Was vorher geschah

Die Anfänge von Kirk & Co.

Nach einigen kommerziellen Abstürzen kommt nun ein neuer "Star Trek"-Kinofilm in die Kinos. Er erzählt von den Anfängen der Enterprise und ihrer Crew. Regie führte J. J. Abrams, der vor allem durch die TV-Serie "Lost" bekannt wurde.

Die letzte Erzählkino-Revolution liegt gute 30 Jahre zurück. 1977 lässt sich der vollbärtige Brillenträger und Filmstudent George Lucas von den Kino-Serials des klassischen Hollywood inspirieren und dreht "Star Wars". Ein Pop-Monument, mittlerweile tausendfach zerlegt und analysiert: Heldenmythos und Schundroman geben sich die Hand; die Hollywood-Studios werfen zum ersten Mal die moderne Merchandising-Maschine an. Blockbuster nennt man diese perfekte Verschränkung von Wirtschaftlichkeit und Unterhaltungskultur, die das Kino nachhaltig verändert hat, die einem Kredo folgt: more of the same, mehr vom selben.

Jetzt, 2009, steht die nächste Zäsur an: Verantwortlich dafür zeichnet Regisseur J. J. Abrams, dessen radikale, aber zärtliche Neukonzeption von "Star Trek" durch die heimischen Kinos saust. Die Abenteuer von Captain Kirk und seiner Crew gehören zum Humus der Popkultur, haben Generationen von Filmemachern beeinflusst, sind zum Allgemeingut geworden: Abrams zieht jetzt die Notbremse und unterzieht das Raumschiff Enterprise einer Frischzellenkur. Sein "Star Trek" ist das bisher beste und klarste Beispiel für den Blockbuster der Version 2.0. Ein Kino mit veränderten Referenzkoordinaten, inszeniert von einer neuen Generation, von den Kindern von George Lucas und Steven Spielberg.

Die unendlichen Weiten eines Phänomens

Nach drei Staffeln ist Schluss: zu wenige Zuseher, zu geringe Reichweiten. Eine Management-Entscheidung bringt das Raumschiff "Enterprise" auf den Boden der Tatsachen zurück: 1969 setzen die Oberen des US-Fernsehsenders NBC Gene Roddenberrys "Star Trek" ab. Das Phänomen aber ist nicht mehr aufzuhalten. Die Figuren, Schauplätze, Outfits und Dialoge werden von den Fans analysiert, nachgebaut, verehrt.

In den 1970ern entstehen die ersten Conventions: Massenversammlungen mit Tauschbörsen, Zeremonien für ein fiktives Universum. "Star Trek" wird zu einer Pop-Religion.

Großer Erfolg sorgt für maximale Erstarrung: das Star Trek-Universum ist gegossen in Plastik, ist millionenschwer. Fünf Fernsehserien und zehn Kinofilme zehren von der Roddenberry-Mythologie. Es gibt neue Figuren, neue Raumschiffe, neue Rassen, aber wenig Innovation. Die Macher beten zu ihren Fans. Alle anderen vergnügen sich mit Parodien: In einer Folge der Zeichentrickserie "Futurama" überleben die Köpfe der originalen "Star Trek"-Besatzung eingelegt in Gurkengläser und werden von einem verrückten Fan drangsaliert.

Verneigung vor dem Mythos

J.J. Abrams ist Atheist, wenn es um "Star Trek" geht. Und doch ist er engagiert worden, 40 Jahre nach dem Start der Originalserie einen neuen Kinofilm zu inszenieren. Das Ergebnis verneigt sich vor dem Mythos und baut ihn dann um: Abrams "Star Trek" ist unorthodox, führt die Serie vor ihre Anfänge zurück. James Kirk ist bei ihm weder Captain noch Admiral, sondern stolpert als jugendlicher Hitzkopf eher zufällig, in Lederjacke und mit Platzwunden im Gesicht, auf die "Enterprise". Zuvor hat er sich in einer Bar um ein Mädchen geprügelt und ist mit seinem Motorrad auf einen Abhang zugerast. Ein wenig wie James Dean. Ein Rebel without a cause.

J.J. Abrams verschafft seinem Film Freiheiten, indem er die Geschichte vor dem Ur-"Star Trek" ansetzt. Die Regeln, die sich ab diesem Zeitpunkt ausgeformt haben, muss er also nicht befolgen. Und die Serie blüht wieder auf: Sind die meisten Kinoabenteuer der "Enterprise" und ihrer Nachfolge-Schiffe vorwiegend von Fans verdaut worden, setzt Abrams auf Breitenwirksamkeit. Für sein "Star Trek" braucht der Zuseher kein Vorwissen: Die Figuren, ihre Charaktereigenschaften formen sich gerade erst aus und definieren sich über ein anderes, ein "Star Trek"-fremdes Referenzuniversum.

Die dunklen Seiten der Macht

"Worn Sci-Fi", also getragene Science-Fiction, nennt man es, wenn die Raumschiffe rosten und die Rohre Dampf ausstoßen. "Star Wars" lebt von dieser Ästhetik, von dem Wissen, dass auch in der Zukunft die Schrauben locker sitzen. Vieles an Abrams' Film erinnert an George Lucas und seinen Sternenkrieg: J. J. Abrams ist Jahrgang 1966, ist aufgewachsen mit Luke Skywalker, war dabei als der Jedi-Schüler herausfinden musste, dass seine Nemesis Darth Vader sein leiblicher Vater ist.

Die dunklen Seiten der Macht spielen im neuen "Star Trek"-Film eine Rolle, ebenso wie die Vater-Sohn Konflikte. Abrams ist aber kein bloßer Epigone von Spielberg und Lucas: Er bedient sich bei deren Motiven und Leitthemen ebenso wie beim "Star Trek"-Fundus. Das Ergebnis ist überzeugender, weil weniger aufgebläht und steif als die letzten "Star Wars"- und "Indiana Jones"-Abenteuer. Der Schüler übertrifft seine Meister.

Pathos-Momente treffen auf eine mobile, frenetische Kamera; der mythologische Story-Bogen wird von flotten Sprüchen kontrastiert. Das neue "Star Trek" führt die Wucht des alten Spektakel-Kinos mit Stilistiken der neuen Fernsehserien, etwa auch Abrams eigener Kreation "Lost", zusammen, verschränkt Welten. Und legt Zeugnis ab vom Talent des Regisseurs: Dass jetzt ausgerechnet die hermetische und fixen Regeln gehorchende "Star Trek"-Welt generalsaniert und zum Aushängeschild eines neuen Blockbuster-Typus wird, das ist der bisher größte Clou von Hollywoods neuem Trendsetzer J. J. Abrams.

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