Sollen "die Reichen" zur Kasse gebeten werden?

Streitthema Vermögenssteuer

Befürworter von Vermögenssteuern sehen darin einen Schritt zu mehr Gerechtigkeit. Gegner halten Steuern auf Vermögen oder Vermögenszuwachs gerade in der Krise für ein falsches Signal. Darüber diskutieren Markus Beyrer (IV) und Bernhard Achitz (ÖGB).

Scheindebatte oder dringliche Notwendigkeit?

Wer in Österreich Vermögen hat, muss im internationalen Vergleich wenig Steuern zahlen. Nimmt man alle Steuereinnahmen, stammten im Jahr 2007 nur 1,4 Prozent aus vermögensbezogenen Steuern. Gemessen an der gesamten Wirtschaftsleistung, dem Bruttoinlandsprodukt, machten Vermögenssteuern nur 0,6 Prozent aus. Damit zählt Österreich zu jenen Ländern, in denen Vermögen am geringsten besteuert wird. In Großbritannien stammen 12,6 Prozent der Steuereinnahmen aus Vermögenssteuern, in den USA 10,9 Prozent. Dafür liegt Österreich bei den Sozialbeiträgen an der Spitze.

Reiche kommen billig davon

Vermögen ist in Österreich ungleich verteilt. 74 Prozent der Haushalte liegen, was das Geldvermögen betrifft, unter dem Durchschnitt, 26 Prozent darüber. Das reichste Prozent der Haushalte hält 27 Prozent des gesamten Geldvermögens. Das oberste Promille besitzt über acht Prozent des Geldvermögens - und damit gleich viel wie die gesamte untere Hälfte der Haushalte. Mit anderen Worten: 0,1 Prozent reiche Menschen in Österreich besitzen gleich viel, wie die ärmeren 50 Prozent der Bevölkerung.

Nach Alter betrachtet machen die 60- bis 69-Jährigen die vermögendste Bevölkerungsgruppe aus. Stark vertreten sind Unternehmer und Menschen mit Universitätsabschluss. Am wenigsten Vermögen haben 20- bis 29-Jährige, Arbeiter und Personen mit Pflichtschulabschluss.

Vermögen oder Vermögenszuwachs?

Im politischen Streit, ob Reiche künftig mehr Steuern zahlen sollen, geraten zwei Begriffe manchmal durcheinander: Vermögenssteuer und Vermögenszuwachssteuer. Steuern auf Vermögen sind etwa die Grundsteuer oder die im Vorjahr abgeschafften Erbschafts- und Schenkungssteuer. Vermögenszuwachssteuern sind Steuern auf Kursgewinne von Aktien, auf Verkaufserlöse von Grundstücken oder anderen Vermögenswerten oder Stiftungen.

Vermögenszuwächse sind schon jetzt teilweise steuerpflichtig. Wer etwa Aktien innerhalb eines Jahres verkauft, muss Einkommenssteuer auf Kursgewinne zahlen. Bis zu zehn Jahre sind die Fristen beim Verkauf von Häusern, Wohnungen und Grundstücken.

Milliardenertrag oder Bagatelle?

Mehr Geld aus Vermögenszuwachssteuern einzunehmen wäre für den Staat einfach. Man müsste nur die sogenannte Spekulationsfrist verlängern, oder überhaupt bei jedem Verkauf von Aktien eine Steuer auf den Kursgewinn einheben. Steuer-Experten schlagen 25 Prozent vor, damit wäre diese Steuer der Kapitalertragssteuer auf Spareinlagen gleichgestellt.

Unklar ist, wie hoch die Einnahmen aus einer höheren Vermögenszuwachssteuer wäre. Die Arbeiterkammer hat ein Potenzial von bis zu einer Milliarde Euro errechnet. Kritiker meinen, eine solche Steuer würde wenig bringen. Würde man eine Steuer auf alle Einnahmen aus Kursgewinnen einführen, müssten Anleger, die Aktien mit Verlust verkaufen, erlauben, diese Verluste von der Steuer abzusetzen. In einem schlechten Börsejahr wären die Einnahmen bescheiden.

Budgetzwänge oder Scheindebatte

"Es ist eine Neiddebatte", so qualifiziert Markus Beyrer, Generalsekretär der Industriellenvereinigung die Diskussion um vermögensbezogene Steuern. Wenn eine solche Steuer im Kampf gegen das Budgetdefizit etwas bringen solle, könne sie nicht auf eine kleine Gruppe von Reichen beschränkt sein. "Dann trifft es den Mittelstand", so Beyrer. Er meint außerdem, gerade jetzt in der Krise wären neue oder höhere Steuern das falsche Signal. "Damit macht man die Steuerreform zunichte, die gerade zu greifen beginnt."

Für den ÖGB ist es unvermeidlich, dass der Staat neue Einnahmequellen erschließt. "Nur so können wir nach der Krise die jetzt aufgenommenen Schulden wieder abbauen", sagt Bernhard Achitz, leitender Sekretär des Gewerkschaftsbundes .Es gehe nicht um den Mittelstand, sondern um die kleine Gruppe der Reichen. "Es kann nicht sein, dass am Ende die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer die Rechnung für die Krise zahlen müssen", so Achitz. Sie hätten die Krise nicht verursacht und dürften nicht die Rechnung dafür präsentiert bekommen.

Eine harte Konfrontation zwischen den Sozialpartnern fürchten weder Industriellenvereinigung noch Gewerkschaft. Die Auseinandersetzung um die Vermögenssteuern wird aber hart weitergeführt werden.

Hör-Tipp
Saldo, Freitag 22. Mai 2009, 9:45 Uhr

Links
Finanzministerium
Industriellenvereinigung
Österreichischer Gewerkschaftsbund