Wiederbegegnung mit Karl Schiskes Werk

Tolerant und weitblickend

Nach 1945 war Karl Schiske der wichtigste österreichische Kompositionslehrer. Als Lehrer blieb er in Erinnerung, mit der Aufführung seiner Werke hält man sich zurück. Eine neue Zeit-Ton-CD ermöglicht die Wiederbegegnung mit der Musik von Schiske.

Aus dem zweiten Satz von Schiskes fünfter Symphonie

In den Jahren nach 1945 war er der wichtigste österreichische Kompositionslehrer. Wo er nur konnte, förderte er seine Schülerinnen und Schüler, erweiterte er deren Horizont, schickte sie mit untrüglichem Gespür zu den Ferienkursen für Neue Musik nach Darmstadt, ohne ihnen eine "Richtung" aufzuzwingen: Karl Schiske, 1969 - zu früh - 53-jährig verstorben. Viele Ehrungen wurden ihm zuteil. Als Lehrer blieb er in Erinnerung, aber mit der Aufführung seiner Werke hält man sich seit geraumer Zeit zurück. Warum das so ist, lässt sich mit objektiven Qualitätskriterien nicht begründen.

Bleibt sein vielfältiges Schaffen im Schatten, weil er sich selbst nie an die Rampe stellte? War er zu liebevoll, als Autorität zu selbstlos? Oder ist er ein Opfer seiner Generation, die im ruhigeren Zwischenfeld rasanter Entwicklungen von diesen überdeckt wird?

Ausgereiftes Synthese-Denken

Sein Lehrer Ernst Kanitz, selbst ein Opfer der Zeitumstände, sagte 1948: "Ich habe Österreich vor allem einen seiner begabtesten Komponisten herangebildet." Und so ist es notwendig geworden und willkommen, dass jetzt, 50 Jahre nach Schiskes Tod, der ORF in der Edition Zeit-Ton eine CD mit den letzten sieben Werken (op. 45 bis 51) des Komponisten veröffentlicht hat. Es sind Beispiele seines ausgereiften Synthese-Denkens.

Das darf nicht als ein Sammelsurium verschiedener Stileinflüsse missverstanden werden, sondern als eine persönlich konturierte Musik, die man schwer einordnen kann, weil das Neue darin sich nicht so ohne weiters definieren lässt. Und es ist ein Musikdenken, das die Tradition europäischer Musik, angefangen von der Gregorianik bis in die Gegenwart, als Hintergrund einschließt.

Satztechnische Sicherheit

Das ermöglichte Schiske unabhängiges Komponieren, gestützt auf satztechnische Sicherheit, formale Bändigung der Fantasie, Reduktion des eingesetzten Materials und Vertrauen in die gemessene Zeit. "Alles soll sich auf alles beziehen", sagte er, "alles soll zueinander in ein Verhältnis gebracht werden."

Dies zeigt sich wohl am deutlichsten in seinem auf der CD festgehaltenen Divertimento für zehn Instrumente op. 49, Quintessenz seiner kompositorischen Entwicklung und trotz struktureller Verzahnung so angelegt, dass der Charakter eines Divertimentos quasi emotionell durchschimmert.

Komponisten mit B

Ähnliches gilt auch für die benachbarte Symphonie Nr. 5 auf B (komprimiert auf 14 Minuten), wo in die grundlegende Zwölftonreihe Motive großer Komponisten eingebettet sind, deren Namen mit B beginnen: Bach, Beethoven, Brahms, Bruckner.

Bruckner, sein erstes symphonisches Hörerlebnis, war auch Thema seiner Dissertation: "Zur Dissonanzverwendung bei Anton Bruckner". Die Arbeit eines Komponisten und Musikers, mit analytisch gefühltem Blick in die Tiefe der Musik, nicht die nüchterne eines Wissenschaftlers.

Bespitzelt und misshandelt
Schiske hatte es im Leben zeitweise schwer. Vor Ende des Zweiten Weltkrieges wurde er als "unverlässlich" bespitzelt und schließlich sogar misshandelt. In seinem Oratorium "Vom Tode" ist das sublimiert. Im Nachkriegs-Wien profilierte sich Innovatives allenfalls im Hinterstüberl, offiziell herrschte retrospektives Beharren samt politisch mehr als bedenklicher Braunfärbung.

Kein Wunder, dass seine Professur an der Wiener Musikakademie auf Widerstand stieß. Er ließ sich dadurch von seinem Weg nicht abbringen, getragen von der Überzeugung, immer an die Grenzen der eigenen Vorstellung gehen zu müssen.

Hör-Tipp
Zeit-Ton, Montag, 16. Februar 2009, 23:03 Uhr

CD-Tipp
Karl Schiske, Werke op. 45 bis 51;erhältlich im ORF Shop

Link
mica - Karl Schiske