Die USA und ihre Arbeiterbewegung

Lieder zum Tag der Arbeit

Wir verdanken den 1. Mai als - wie es früher hieß -"Kampftag der Arbeiterklasse" den Vereinigten Staaten von Amerika. Das spiegelt sich auch im US-amerikanischen Liedgut wider. Wie erkämpft man die Voraussetzungen für ein "menschenwürdiges Dasein"?

Joan Baez, "Joe Hill"

Der 1. Mai 1886 war für amerikanische Gewerkschafter ein großer Tag. Die Vorgeschichte: Weil Arbeiter in einer Fabrik in Chicago für kürzere Arbeitszeiten und bessere Löhne demonstrieren und schlussendlich mit Streik gedroht hatten, wurden sie von der Fabriksleitung ausgesperrt. Das Management war sich sicher, die 1.000 nunmehr freien Arbeitsplätze mit arbeitsuchenden Einwanderern besetzt zu können.

Aber es kam anders: Es meldeten sich nur 300. Das war ein großer Erfolg der Gewerkschaften - Solidarität war also möglich.

Todesurteile

Der Streik wurde fortgesetzt. Der Konflikt eskalierte, als die Polizei eine Versammlung der Arbeiter auflöste, sechs Arbeiter wurden getötet, bei einer weiteren Demonstration wurde eine Bombe gezündet, zwölf Menschen starben, darunter auch einige Polizisten. Die Organisatoren der Demonstration, sieben Anarchisten, wurden von einem Gericht zum Tode verurteilt.

Wir haben also: den 1. Mai als Beginn eines von den Gewerkschaften organisierten Streiks, um eine Reduzierung der täglichen Arbeitszeit von 12 auf 8 Stunden durchzusetzen, wir haben erfolgreichen Widerstand gegen Aussperrungen, wir haben Märtyrer der Bewegung, und wir haben Forderungen, die auch anderswo vertreten werden.

Massenstreiks

Die Chicagoer "Haymarket Riot" oder "Haymarket Affair" erregte deshalb auch bei den europäischen Gewerkschaftern großes Aufsehen. Drei Jahre später, auf dem Gründungskongress der sogenannten "Zweiten Internationale", also der internationalen Plattform der Arbeiterorganisationen, wurde der 1. Mai von Delegierten aus 20 Staaten zum "Kampftag der Arbeiterbewegung" erklärt und fürderhin - wenn immer möglich - mit Massenstreiks oder Massendemonstrationen begangen.

Hymne der Arbeiterbewegung

Das ist der historische Hintergrund für ein Lied, einem "Folk Song", das als die Hymne der nordamerikanischen Arbeiterbewegung gilt: "Joe Hill".

"Joe Hill" ist Joseph Hillström, ein 1902 aus Schweden eingewanderter Wanderarbeiter, also ein "Hobo". Hillström war auch Sänger und Liedermacher und Gewerkschaftsführer. Er organisierte erfolgreich Streiks - für kürzere Arbeitszeiten, besseren Lohn und besseres Essen.

Unter dubiosen Umständen des Mordes angeklagt, wird er 36-jährig in Utah hingerichtet. Seine letzten Worte sollen gewesen sein: "Trauert nicht - organisiert euch!

And standing there as big as life
and smiling with his eyes.
Says Joe "What they can never kill
went on to organize,
went on to organize...
(Joan Baez in Woodstock, 1969)

Fragmentierte Arbeiterbewegung

Verglichen mit der europäischen Arbeiterbewegung ist die nordamerikanische dezentralisiert, fragmentiert und segmentiert. Als politische Partei (wie in Europa zum Beispiel in Form der sozialdemokratischen Parteien) ist sie nicht präsent - das hat historisch-strukturelle Gründe.

In den USA gab es nicht die aus dem Feudalismus kommende ständisch-geprägte Gesellschaft, und die Arbeiter hatten Bürgerrechte und seit 1830 auch das Wahlrecht - um das man in Europa lange kämpfen musste.

Mythos von der offenen Gesellschaft

Starke Wirkung bis heute hat der "amerikanische Traum", der Mythos von der "Frontier", der offenen Gesellschaft (in der es jeder vom Tellerwäscher zu Millionär bringen könnte).

Das war der Mythos, und man könnte sagen: die Ausnahmen bestätigen die Regel. Und die Regel ist: Die Gesellschaft in den USA war und ist rassisch, ethnisch und religiös stark segmentiert. Und dazu kommt die regionale Segmentiertheit - die USA, von uns transatlantisch als "ein Land" wahrgenommen, gibt es in dieser Einheitlichkeit gar nicht.

Ursachenforschung

Was sind die Ursachen der Wirtschaftskrise, in der wir uns befinden und die laut Internationalem Währungsfond, die die schwerste seit dem 2. Weltkrieg werden könnte? Die Meinungen darüber gehen auseinander. Man könne das Wirtschaftsystem nicht nach moralischen Normen des Alltagslebens ordnen, meinte unlängst der deutsche Soziologe Gerhard Schulze.

Dem hält der Wirtschaftsforscher Stephan Schulmeister entgegen, dass gewissen Entwicklungen durch Haltungen legitimiert werden: Der Vorrang des individuellen Eigennutzes zum Beispiel vor dem sozialen Zusammenhalt oder der Vorrang des Markts vor der Politik.

"Workingman's blues" von Bob Dylan

Nach den Theorien von Marx und Engels hätte der Sozialismus zuerst in den am meisten entwickelten Industrieländern (also Deutschland, England oder den USA) Wirklichkeit werden sollen. Daraus ist - wie wir wissen - nichts geworden.

Was hätte daraus alles werden können? Sentimental und sinnierend finden wir Bob Dylan vor - "Modern Times", "moderne Zeiten", hat er 2006 ein Album genannt, dessen Kernstück ein "Workingman's blues" ist.

Patti Smiths Traum
Die Rock- und Punksängerin Patti Smith, die als Jugendliche Fabrikarbeiterin war, beschreibt einen Traum im Traum, einen heilen Traum: eine klare, helle Landschaft, mit reiner Luft, eine Umgebung, die einem alle Sinne wiederbelebt - eine gesellschaftliche Idylle.

Und sie erwacht zum Ausruf: "that the people have the power", dass es also in der Macht der Menschen steht: ein friedliches Miteinander in einer besseren Welt zu verwirklichen:

The power to dream / to rule
to wrestle the world from fools
it's decreed the people rule
it's decreed the people rule
Listen
I believe everything we dream
can come to pass through our union
we can turn the world around
we can turn the earth's revolution
we have the power
People have the power...
(Patti Smith: "People have the power")

Hör-Tipp
Spielräume, Freitag, 1. Mai 2009, 17:30 Uhr