Gegen die Kultur des Erfolgs

Versagen in Krisenzeiten

Scheitern galt bisher als eines der großen Tabuthemen in unserer Gesellschaft. In Zeiten der Wirtschaftskrise steigt die Anzahl der Betroffenen, die sich vor allem ein berufliches Scheitern eingestehen müssen. Wird Scheitern jetzt salonfähig?

Beispiel für schlechtes Scheitern

In Polen müsste man sein! Hier ist ein Versager ("nieudacznik") jemand, der zwar nichts zustande bringt, aber positiv gesehen auch jemand der sich nicht auf seinen Lorbeeren ausruht. Der "Club der polnischen Versager" (Klub Poskich Nieudaczników) in Berlin erfreut sich jedenfalls regen Zulaufs und ist längst eine der angesagtesten Locations der Stadt.

Der Club ist eine Institution des deutsch-polnischen Kulturaustauschs in Berlin, und stellt sich programmatisch, in der Ausstattung und mit seinem Namen gegen die Kultur des Erfolgs. Stattdessen stellt man das Scheitern mit seinen verschiedenen Aspekten als erstrebenswertes Ziel dar. Auf dem Programm des Clubs stehen Literatur, Ausstellungen, Filmvorführungen und Konzerte. Regelmäßig tragen "Menschen denen nichts gelingt" selbst verfasste Texte vor.

Lustig scheitern
Mit Humor lässt sich eine Niederlage allemal besser ertragen! Ob sie jetzt hausgemacht oder doch fremdverschuldet ist - siehe Wirtschaftskrise. Auf de Internetplattform YouTube finden sich bereits jede Menge launige Beiträge zu den Themen Finanz- oder Bankenkrise, wie zum Beispiel "Der erste Hit zur Finanzkrise". Natürlich liefert das lästige "K-Wort" auch hierzulande in so manchem Kabarettprogramm eine sichere Pointe.

Auch wenn einigen das Lachen wohl im Halse stecken bleibt. Denn längst hat die Krise die Anonymität verlassen und sich im Freundeskreis, oder noch schlimmer, in der eigenen Familie breit gemacht. Arbeitslosigkeit, Kurzarbeit, Firmenpleiten, Börsenverluste - Themen die plötzlich im eigenen Wohnzimmer besprochen werden müssen. Niederlagen, die direkt oder indirekt Auswuchs einer globalen Situation sind, von den Betroffenen trotzdem als persönliches Scheitern wahrgenommen werden.

Scheitern als Chance

"Die Kraft des Scheiterns", "Die Lust am Scheitern", "Lässig scheitern", "Schöner Scheitern", "Anleitungen zum Scheitern". Was sich da derzeit in den Buchhandlungen türmt, ist trotzdem praktisch nicht vorhanden. Denn während man beim Online-Buchversand Amazon zum Thema "Erfolg" über 6.000 Einträge findet, ergibt die Suche nach "Scheitern" nur schlappe 436 Treffer. Kein Wunder, dass der amerikanische Soziologe Richard Sennett das Scheitern als das "große Tabu der Moderne" bezeichnet.

Doch das könnte sich jetzt schlagartig ändern! Denn früher war man allein mit seiner Niederlage. Allein hat man vertuscht, verleugnet und verschwiegen, was die hippe Erfolgsgesellschaft so gar nicht hören wollte. Heute sind es viele, die mal dort, mal da, Rückschläge einstecken, ein Scheitern hinnehmen müssen. Die Auseinandersetzung mit dem ungeliebten Thema findet plötzlich statt. Vom Stammtisch beim Wirten ums Eck, bis zum "Club 2" ("Die Kraft des Scheiterns" im November 2008).

Aus Schaden wird man klug
Dass man außerdem bekanntlich "aus Fehlern lernt", weiters "noch kein Meister vom Himmel gefallen ist", und überhaupt "dass nur diejenigen, die es wagen in großem Stil zu scheitern, auch in großem Stil Erfolg haben können", könnten auch Argumente dafür sein, sich mit Niederlagen konstruktiv auseinander zu setzen. Und dafür, das Scheitern endlich als selbstverständliche Begleiterscheinung allen menschlichen Tuns anzuerkennen. Ein angenehmer Nebeneffekt: Der unangenehme Druck, ständig erfolgreich sein zu müssen, würde ebenso schlagartig wegfallen. Bis dahin treffen wir uns im Club! Im Club der Polnischen Versager in Berlin.

Hör-Tipp
Moment Leben Heute, Dienstag, 3. März 2009, 17:09 Uhr

Links
Club der polnischen Versager
Die Kraft des Scheiterns