Holodeck architects
Das Architekturfestival Turn On gibt im März einen Überblick über die österreichische Architekturszene. Die Präsentationen werden durch Vorträge zum Thema Wohnen ergänzt. oe1.ORF.at hat die Vortragenden via E-Mail-Interview zu diesem Thema befragt.
8. April 2017, 21:58
"Architektur ist die Vernetzung von Mensch, Ort, Technologie und Philosophie" sagen die Architekten und Architektinnen des Büros HOLODECK architects. Bei Turn On sind sie mit zwei Wohnbau-Projekten vertreten: mit "22tops", am Stadtrand von Wolfsberg, sowie "urban stratification" im fünften Bezirk in Wien.
HOLODECK architects wurde 1998 von Marlies Breuss und Michael Ogertschnig gegründet.
oe1.ORF.at: Gebaute Strukturen sind stets auch Ausdruck gesellschaftlicher Wirklichkeiten - auf der Mikroebene des Wohnungsgrundrisses ebenso wie auf der Makroebene der Stadtplanung. Welche Konzepte beobachten Sie augenblicklich in diesen Bereichen, und welche Entwicklungen interessieren Sie - sowohl national als auch international - besonders?
HOLODECK architects: Beide Maßstäbe, sowohl die Wohnung als auch die Stadt, benötigen neben den klar definierten funktionalen Räumen sogenannte "Freibereiche - non sites". Das sind Orte, welche nicht eindeutig einer Funktion zuzuordnen sind, sondern sich entwickeln können, je nachdem, wer sie wofür benutzen will. Nach der Benutzung sind sie wieder neutral und offen für neue Funktionen. Sie sind wandelbar und spannend. Von den derzeit diskutierten Stadtmodellen, welche auch für Wohnungsgrundrisse anwendbar sind, wie zum Beispiel "Die durchorganisierte Stadt" oder "Chaoscity" oder "light urbanism", favorisieren wir ein Stadtmodell, das eine klare Struktur hat, mit vielen Möglichkeiten der Transformation, ohne das Strukturgefüge zu schwächen.
Welche Entwicklungen erhoffen Sie?
Wir wünschen uns eine Stadtplanung in Richtung Strukturvorgaben mit maximalen Freibereichen für Benutzereingriffe. Keine Kopien historischer Stadtmodelle, sondern das Aufgreifen zeitgemäßer Anforderungen an räumliche und menschliche Komplexitäten, verbunden mit vorhandenen Masstäben.
Kann Architektur Antworten auf soziale Herausforderungen, wie Migration und Integration geben? Können Sie je ein aus Ihrer Sicht gelungenes und misslungenes Beispiel nennen?
Architektur kann nicht losgelöst von sozialen Anforderungen gesehen werden. Der gebaute Raum zeigt die Stärken und Schwächen einer Stadt und deren Entwicklungsmöglichkeiten. Ein funktionierendes Integrationsprogramm kann mit Architektur umgesetzt werden. Dies spricht wieder für ein Stadtgefüge mit vielen frei bespielbaren Räumen, da sich soziale Herausforderungen permanent ändern und weiterentwickeln.
In den 1980er und 1990er Jahren wurden plakative "Themenstädte" - von der Stadt der Frauen bis zur autofreien Stadt - forciert. Wie beurteilen Sie rückblickend diese Versuche, ideale Wirklichkeiten unter Laborbedingungen herzustellen?
Wir kennen "Themensiedlungen", das heißt ein gewisser Bereich eines Stadtentwicklungsgebietes wird nach einem bestimmten Thema geplant. "Die autofreie Stadt" zum Beispiel ist eine wichtige Auseinandersetzung mit dem Umgang von Individualverkehr und dessen Integration in zukünftige Wohnformen. Auch das Eingehen auf Bedürfnisse von spezifischen Nutzern und Nutzerinnen sehen wir als sehr positiv. Die Erkenntnisse, welche in diesen Themensiedlungen erreicht werden, können auf einer übergeordneten Stadtentwicklungsebene Einfluss nehmen.
Die jüngste Energiekrise hat die Abhängigkeit von fossilen Energieträgern eindringlich ins Bewusstsein gerückt. Wie wichtig ist das Thema der Energieeffizienz für Sie und welche Auswirkungen hat es auf Ihre Architektur? Wie schätzen Sie das heute sehr aktuelle Thema der Nachhaltigkeit oder auch das Thema der Sanierung in der Architektur generell ein?
Das Thema Energieeffizienz ist ein wichtiges Thema für alle Bereiche des Bauens, vom Industriebau bis zum Wohnbau. Wir sehen Energieeffizienz stark verknüpft mit Nachhaltigkeit. Beide Bereiche müssen unserer Ansicht nach gemeinsam betrachtet werden und die Förderprogramme und Maßnahmen im Bauen basierend auf beiden Faktoren getroffen werden. In Kooperation mit den Bauherrn und -herrinnen versuchen wir alle unsere Gebäude im Niedrighausstandard durchzuführen. Wir legen großen Wert auf den Einklang von Kosteneffizienz, Energieeffizienz, psychologischem Wohlempfinden und Benutzungsfreiheit.
Das Thema Wohnbau ist ein brisantes und wird in Wien besonders auch von politischer Seite sehr
forciert. Wie sehen Sie das Thema Wohnbau - architektonisch, politisch, im Rahmen Ihres Werkes und
Ihrer Auseinandersetzung?
Wohnbau ist ein sehr komplexes Thema im Architekturbereich, der am direktesten mit Nutzerbedürfnissen zusammenhängt. Verschiedene Menschentypen aus diversen Kulturbereichen mit unterschiedlichen Strukturen und Entwicklungen des Zusammenlebens sowie alle Altersgruppen müssen sich in einem Wohnbau "zu Hause" fühlen. Die Einbindung in die unmittelbare Umgebung ist ein weiterer entscheidender Faktor und die Identifikation der Bewohner mit ihrem Wohngebäude. Für uns ist es bedeutsam, dem Gebäude eine Persönlichkeit zu geben, es in den Kontext zu stellen und
dem Bewohner maximale Flexibilität und Ausdehnungsmöglichkeiten zu geben.
Welche Wohnform bevorzugen Sie selbst?
Wir bevorzugen loftartige Strukturen, die wandelbar sind und dem jeweiligen Bedürfnis nach Freiraum
oder Rückzug angepasst werden können.
Bei Turn On sind Sie mit "22tops" und "stratified townscape" vertreten. Was war für Sie zentral an dieser Arbeit und wie fügt sie sich in Ihr Schaffen ein?
Die kontextuelle Auseinandersetzung mit dem Bestand und die experimentelle Weiterentwicklung von Wohntypologien sind in beiden Projekten für uns entscheidend und durch den unterschiedlichen Kontext haben wir sie sehr differenziert gelöst. "22tops" ist ein Wohnbau am grünen Stadtrand von Wolfsberg, "urban stratification" liegt in einer Blockrandbebauung des verdichteten fünften Wiener Gemeindebezirkes.
Links
Turn On
Radiokulturhaus - Turn On Architekturfestival
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