logiken anpassen müssen und Digital Rights Management (DRM), das heißt also den Versuch, den Zugang zu Musik im Internet zu kontrollieren, muss man vor diesem Hintergrund dann doch wohl als weitgehend gescheitert ansehen", meint Wicke.

Vom Consumer zum Prosumer

Die Bereitschaft der Musikhörerinnen und Musikhörer, ihre kulturellen Aktivitäten auf den Konsum von Musik zu reduzieren, sieht Wicke im Schwinden. Anstatt die eigenen Sehnsüchte durch Stars verwirklicht zu sehen, rückt man sich nun selber ins Rampenlicht.

Insbesondere die Heranwachsenden hätten heute ein immer größeres Bedürfnis, aktiv zu partizipieren. Lange Zeit hätte das Leistungs- und Konkurrenzprinzip, von dem unsere neoliberale Gesellschaft insgesamt durchdrungen ist, auch in der Musikindustrie geherrscht. Gebündelt wurde es in der Figur des Stars.

"Und ich glaube, man sollte diesen ideologischen Aspekt keineswegs unterschätzen, denn wenn ich so etwas wie Stars akzeptiere, dann unterschreibe ich damit ein Prinzip, demzufolge es Hierarchien geben muss", erläutert Wicke. "Es ist derjenige der Beste, der sich mit seiner Leistung im Wettbewerb durchgesetzt hat. Wenn ich im Gegensatz dazu ein Modell der Vielfalt akzeptiere, dann müsste ich auch akzeptieren, dass jeder seiner eigenen Agenda folgt und dass sich die verschiedenen Agenden nicht in ein Konkurrenzverhältnis zu einander setzen lassen."

Am Puls der Zeit

Die Club-Transmediale-Macher haben die Zeichen der Zeit jedenfalls verstanden. Die Festivalausgabe zum zehnjährigen Jubiläum ist gemeinsam mit einer Vielzahl an gleich gesinnten Initiativen und Plattformen entstanden. Die Bandbreite reichte dabei von alteingesessenen Berliner Labels wie etwa Raster-Noton oder Shitkatapult bis hin zum Montrealer Festival Mutek oder der Multimediaplattform ATAK aus Tokyo.

Dazu Club-Transmediale-Macher Oliver Baurhenn: "Es wurden in den digitalen Netzwerken in den letzten zehn Jahren eine Fülle an Praktiken und Methoden entwickelt, die alle auf sehr flachen Hierarchien aufbauen und die Strukturen des Netzwerkes nutzen. Das hatte natürlich auch Einfluss auf unsere Arbeitsweise. Wir exerzieren das durch und dabei kommt es dann zu diesem Feedback."

Hör-Tipp
Zeit-Ton, Mittwoch, 11. Februar 2009, 23:03 Uhr

Links
Club Transmediale
Zero - Club Transmediale Compilation