Richard Wagner - ein Strauß-Fan

Strauß, Straus und Strauss

Als die Operette Hochkonjunktur hatte, sprach man in London von Gilbert & Sullivan, in Paris von Offenbach und in Wien von Johann Strauß. Das Kapitel Wien und Strauß bedarf einiger Ergänzungen. Das beginnt schon mit der Schreibweise des Namens.

Je nachdem, ob man Strauß, Straus oder Strauss schreibt, geht es um das Neujahrskonzert, um Operetten- und Filmmusik oder um Opern und symphonische Dichtungen. Womit wir bei der Erweiterung der Genres sind. Zunächst einmal muss man die Tanzmusik einbeziehen, in der es ja um eine ganze Strauß-Dynastie geht.

Als Vater Strauß, also Johann der Erste, sich als Tanzgeiger und Kapellmeister bereits einen Namen gemacht hatte, kam gerade Richard Wagner erstmals nach Wien und nannte diesen jungen, dynamischen Musiker einen "zauberischen Vorgeiger, einen Dämon des wienerischen musikalischen Volksgeistes, der beim ersten Einsatz zu einem neuen Walzer erzitterte, wie eine Pythia auf dem Dreifuß."

Ein Wiener aus München

Dann kommt das Kapitel Oper hinzu, denn wir hatten hierzulande immerhin einen Operndirektor namens Strauss, einen - fast kann man sagen - Wahlwiener aus Bayern, in dessen Oeuvre und in dessen Dirigentenkarriere nicht nur Wien eine große Rolle gespielt hat, sondern auch der Wiener Walzer. Sein bekanntester, der Rosenkavalier-Walzer, hat - was den thematischen Ursprung betrifft - einen Ahnen, der ihn mit der Walzerdynastie verbindet, den "Dynamidenwalzer" von Josef Strauß.

Doch Richard Strauss hat niemals Skrupel gehabt, sich thematischer oder melodischer Anregungen anderer zu bedienen. Bis zum Spätwerk "Arabella", dessen bekannteste Melodien auf eine Sammlung von "Südslawischen Volksweisen" zurückgehen.

Mahler, Strauss und Denza

Schon vor der Jahrhundertwende kannte kaum jemand den Namen Luigi Denza. Auch dessen Lied zur Eröffnung der ersten Seilbahn auf den Vesuv, "Funiculi-Funicula" (1880), war - zumindest im deutschen Raum - weitgehend unbekannt. So unbekannt, dass Gustav Mahler, wie er im Freundkreis erzählte, Richard Strauss allein schon dieses Einfalls wegen für ein Genie gehalten hat.

Strauss hat die Melodie nämlich im letzten Satz seiner symphonischen Fantasie "Aus Italien" benützt, um das neapolitanische Volksleben durch ein - wie er meinte - originales Volkslied möglichst natürlich zu schildern. Selbstverständlich ohne zu ahnen, dass sie urheberrechtlich geschützt war. Eine in der seriösen Strauss-Literatur weitgehend verschwiegene Tatsache.

In der Urheberrechtsliteratur wird sein Fehler damit erklärt, dass Zitieren zwar erlaubt ist, Strauss aber Variationen des Liedthemas in diesem Finale inkludiert hat. Wie die Wikipedia berichtet, musste Strauss aber dafür büssen, denn Luigi Denza verklagte ihn, gewann und Strauss musste für jede Aufführung von "Aus Italien" an Denza zahlen. Doch wer glaubt noch der Wikipedia seit dem falschen, elften Vornamen des neuen deutschen Wirtschaftsministers?

Die Nibelungen am Gürtel

Der wichtigste Straus der silbernen Operette hieß Oscar, war mit der Walzerdynastie nicht verwandt, ist aber ebenfalls Wiener gewesen und hat mit der Operette "Ein Walzertraum" seinen größten Erfolg nach dem Erstling "Die lustigen Nibelungen" feiern können, die Volksoperndirektor Robert Meyer kürzlich ausgegraben und inszeniert hat.

Erstaunlicherweise war das - trotz des Uraufführungsjahres 1904 - die Erstaufführung im Haus am Gürtel. Natürlich ist seither der Walzertraum-Hit "Leise, ganz leise, klingt's durch den Raum" schon in allen Weltsprachen erklungen, dennoch hat Oscar Straus mit seinen allergrößten Erfolgen in einem anderen Genre punkten können: im Kino.

Straus in Hollywood

Im hohen Alter hat er für die legendäre Schnitzler-Verfilmung von Max Ophüls den "Reigen-Walzer" geschrieben, bei dem er Anleihen an Hector Berlin genommen hat, aber schon viele Jahrzehnte davor, 1908, hatte seine Bernard-Shaw-Operette "Der tapfere Soldat" Premiere in Wien. Ein solider Erfolg, der nach seiner textlichen Metamorphose in einenglischsprachiges Libretto zum Welterfolg wurde.

Schließlich landete er auch in Hollywood. Doch dafür gab George Bernard Shaw, der nach der bisherigen Aufführungsgeschichte seinen Anteil nicht gebührend honoriert sah, nicht seine Einwilligung. Doch in Geschäftstüchtigkeit sind die Hollywood-Tycoons nicht zu übertreffen. Nach dem Vertrag mit Oscar Straus kaufte MGM ganz einfach die Rechte von Molnars Theaterstück "Der Leibgardist" und dazu wurde - nach entsprechenden Textadaptionen - die Musik von Straus' "Chocolate Soldier" gespielt, wie der "tapfere Soldat" auf Englisch genannt wurde. Hierzulande kennt man allerdings die Komödie "Arms and the Man" von Shaw eher unter dem Bühnen- und Filmtitel "Helden".

Das Ende der Dynastie

Ein eigenartiges Nachspiel hatte die Erfolgsgeschichte der Strauß-Dynastie, der drei Brüder der zweiten Generation. Josef starb schon 1870, erst 43 Jahre alt, Johann knapp vor der Jahrhundertwende, im Jahr 1899 (seine "Fledermaus" durfte er - zuletzt schon kränklich, sogar noch auf der Bühne der Wiener Hofoper erleben). Letzerer hat seinem jüngsten Bruder, Eduard, das ganze Tanzmusikerbe hinterlassen - in physischer Hinsicht - ein riesiges Notenkonvolut für die verschiedensten Orchesterbesetzungen.

Das hat Eduard Strauß, auch noch Jahre nach Johanns Tod, bis zur Neige ausgekostet - einschließlich eines erfolgreichen Amerikagastspiels, viel größer dimensioniert, was Reiseroute und Dauer betrifft, als das Johanns im Jahrhundert davor.

Notenarchiv der Familie Strauß verbrannt

Aber dann, nach diesem geschäftlich befriedigenden Abschluss, als er endgültig Bilanz ziehen wollte, um sich zur Ruhe zu setzen, entschied er sich plötzlich zu einem Gewaltakt. Er verbrannte das gesamte Notenarchiv der Familie Strauß.

Und so wurde zunächst vieles verhindert: Dass sich ein unberechtigter Nachfolger bereichert ebenso wie ein musikhistorischer Einblick in die Arbeitsweise der Strauß-Brüder. Nicht jedoch die gewaltige mediale Ausbeutung der musikalischen Substanz des Strauß'schen Oeuvres - von deren Dimension sich Eduard wohl nichts hätte träumen lassen.

Hör-Tipps
Musikgalerie, Montag, 16. März 2009, 10:05 Uhr

Apropos Oper, Donnerstag, 19. März 2009, 15:06 Uhr