Wahlheimat Wien

20. Todestag von Anton Dermota

Fünf Jahrzehnte lang war Anton Dermota eine Säule des österreichischen Kulturlebens. In Oper, Oratorium und Lied hat er Maßstäbe gesetzt, die bis heute ihre Gültigkeit bewahrt haben. Vor 20 Jahren starb er ganz plötzlich in seiner Wahlheimat Wien.

Meine Kindheit stand im Zeichen der Armut, einer heute kaum noch vorstellbaren Armut. Der kleine slowenische Marktflecken Kropp im Bezirk Radmannsdorf - heute Kropa bei Radovljica-, wo ich am 4. Juni 1910 im Sternbild der Zwillinge geboren wurde, zählte 600 Seelen und 104 Häuser, von denen drei baufällig und unbewohnbar waren. Es gab nur drei Bauern in der Gemeinde, von denen einer der Pfarrer und der zweite der Gastwirt waren. Die übrigen Bewohner Kropas lebten von Nägeln. Sie alle wurden von Hand geschmiedet. Wir waren unser elf oder zwölf - ganz genau weiß ich das nicht mehr, denn einige Geschwister starben schon im Säuglingsalter. Gott gab und Gott nahm, und wenn er nahm, war ein Esser weniger.

So beginnen Anton Dermotas 1978 erschienene Lebenserinnerungen; aus einem derart tristen Milieu also stammte er - trotz allem aber ermöglichten ihm seine Eltern eine musikalische Ausbildung in Laibach, er wurde Organist, sang auch im Chor des Laibacher Opernhauses und wurde schließlich würdig befunden für ein Stipendium, das ihn zur weiteren Ausbildung schnurstracks nach Wien führte, das war im September 1934.

Karriere in Wien

Zwei Jahre später war er Mitglied der Staatsoper, sein Debüt bei den Salzburger Festspielen lag bereits hinter ihm, und er hatte damals auch schon den guten Geist seiner weiteren Laufbahn kennen- und lieben gelernt: Hilda Berger von Weyerwald, eine begnadete Pianistin, die bald die wichtigste Person in seinem Leben werden sollte, in menschlicher Hinsicht ebenso wie in künstlerischer: Ein kongenialeres Künstlerehepaar kann man sich schwerlich vorstellen.

Mentor Bruno Walter

Bruno Walter war sein wichtigster Mentor in diesen ersten Jahren, auch wenn er bereits 1938 aus den bekannten politischen Gründen Österreich verlassen musste. Walter hat ihn zu Mozart geführt, der ihm bis dahin gar nicht so vertraut gewesen ist, und das war der richtige Weg. Nur mit Mozart als Grundpfeiler seiner Karriere konnte diese rund ein halbes Jahrhundert andauern.

Doch sollte man Dermota keinesfalls als reinen Mozart-Tenor betrachten, sein Repertoire war äußerst vielseitig, enthielt alle lyrisch-romantischen Standardpartien des italienisch-französischen Faches, eine Reihe von slawischen Rollen, die einschlägigen Richard-Strauss-Partien - bis hin zu Florestan ("Fidelio) und Max ("Freischütz"), und im Konzert beziehungsweise für Plattenaufnahmen hat er sich sogar an Don José ("Carmen") und Lohengrin herangewagt.

Im In- und Ausland begehrt

Anton Dermota war auch im Ausland hoch angesehen, hat bereits 1937 bei der Pariser Weltausstellung gesungen, war nach dem Krieg zunächst im Verband der Staatsoper bei verschiedenen Gastspielen mit dabei, um später auch eigene Operngastspiele und Konzerttourneen zu absolvieren.

1955 war er zur Wiedereröffnung des Hauses am Ring gleich mit mehreren Aufgaben betraut, insbesondere sang er in der Eröffnungsvorstellung den Florestan im "Fidelio" unter Karl Böhm. Schon 1948 war er zum Österreichischen Kammersänger ernannt worden, 1969 erhielt er dann die Ehrenmitgliedschaft.

Bühnenabschied mit 71

Nicht weniger als 45 Jahre dauerte Dermotas Karriere an der Wiener Staatsoper, was mit dem Ersten Geharnischten in der "Zauberflöte" im Mai 1936 begonnen hatte, endete erst 1981 mit einem fulminant gesungenen Tamino, dem in stimmlicher Hinsicht niemand seine 71 Jahre anmerken konnte.

Aber damit war lediglich seine Bühnenkarriere zu Ende, im Konzertsaal ist er auch noch danach aufgetreten, vor allem als hinreißender Liedersänger und dabei immer von seiner Frau Hilda - die übrigens vor wenigen Tagen ihren 97. Geburtstag feiern konnte - perfekt am Klavier begleitet. In diesem Zusammenhang unbedingt zu erwähnen wäre auch die gemeinsame Lehrtätigkeit der beiden, die bereits 1966 an der damaligen Akademie für Musik und darstellende Kunst begonnen hat.

Grandiose Altersrolle
Als absoluter Höhepunkt in der Opernkarriere von Anton Dermota wäre noch die Titelpartie in Hans Pfitzners "Palestrina" zu nennen, die er nach dem frühen Tod seines 20 Jahre jüngeren Fachkollegen Fritz Wunderlich übernommen und zwischen 1965 und 1977 immerhin 19 Mal an der Staatsoper verkörpert hat.

Palestrinas letzte Worte in dieser Musikalischen Legende bilden auch den Schlusspunkt in seinen bereits eingangs zitierten Erinnerungen: "Nun schmiede mich, den letzten Stein, an einem deiner tausend Ringe, Du Gott - und ich will guter Dinge und friedvoll sein."