Wie entsteht Schizophrenie?

Verlust der Wirklichkeit

Das Leiden der Betroffenen ist eindeutig, die Symptome der Schizophrenie aber sind vielfältig: Halluzinationen, Wahn, Körpermissempfindungen, Depressionen, Apathie. Bis heute kann keiner die Gründe der Krankheit genau benennen. Doch Hilfe ist möglich.

Sie sind nicht mehr Herr über ihre eigenen Gedanken: Gedanken kommen ihnen als Eingebungen, als Befehle von außen; manch einer hört Stimmen, ein anderer erlebt Teile seines Körpers nicht mehr als zu ihm gehörig.

Ein schizophrener Mensch nimmt die Wirklichkeit auf bizarre Weise wahr. Er vermutet im eigenen Zahn einen Sender, über den er Botschaften empfängt; er verdächtigt den Zahnarzt, ihm diesen Sender implantiert zu haben. Oder er glaubt, unter der Tapete wären elektrische Drähte versteckt, die seine eigenartigen Körperempfindungen herbeiführen.

Verrückter Mensch, verrückte Welt

Der Schizophrene hält nicht sich, sondern die Welt für verrückt. Der Bezug zur Wirklichkeit reißt: Ein Gefühl, als liefen tausend Ameisen über den Arm, wird so erlebt, dass sie tatsächlich dort laufen, auch wenn sie ein anderer nicht sieht. Nur im Anfangsstadium der Krankheit kann er noch einen Unterschied zwischen seinen eigentümlichen Wahrnehmungen und seiner Wahrnehmung in anderen Momenten bemerken. Aber dann verschweigt er oft seine außergewöhnlichen Wahrnehmungen und zieht sich in sich selbst zurück.

Im alten Griechisch heißt Schizo "ich spalte" und "phren" "Zwerchfell", Seele oder Geist. Schizophren könnte man also übersetzen als "gespaltener Geist". Daran mag der Psychiater Eugen Bleuler gedacht haben, als er 1908 den Namen Schizophrenie für Erkrankungen vorschlug, die sein Kollege Emil Kraepelin vorher "Dementia praecox", vorzeitige Demenz, genannt hatte. Kraepelin hatte Patienten beschrieben, deren Krankheit chronisch geworden war und die nur noch stumpf und antriebslos vor sich hinstarrten.

Gene und andere Gründe

Die Wahrscheinlichkeit, einmal im Leben an Schizophrenie zu erkranken, meist in jüngeren Jahren, liegt zwischen einem halben und einem Prozent. Dieser Wert scheint weltweit einheitlich zu sein. Das spricht für einen starken genetischen Faktor. Ist von zwei eineiigen Zwillingen einer krank, hat der andere eine Wahrscheinlichkeit von nahezu 50 Prozent, auch zu erkranken.

Aber bei 60 Prozent der Kranken findet sich kein anderer Kranker in der Verwandtschaft. Ein Schizophrenie-Gen hat noch niemand gefunden. Und vielleicht wird man es nie finden. Wahrscheinlich führt ein kompliziertes Wechselspiel zwischen einer grundlegenden Verletzbarkeit und auslösenden Faktoren wie körperlichen Krankheiten oder psychischen Belastungen zum Ausbruch von Schizophrenien.

Früher glaubten manche Forscher, die Art der Kommunikation in Familien könnte Menschen in die Schizophrenie treiben. Nach vielen empirischen Untersuchungen gilt diese Ansicht als widerlegt.

Unberechenbarer Verlauf

Die Schizophrenie ist unberechenbar. Sie stürzt über einen herein wie ein Wasserfall, oder sie sickert ein wie der Schaden, den ein kleines Leck am Wasserrohr verursacht. Sie kommt einmal und geht wieder, kommt episodisch wieder oder wird chronisch. Über 25 Jahre nach der ersten Erkrankung sind ein Viertel der Patienten geheilt, der Hälfte geht es mehr oder weniger besser, ein Viertel leidet schwer. Viele kippen aus dem Leben. Zehn Prozent der schwer Kranken bringen sich um.

Hilfen: Medikamente und Psychotherapie

Schizophrenien gehen mit einer Funktionsstörung bestimmter Nervenbotenstoffe einher, vor allem Dopamin und Glutamat. Warum das so ist, kann noch niemand erklären. Aber man kann mit Medikamenten so in diese Abläufe eingreifen, dass sich die Symptome beruhigen.

Entsprechende Medikamente gelten in der Behandlung als Mittel der Wahl. Zunehmend jedoch setzen Ärzte und Psychologen mit Erfolg auch Psychotherapie ein: Klärende Gespräche, vor allem im Frühstadium der Erkrankung, eine kognitive Auseinandersetzung mit dem Wahn und körperbezogene und künstlerische Therapien, wenn die Krankheit chronisch geworden ist.

Unterstützen die Angehörigen einen Kranken, senkt dies die Rückfallrate sehr. Denn mehr als jede Therapie entscheidet das Lebensumfeld, wie es dem Schizophrenen geht. Findet ein Patient hier Halt, kann er ein gutes Leben führen, selbst wenn seine Symptome gelegentlich wiederkommen.