Kaum ein Land hat mehr profitiert
Österreich als großer Gewinner der Ostöffnung
Als der Eiserne Vorhang zugezogen wurde, hatte Österreich das Glück, auf westlicher Seite zu liegen. Als der Vorhang vor 20 Jahren wieder aufgegangen ist, hatte Österreich wieder Glück: Kaum ein Land hat so von der Ostöffnung profitiert, wie Österreich.
8. April 2017, 21:58
Das Jahr 1989 brachte das Ende des kommunistischen Systems - und das Ende der Planwirtschaft. Es war eines der größten Experimente in der Wirtschaftsgeschichte. Noch nie hatte sich Vergleichbares ereignet. Die Herausforderung war einzigartig: Innerhalb kürzester Zeit sollte das System der Planwirtschaft in die Marktwirtschaft umgewandelt werden. Heute, nach 20 Jahren, lässt sich sagen: Das Experiment ist gelungen, und Österreich ist einer der größten Gewinner.
"Man kann aus einem Aquarium eine Fischsuppe mache, aus einer Fischsuppe aber kein Aquarium mehr." So hat der frühere tschechische Präsident Vaclav Havel das Problem auf den Punkt gebracht. Betrachtet man die wirtschaftliche Entwicklung in den früher kommunistischen Ländern, ist die Entwicklung beachtlich, trotz der derzeitigen Krise, die einige osteuropäische Länder besonders hart trifft.
Österreich als großer Gewinner
Österreich hat von der Ostöffnung wie kein anderes westliches Land profitiert. 20 Prozent seines Außenhandels wickelt Österreich mit Osteuropa ab. Fritz Breuss vom Institut für Wirtschaftsforschung rechnet, dass das Wirtschaftswachstum durch die Ostöffnung pro Jahr um bis zu einem Prozentpunkt höher ausgefallen ist, als es ohne Ostöffnung der Fall gewesen wäre.
Mehr gewonnene als verlorene Jobs
Auch die Bilanz in Sachen Arbeitsplätze fällt gut aus, erklärt Breuss. 100.000 bis 150.000 Arbeitsplätze seien in Österreich entstanden, die mit der wirtschaftlichen Entwicklungen in Osteuropa zusammenhängen. Breuss räumt auch mit einem Vorurteil auf, dass nämlich die Ostöffnung Arbeitsplätze in Österreich gekostet hätte. Es haben schon österreichische Firmen Arbeitsplätze in den Osten verlagert, wo die Löhne niedriger sind. Viel mehr Arbeitsplätze seien aber in Österreich entstanden bei Unternehmen, die durch die Ostöffnung gewachsen sind.
Warum hat Österreich stärker als alle anderen EU-Länder profitiert? Einer der Gründe ist die Nachbarschaft. Mit angrenzenden Ländern kommt man leichter ins Geschäft als mit weiter entfernten. "Es ist ein bisschen der k. und k. Effekt", so die Begründung von Wirtschaftsforscher Breuss.
Problem Infrastruktur
Trotzdem hat Österreich auch Chancen vergeben. Ein Hauptproblem ist die Infrastruktur. Manche Verkehrsverbindungen in den Osten stammen tatsächlich noch aus Zeiten der Monarchie. "Die Infrastruktur ist ein Skandal", so Wirtschaftsforscher Breuss. Nach Bratislava gab es lange Zeit keine Autobahn und keine schnelle Bahnverbindung, ähnlich sieht es Richtung Prag aus. Die Versäumnisse seien kaum nachzuholen, weil einfach zu viele Jahre ungenützt vergangen sind.
Als Gewinner sieht Wirtschaftsforscher Breuss die Grenzregionen, etwa das Waldviertel oder das Burgenland, die stark von Förderprogrammen der EU profitiert hätten. Die Ostöffnung hat aber auch Verlierer gebracht: So hat die Konkurrenz im Osten die Lohnquote in Österreich gedrückt. Die Einkommensverteilung sei zu Gunsten der Unternehmen und zu Lasten der Arbeitnehmer gegangen.
Aufwärtstrend nur unterbrochen, nicht gestoppt
Die Wirtschaftskrise hat einige Länder in Osteuropa hart getroffen, etwa Ungarn, Rumänien oder die baltischen Staaten. Langfristig werde die Wirtschaft in Osteuropa aber weiter wachsten, gibt sich Wifo-Experte Fritz Breuss überzeugt. Osteuropa müsse aufholen, Lohnniveau und Lebensstandard liegen noch deutlich hinter denen in Westeuropa. Österreich werde auch in den kommenden Jahren von den "emerging markets", den aufstrebenden Märkten im Osten profitieren.
Hör-Tipp
Saldo, Freitag 5. Juni 2009, 9:45 Uhr
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