Zülfü Livaneli
Musiker, Autor, Ehrenmann
Michail Gorbatschow liebt seine Musik, Jacques Chirac zeigt sich von seinen Romanen beeindruckt, Mikis Theodorakis nennt ihn seinen lieben Freund. Griechen wie Türken kennen und singen seine Lieder. Und er selbst glaubt an die Macht der Herzen.
8. April 2017, 21:58
Zülfü Livaneli, "Yigidim Aslanim"
"Natürlich kann man etwas ändern mit Kunst, mit Kultur. Gerade in der Türkei", sagt er und erzählt, dass 80 Prozent der Menschen, die (nicht nur seine) Bücher lesen, Filme ansehen, Ausstellungen besuchen und sich überhaupt für Kultur interessieren, Frauen sind. "Und das zeigt etwas", fügt er hinzu. "Wenn es uns gelingt, den vielen Mädchen und Frauen, die von ihren Vätern, Brüder, Ehemännern, Imamen unterdrückt werden, einen Weg zu zeigen, sich aus dieser Lage zu befreien, dann haben wir viel für unser Land und für die Menschlichkeit gewonnen."
Als "linker Intellektueller" im Gefängnis
Zülfü Livaneli ist nicht nur Musiker, Schriftsteller, Filmemacher und engagierter Kämpfer für mehr, ja was? Wärme in dieser Welt, sondern auch noch Optimist. Aber das muss man wahrscheinlich sein, wenn man ein Leben wie er hinter sich hat. Ein Leben, das von abrupten Wendungen und großen Entscheidungen so voll und anstrengend war, dass man ruhig sagen könnte: Es waren mehrere Leben.
Begonnen hat es 1946 in Ilgin, in der Nähe von Konya. Die Militärs waren die ersten, die es durcheinander gebracht haben. Nach dem Militärstreich am 12. März 1971 schlossen sie erst seinen kleinen Verlag und sperrten ihn als potenziell gefährlichen linken Intellektuellen ein. Drei Monate saß er im Gefängnis, dann verließ er die Türkei und ging nach Schweden, wo er Musik studierte. Er begann zu komponieren, schrieb Lieder, Protestlieder gegen das Militärregime, aber auch gegen die Einsamkeit.
Das Album, das er aufnahm, hatte er selbst bald schon vergessen, aber in der Türkei wurde es zum heimlichen Erfolg und er zur Ikone. Man sang seine Lieder während der Demonstrationen und scherte sich nicht darum, dass sie eigentlich verboten waren.
Botschafter der UNESCO
Dann kam die Freundschaft mit Maria Farandouri und Mikis Theodorakis, die bejubelten gemeinsamen Konzerte, die international erfolgreichen Platten. Dann die Gründung des Komitees für Griechisch-Türkische Freundschaft, 1986, gemeinsam mit Mikis Theodorakis. Dann die Ehrung durch die UNESCO, als man ihn wegen seiner Bemühungen um den Frieden in der Welt zum Botschafter ernannte.
Anfang der 1990er Jahre wandte er sich wieder dem Schreiben zu. "Der Eunuch von Konstantinopel", 1996 in Istanbul erschienen, beschäftigt sich nur vordergründig mit der abgeschlossenen Gesellschaft hinter den Palastmauern des 17. Jahrhunderts, denn es geht um Liebe und um Macht, um Machtmissbrauch und Herrschaftsstrukturen, also ein durchaus aktuelles Buch. Genauso aktuell das nächste in deutscher Sprache erschienene Buch "Katze, Mann, Tod", das einen anderen Aspekt des Täter-Opfer-Verhältnisses beleuchtet: ein im Exil lebender politischer Flüchtling begegnet seinem Peiniger. Was wird er tun?
Gekannt und geliebt
"Ich schreibe Realität. Ich denke über das nach, was jeden Tag passiert." Folgerichtig handelt eines der nächsten Bücher, das 2002 erschienene "Mutluluk", zu Deutsch "Glückseligkeit", von unterdrückten Frauen, Ehrenmorden, fanatisierten Dörflern, fundamentalistischen Imamen und traumatisierten Ex-Soldaten. Es erlebte bis jetzt 44 Neuauflagen, wurde in acht Sprachen übersetzt und verfilmt. Aber es ist nur sein letztes in deutscher Sprache erschienenes Buch.
Es kann durchaus vorkommen, dass Zülfü Livaneli, wenn er irgendwo unterwegs ist, von einem wildfremden Menschen umarmt wird. Man kennt ihn, und man liebt ihn. Zu Recht!
Hör-Tipp
Terra incognita, Donnerstag, 19. Februar 2009, 11:40 Uhr
Buch-Tipps
Zülfü Livaneli, "Glückseligkeit", Klett-Cotta
Zülfü Livaneli, "Katze, Mann und Tod" Unionsverlag
Zülfü Livaneli, "Der Eunuch von Konstantinopel", Unionsverlag
Links
Zülfü Livaneli
Klett-Cotta-Blog - Gespräch mit Zülfü Livaneli
Stop! honour killings