Besinnung auf Keynes

Die neue Weltwirtschaftskrise

Wirtschaftnobelpreisträger Paul Krugman widmet sich in seinem aktuellen Buch - kaum verwunderlich - der derzeitigen Weltwirtschaftskrise. Er plädiert für Staatseingriffe in Form von Konjunkturpaketen, um die Krise zu bewältigen.

Dass Paul Krugman im Herbst 2008 den Wirtschaftsnobelpreis verliehen bekam, war ein todsicheres Zeichen dafür, dass es so richtig kriselte und bröckelte, auch wenn wir sie, die Krise, erst sehr langsam zu spüren beginnen.

Krugman argumentiert keynesianisch, plädiert also für Staatseingriffe - besonders in Krisenzeiten. Und bis vor kurzem durfte man nicht einmal "keyn" sagen, ohne schief angeschaut zu werden. Heute ist das anders. Heute sagen selbst die Marktgläubigen von gestern: "Wir sind jetzt alle Keynesianer". Das kommt Ihnen bekannt vor? Ganz genau - wir stecken in einer ausgewachsenen Weltwirtschaftskrise.

Japans Tragödie und Omen

Um die heutige Wirtschaftskrise verständlich zu machen, blickt Paul Krugman in seinem Buch zurück auf die Krisen in Lateinamerika und auf die in Japan.

Was mit Japan passierte, ist Tragödie und Omen zugleich. Die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt hat ja ihre vielen gut ausgebildeten und leistungsfähigen Arbeitskräfte nicht von heute auf morgen verloren, besitzt nach wie vor einen modernen Kapitalstock und verfügt noch immer über ein beeindruckendes technologisches Know-how. Das Land hat eine stabile Regierung, die keine Probleme mit der Steuermoral ihrer Staatsbürger hat. Dennoch ging es mit Japan in den 1990er Jahren überwiegend bergab.

Und das, wo es doch in den 1980er Jahren so gut gelaufen war: hohes Wachstum, geringe Arbeitslosigkeit und fette Gewinne. Anfang der 1990er Jahre beträgt der Gesamtwert aller japanischen Aktien mehr als der Gesamtwert aller US-amerikanischen Aktien. Und besonders hoch waren die Grundstückspreise.

Viele Beobachter attestierten diesem Finanzboom auch damals bereits manische und irrationale Züge. Früher oder später platzen solche Blasen immer. Im Falle Japans geschah dies freilich nicht ganz unerwartet. Die japanische Nationalbank sorgte sich bereits 1990 über spekulative Exzesse und begann daher die Zinsen anzuheben – in der Hoffnung, so etwas Luft aus dem Ballon abzulassen.

Ab 1991 begannen die Grundstückspreise zu fallen und sie verloren bis zu 60 Prozent ihres Werts – beim Höchststand. Aber aus der Krise entstand keine gesunde Neuordnung der Wirtschaft, sondern eine Lähmung, die, wie eine Krankheit, nicht und nicht weichen will. Heute wird diese Zeit als das verlorene Jahrzehnt Japans bezeichnet.

Keynes' "Anlasser-Problem"

Paul Krugman beschreibt auch den Hergang der so genannten Asienkrise und kommt dann auf John Maynard Keynes zu sprechen. Dazu holt er aus:

Im Dezember 1930, als allmählich klar wurde, dass die Vereinigten Staaten sich nicht in einer normalen Rezession befanden, versuchte John Maynard Keynes, die Ursachen der Krise der breiten Öffentlichkeit begreiflich zu machen. "Wir haben Probleme mit dem Anlasser", erklärte er.

Das war eine recht radikale Feststellung, da Keynes damit behauptete, dass der Wirtschaftsmotor auf staatliche Starthilfe angewiesen ist.

In einem tieferen Sinn jedoch erwies sich Keynes damit durchaus als Konservativer: Seine Feststellung bedeutete nämlich, dass der Motor an sich sehr wohl funktionsfähig und der Schaden durch einen technischen Handgriff behebbar sei.

Damals sei es richtig gewesen Staatseingriffe durchzuführen und die Nachfrage zu fördern, indem man Maßnahmen zur Senkung der Arbeitslosigkeit setzte, schreibt Paul Krugman.

Ein langlebiges geistiges Produkt

Was die Welt jetzt braucht, ist eine Rettungsaktion.

So Paul Krugman im letzten Kapitel seines Buchs über die neue Weltwirtschaftskrise mit dem hübschen Titel "Keynes kehrt zurück". Er plädiert also für eine zumindest kurzzeitige Verstaatlichung der Banken und großzügige Konjunkturpakete.

Paul Krugman hat dieses Buch schon 1999 geschrieben. Und nun hat er es um drei Kapitel erweitert. Wenn Sie gut investieren wollen, dann kaufen sie es. Im Gegensatz zu ausgefeilten Finanzprodukten ist dieses geistige Produkt langlebig und selbst wenn sie sich an der einen oder anderen Ansicht des Autors stoßen, könnte sich daraus zumindest ein Denkanstoß entwickeln. Sollten Sie in ein paar Jahren am Erkenntniswert und der Relevanz des Buchs zweifeln, in 20, 30 oder vielleicht auch 40 Jahren ist es wieder hoch im Kurs stehen. Die nächste Krise kommt bestimmt.

Hör-Tipp
Kontext, jeden Freitag, 9:05 Uhr

Buch-Tipp
Paul Krugman, "Die neue Weltwirtschaftskrise", aus dem Englischen übersetzt von Herbert Allgeier & Freidrich Griese, Campus Verlag

Link
Campus Verlag - Die neue Weltwirtschaftskrise