Eintagsfliege "Don Sache"

Franz Liszt und die Oper

Wenn man Franz Liszt sagt, denkt man an Klavier und wenn man den Begriff Oper hinzufügt - an Opernparaphrase. Doch das ist nicht alles: Liszt hat auch Opern komponiert: Die eine ganz bewusst - die andere allerdings ungewollt.

Ausschnitt "Don Sache" des 13-jährigen Liszt

Franz Liszt hatte ein Herz für die Oper. Lebenslang. In der ersten Hälfte des Jahrhunderts entstand allerdings nur ein Jugendwerk, eine Eintagsfliege für die Opernbühne, "Don Sanche", 1825 in Paris uraufgeführt.

Bald schrieb er aber umso fleißiger zahlreiche Opernparaphrasen, in denen er seinen dramatischen Instinkt beim effektvollen Arrangement von Opernmelodien anderer unter Beweis stellen konnte.

Paraphrasenseligkeit

Der australische Pianist Leslie Howard, der wohl bald seine Gesamtaufnahme des Liszt'schen Klavierwerkes abschließen wird, hat immerhin ein Dutzend der geplanten 87 CDs dem Kapitel "Liszt at the opera" gewidmet. Schon vor dem 18. Geburtstag 1829 entstand die erste, die "Opernfantasie" über "La Fiancée" von Auber. Viele, immer umfangreichere, folgten. Opern von Mozart, Bellini, Donizetti, Verdi und anderen bildeten die Vorlagen.

Die Bezeichnungen waren unterschiedlich: In Paraphrasen kombinierte er mehrere Themen, und die gewaltig dimensionierte "Don Juan"-Fantasie mündet - thematisch vom Komtur ausgehend - in einer effektvollen finalen Steigerung der sogenannten "Champagnerarie". Für weniger komplex angelegte Werke verwendete Liszt manchmal den Begriff Transkription, öfter aber "Reminiszenzen an…", wie im Falle von Donizettis "Lucrezia Borgia", über die er drei Klavierwerke verfasste: "Reminiszenzen" an Donizettis Oper, 1. und 2. Teil und dazu schrieb er noch eine "Fantasie" über Themen aus derselben Oper. Kein Wunder, dass man diese Gebilde dann im nächsten Jahrhundert als "Schallplattenversionen des 19. Jahrhunderts" bezeichnet hat.

Hofkapellmeister in Weimar

In der zweiten Lebenshälfte beendete er sein unstetes Virtuosenleben - auch wegen der neuen Partnerin, der Fürstin Sayn-Wittgenstein, mit der er 1848 nach Weimar gezogen ist, nachdem er die Stelle eines Hofkapellmeisters des Großherzogs von Sachsen-Weimar angenommen hatte.

Als Dirigent wurde Liszt ein Vorkämpfer für die moderne Oper, setzte eine Uraufführung des in Deutschland steckbrieflich verfolgten Richard Wagner durch ("Lohengrin"), dirigierte Uraufführungen von Cornelius ("Barbier von Bagdad") und Schubert ("Alfonso und Estrella"), während Berlioz seinen "Benvenuto Cellini" für die deutsche Erstaufführung unter der Leitung von Liszt überarbeitete.

Der Abbé

In den 1860er Jahren trennte sich Liszt von Weimar, von der Operntätigkeit und von der Fürstin und nahm in Rom die niederen Weihen an. In dieser Zeit begann der spätberufene Abbé auch Oratorien zu komponieren, von denen eines - "Die Legende von der heiligen Elisabeth" (die Thüringerin aus Ungarn, bekannt durch das "Rosenwunder") - wegen seiner dramatischen Akzente mit Zustimmung des Komponisten von mehreren Opernhäusern ins Repertoire genommen wurde.

Die erste szenische Aufführung fand in Weimar statt. Dann folgten Budapest, München, Prag, die Wiener Hofoper und viele andere Theater - im 20. Jahrhundert auch noch die Opernstädte Berlin und New York.

Späte Entdeckung

Als der greise Abbé Liszt im November 1874 von seiner Biographin Lina Ramann gefragt wurde, was denn mit der Oper "Don Sanche oder Das Schloss der Liebe" geschehen sei, von der seit dem Uraufführungsjahr 1825 niemand mehr etwas gehört hatte, lautete die Antwort: Die Partitur wurde in der Bibliothek der Pariser Oper Opfer einer Feuersbrunst.

Weitere drei Jahrzehnte später - Liszt war schon seit geraumer Zeit tot - entdeckte ein französischer Musikhistoriker die handschriftliche Kopie des verloren geglaubten Werkes in zwei prachtvoll gebundenen Partiturbänden im Archiv der Grand Opéra. 1904 wurde die Ouvertüre in der Berliner Zeitschrift "Die Musik" gedruckt. Dennoch dauerte es nochmals ein dreiviertel Jahrhundert bis zur konzertanten Erstaufführung 1977 in London und noch viel länger bis zur ersten szenischen Realisierung. Immerhin existiert heute sogar eine CD-Gesamtaufnahme.

Hör-Tipp
Musikgalerie, Montag, 11. Mai 2009, 10:05 Uhr