Aus der Geschichte des Tourismus

Thomas Cook & Co.

Thomas Cook ist der Erfinder der Pauschalreise. In den Jahren 1872/73 führte er erstmals eine Weltreise als organisierte Gruppenreise durch. Dauer: 220 Tage, Preis: 300 Pfund, ungefähr 20.000 Euro nach heutigem Wert.

In den Jahren 1872/73 führt Thomas Cook, der Erfinder der Pauschalreise, erstmals eine Weltreise durch. Organisiert. Als Gruppenreise. 300 Pfund mussten die wohlhabenden Touristen dafür hinzublättern, etwa 20.000 Euro nach heutigem Wert. Dafür wurde die weite Reise, 40.000 km, von Thomas Cook höchstpersönlich begleitet.

Als Thomas Cook mit seinen Kunden zur Weltreise aufbrach, war er 64 Jahre alt. In den drei Jahrzehnten davor hat der ehemalige Gärtnergehilfe, Schreiner und Baptisten-Prediger das Reisen revolutioniert.

Es begann mit einer Bahnfahrt

Der findige Cook aus dem englischen Melbourne hat 1841 in einem Sonderzug der damals noch ganz jungen Eisenbahn 570 Fahrgäste von Leicester nach Loughborough gebracht. Um einen Shilling, tour retour. Zu einem großen Treffen der Temperenzler-Bewegung, die sich im Kampf gegen den weit verbreiteten Alkoholismus engagierte.

Diese Bahnfahrt wird häufig als Beginn des modernen, des organisierten Tourismus angesehen. In den Jahren danach entwickelte Cook ein neues "Tourismus-Produkt" nach dem anderen. Anfangs waren es noch Bahnfahrten innerhalb Englands, bei denen betuchte Bürger z. B. das eine oder andere adelige Herrenhaus besuchen konnten, inklusive Spaziergang im Park und Erläuterungen von kundigen Führern. Aber bereits 1855 wagt der Tourismus-Pionier den Sprung über den Ärmelkanal, und nur elf Jahre später lässt er seinen Sohn die erste Reise nach Amerika und Kanada begleiten.

Von der Nilfahrt bis zu den Schlachtfeldern von Waterloo

Die Bandbreite dessen, was in der Folge zu "touristischen Sehenswürdigkeiten" gemacht wurde, ist weit gespannt. Dass dazu der Suezkanal, die Fahrt am Nil oder die obligate Besichtigung der Pyramiden gehörten, überrascht aus heutiger Tourismus-Perspektive ebenso wenig wie die Tatsache, dass die Schweizer Alpen oder die südfranzösische Cote d‘Azur darunter zu finden waren.

Andere Ziele historischer, organisierter Pauschalreisen muten dagegen doch ziemlich bizarr an. Rüdiger Hachtmann, Sozialhistoriker an der TU Berlin, nennt unter anderem den sogenannten "Battlefield-Tourism": "Man hat sich die Schlachtfelder von Waterloo angesehen. Dasselbe galt auch für die Pariser Commune von 1871. Schon wenige Wochen nach der blutigen Niederschlagung der Commune wurden Touristen von Führern durch die teilweise zerstörte Pariser Innenstadt geführt."

Mondscheinfahrten für Fabrikarbeiter

Sympathischer klingen da schon jene Fahrten, die Thomas Cook frühzeitig für jene organisierte, denen in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts eine der unabdingbaren Voraussetzungen für touristische Aktivitäten noch völlig abging – der tariflich geregelte Urlaub. Selbst wer gezwungen war, als Arbeiter sechseinhalb Tage die Woche von früh bis spät zu schuften, konnte mit Thomas Cook eine "Reise" unternehmen.

"Dem frühen britischen Industrieproletariat hat er sogenannte 'Mondscheinfahrten' angeboten. In Vollmondnächten an Wochenenden ist er mit Sonderzügen an die Küste gefahren. Die Arbeiter konnten dann die schönen, steilen Küsten wenigstens nachts ein paar Stunden genießen", erklärt Rüdiger Hachtmann, "Frühmorgens ging es dann zurück in die Fabrik".

Industrialisierung schafft Verkehrsinfrastruktur

Mit Eisenbahn und Dampfschiff wird ab der Mitte des 19. Jahrhunderts für die fortschreitende Industrialisierung rasant die dringend nötige neue Verkehrsinfrastruktur geschaffen. Die ermöglicht - quasi als Nebeneffekt - völlig neue Arten des Reisens, anfangs fast ausschließlich dem zunehmend dominierenden Bürgertum.

Die Reise wird zur Ware. Und was mit den ersten Pauschaltouren des Thomas Cook beginnt, wird sich in den folgenden 100 Jahren zum Massenphänomen entwickeln: zur florierenden Tourismus-Industrie, die Jahr für Jahr Milliarden Menschen bewegt.

Hör-Tipp
Radiokolleg, Dienstag, 2. Juni bis Donnerstag, 4. Juni 2009, 9:05 Uhr

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