Ist die Zeit reif für einen Generationenwechsel?
Wahlen in Albanien
In Albanien wird am Sonntag das Parlament neu gewählt. Es sind die siebenten Parlamentswahlen seit dem Zusammenbruch des Kommunismus, doch noch nie war der Wahlausgang so offen. Dem seit 19 Jahren regierenden Sali Berisha droht ernsthafte Konkurrenz.
8. April 2017, 21:58
"Shqiperia po ndryshon" - Albanien wandelt sich - lauten der Wahlkampfhit und das Motto der Demokratischen Partei von Ministerpräsident Sali Berisha. Der 64-jährige zieht mit großem persönlichem Einsatz quer durchs Land, um die Wähler und Wählerinnen von seinen Erfolgen zu überzeugen. Dazu zählen der NATO-Beitritt, aber auch wirtschaftliche Erfolge.
Profitiert hat davon nicht zuletzt Nordalbanien. Die Stadt Shkodra im Grenzgebiet zu Montenegro ist daher auch eine Hochburg der Demokraten. Tausende sind zur Kundgebung gekommen, bei der Sali Berisha neue Wohltaten ankündigt: "Ich bin hier, um zu versprechen, dass in zwei großen Industrieparks und in vielen anderen Arbeitsstätten, in vielen Wasserkraftwerken, Straßen, Autobahnen, Firmen in Shkodra und in Albanien 160.000 Menschen beschäftigt werden. Den Bauern verspreche ich, dass die Regierung jedes Projekt fördern wird, vom Olivenöl bis hin zum Weinbau."
Nur Potemkinsche Dörfer?
Berisha verspricht nicht nur, sondern eröffnet auch Straßen und führt Spatenstiche durch - selbst wenn der tatsächliche Baubeginn für eine Kraftwerkskette in Zentralalbanien erst in zwei Jahren bevorsteht. Aber es sind aber nicht nur Potemkinsche Dörfer, die Berisha baut. Albanien hat sich unter seiner Regierung tatsächlich gewandelt. Vor allem die Infrastruktur wurde verbessert. Wo früher auf Straßen nur Löcher waren gibt es nun eine Asphaltdecke und durch den Einstieg von Raiffeisen vor fünf Jahren, wurde das Bankenwesen modernisiert.
Entgegen dem Rat von Wirtschaftsexperten hat die Regierung im Wahljahr die Staatsausgaben und Gehälter kräftig erhöht. Ärzte verdienen nun zwischen 60.000 und 80.000 Leke, umgerechnet zwischen 550 und 750 Euro im Monat. Insgesamt versucht Sali Berisha eine Aufbruchsstimmung zu erzeugen.
Reisefreiheit als Wahlkampfthema
Doch gelaufen ist das Rennen noch nicht, dazu weist Berishas Bilanz zu viele negative Seiten auf: Zum Beispiel, dass Albaner und Albanerinnen weiter ein Visum für die EU brauchen, nicht zuletzt weil die Regierung mit der Ausstellung biometrischer Pässe säumig ist. Berisha verspricht Visafreiheit für 2010.
Vor allem die Opposition konzentriert sich auf dieses sensible Thema - schließlich arbeiten Hunderttausende Albaner und Albanerinnen im Ausland. "Berisha hat versprochen, dass ab dem Jahre 2009 Albaner frei werden reisen können", kritisiert Eron Velaj von der Oppositionspartei G 99, "nun müssen wir hinnehmen, dass Serbien, Mazedonien und Montenegro größere Fortschritte gemacht haben. Und wir finden uns wieder in dieser Gruppe von UNO-Protektoraten wie Bosnien und Kosovo als Enklaven und Ghettos ohne Reisefreiheit. Das ist nicht akzeptabel."
Parteibuchwirtschaft und Korruption
Bekannt wurde der 28-jährige Eron Velaj vor Jahren durch die vor allem von Studenten und Studentinnen getragene Protestbewegung Mjaft. Nun sind Velaj und viele seiner Mitstreiter mit ihrer Partei G 99 Koalitionspartner des sozialistischen Spitzenkandidaten Edi Rama.
An Sali Berisha kritisiert Velaj vor allem das seiner Ansicht nach bestehende System des Nepotismus, der Parteibuchwirtschaft und der umfassenden Korruption im Kabinett, das bei allen großen Bauprojekten mitschneide. Doch G 99 will darüber hinaus auch einen Generationswechsel in der Politik Albaniens; die seit mittlerweile 19 Jahren von Sali Berisha geprägt wird. Um dieses Ziel zu erreichen setzt die Fünf-Parteien-Koalition unter Edi Rama auf die totale Mobilisierung aller Wähler und Wählerinnen.
Morgen in die EU?
Umfragen sprechen von leichten Vorteilen für Berisha. Rama könnte aber das größere Koalitionspotential haben, weil ein zweiter Linksblock den Einzug ins Parlament schaffen wird. Rama verspricht eine "Eine neue Politik für den Wandel". Ob sein allfälliger Sieg nicht nur einen Generationswechsel, sondern mehr Demokratie bringt, ist fraglich.
Massive Korruption gibt es auch bei Bauvorhaben in Tirana, wo Rama seit neun Jahren Bürgermeister ist, und im Wahlkampf unterschieden sich Rama und Berisha in der Wahl ihrer Mittel nicht qualitativ. Objektive Medien gibt es praktisch nicht. TV-Sender strahlen die Bilder aus, die von den Parteien bei Kundgebungen mit großer Professionalität mit eigenen Teams gedreht und selbst geschnitten werden.
Während der Wahlkampf dank US-amerikanischer Berater hoch professionell abläuft, gibt es bei den Wahlvorbereitungen große Probleme. Trotzdem plakatiert Sali Berisha: "Sot NATO - Neser BE" (Heute NATO - Morgen EU). Doch für die EU muss Albanien endlich mit der Macht der schlechten Gewohnheit brechen und erstmals wirklich demokratische Wahlen durchführen. Kommenden Sonntag besteht die nächste Gelegenheit dazu.
Hör-Tipp
Europa-Journal, Freitag, 26. Juni 2009, 18:20 Uhr