Leiharbeiter werden als erste gegangen
Die Wegwerfarbeiter
Zeitarbeiter, auch Leiharbeiter genannt, waren die ersten, die den Abschwung zu spüren bekamen. In Österreich sind derzeit rund 35.000 Zeitarbeiter ohne Job. Inzwischen fordern Gewerkschaft und Sozialminister sogar eine eigene Stiftung für sie.
8. April 2017, 21:58
Sie waren die ersten, die den Abschwung zu spüren bekamen. Während die Schlagzeilen im vergangenen Sommer noch nur von finanziellen Turbulenzen in den USA sprachen, verloren in Österreich die ersten Zeitarbeiter, auch Leiharbeiter genannt, ihren Job. Inzwischen haben sie es sogar in die Schlagzeilen geschafft. Gewerkschafter und Sozialminister fordern eine Stiftung für arbeitslose Zeitarbeiter. 2.000 Betroffene sollten vor dem Stempelngehen bewahrt werden.
Die Wirtschaft weigerte sich zuerst, wie gefordert, die Hälfte der dafür vorgesehenen acht Millionen Euro aufzubringen. Die wirtschaftliche Lage lasse keinen Spielraum, hieß es. Jetzt kommt ein Kompromiss: Fünf Millionen Euro sollen 1.000 arbeitslose Leiharbeiter auffangen. Derzeit sind rund 35.000 Zeitarbeiter ohne Job.
Für die Buchhaltung: Sachgegenstände
"Wir sind nicht in der Personalverrechnung drinnen, sondern - das hat uns einmal der Betriebsrat verraten - wir werden als Sachgegenstände geführt. Also quasi wie Möbel. Das ist schon auch ein bisschen, wie man sich vorkommt, auf die Dauer."
Johannes ist 31 Jahre alt und seit vier Jahren Zeitarbeiter. Seinen vollen Namen möchte er nicht nennen. Die endgültige Kündigung sei zwar nur eine Frage der Zeit, aber beschleunigen will er den Prozess nicht: "Die letzten sechs oder sieben Monate war das ein ständiges Verlängern zwischen Leihfirma und Projekt. Das hat immer wieder dazu geführt, dass die Leihfirma mich kündigt, und ich dann in der Kündigunsfrist gearbeitet habe, dann wieder eine Verlängerung bekommen habe, die Leihfirma die Kündigung wieder zurückgenommen und gleich wieder die neue ausgesprochen hat. Das ist ein schreckliches Hin und Her, bei dem man gar nichts mehr planen kann. Es ist schwierig, mit Freunden etwas auszumachen. Urlaub ist sowieso unmöglich, die Lebensplanung geht ganz schön drauf dabei."
Gleicher Job, andere Konditionen
Johannes ist Softwareentwickler, ausgeliehen an einen großen Konzern. Die Arbeit, die er in seinen Teams verrichtet, seine Aufgaben und seine Verantwortung, unterscheiden sich nicht von denen der Stammbelegschaft. Unterschiede gibt es dafür bei der Bezahlung: Nicht nur ist sein Grundgehalt niedriger, auch die Erfolgsprämie fällt bei den Zeitarbeitern magerer aus.
Vor allem: Sein Job ist noch unsicherer, als die Arbeitsplätze der Stammmitarbeiter: "Ich finde es eigentlich auch schlimm für die anderen Kollegen. Sie bekommen mit, wie es den Leiharbeitskräften geht, was die auch mit sich machen lassen müssen. Insofern ist das schon auch etwas, das ganz schön zur Disziplinierung der Stammbelegschaft führt. Oder vielleicht ist das auch einkalkuliert. So ein bisschen ein Bedrohungsszenario für die Stammbelegschaft."
Da war schon alles klar...
"Leiharbeit ist moderner Menschenhandel", sagt auch Kathis Schmidt. Sie ist 26 Jahre alt und hat ihren Job im vergangenen November verloren. Sie war als Zeitarbeiterin an den Chiphersteller Infineon vermietet. In Villach hat sie in der Produktion am Fließband gearbeitet. "Es hat eigentlich schon ein Jahr vorher angefangen. Es sind immer wieder Leute gegangen und man rechnet eigentlich immer damit. Das Arbeitsklima war dementsprechend. Jeder ist irgendwie grantig und aggressiv geworden, weil jeder irgendwie gewusst hat, was los ist. Aber wenn es einen trifft, ist man trotzdem noch ein bisschen wie vor den Kopf gestoßen."
Vorwarnung gab es nicht. Um 14:00 Uhr an einem Nachmittag im November 2008 begann ihre Schicht, um 14:30 wurde Kathi Schmidt zum Chef gerufen, "da war dann schon alles klar." Man benötige sie nicht mehr, danke sehr, gehen sie zurück zur Leihfirma. Dort bekam sie, statt einer neuen Stelle, die Kündigung.
Immer mehr Zeitarbeiter
Leiharbeit wird zunehmen, da sind sich Gewerkschafter und Belegschaftsvertreter einig. Sobald das Wirtschaftswachstum wieder anspringt, wird es weniger Stammpersonal, und immer mehr Zeitarbeiter geben.
Eine grundsätzlich schlechte Sache? Softwareentwickler Johannes: "Wenn es wirklich so wäre, dass sowohl die Firma als auch die Arbeiter gleichviel mitzureden hätten, wie, wo, und wie lange sie eingesetzt werden, könnte es schon ein interessantes Modell sein. Es schaut aber in der Praxis so aus, dass man einfach nur hin- und hergeschoben wird."
Hör-Tipp
Moment - Leben heute, Dienstag, 14. April 2009, 17:09 Uhr