Viele Studien noch mehr Gegenstudien
Macht Mobilfunk krank?
Elektromagnetische Strahlung, wie sie von Handys ausgeht, kann zu DNA-Brüchen, also zu Schäden an der Erbsubstanz, führen. Einige Forschergruppen haben diese Effekte in Laborversuchen gesehen, andere Gruppen schließen einen derartigen Zusammenhang aus.
8. April 2017, 21:58
Es ist unbestritten, dass elektromagnetische Wellen, wie sie von Handys abstrahlen, Gewebe erwärmt. Es gibt Untersuchungen, wonach es durch die elektromagnetische Strahlung zur Veränderung der Hirnströme kommt; epidemiologische Studien liefern Hinweise, dass nach jahrelangem und häufigem Handytelefonieren das Risiko, einen Hirntumor zu bekommen, ansteigt; Versuche in der Zellkultur haben gezeigt, dass Handystrahlung zu DNA-Strangbrüchen führen kann und dass vor allem sensible Zellen durch die Strahlung unter Stress kommen.
Aber kaum wird eine Untersuchung, die Hinweise auf gesundheitsrelevante Effekte von elektromagnetischer Strahlung liefert, publiziert, folgt eine andere, die die Ergebnisse wiederlegt, in Frage stellt oder als nicht reproduzierbar erklärt. Von einer endgültigen Beurteilung möglicher Risiken von elektromagnetischer Strahlung, wie sie von Handys und Basisstationen / Sendemasten ausgeht, ist man noch weit entfernt.
Nun sorgt auch noch eine belgische Untersuchung an Ratten für Aufregung. Laut ihren Ergebnissen schwächt elektromagnetische Strahlung das Immunsystem, führt zur Abnahme der Merkfähigkeit und in einzelnen Fällen zur Tumorbildung.
Belgische Studie sorgt für Aufregung der besonderen Art
Während in Belgien aufgrund der aktuellen Untersuchung die Grenzwerte für die von Basisstationen emittierende Strahlung drastisch gesenkt wurden, auf 45 Milliwatt pro Quadratmeter, sieht man in Österreich keinen wie immer gearteten Handlungsbedarf.
Grenzwerte könnte man auch schwer senken, denn in Österreich gibt es, im Gegensatz zu Belgien und einigen anderen europäischen Ländern, keine gesetzlich festgeschriebenen Grenzwerte. Was es gibt, ist eine Ö-Norm (EN 8850), in der Richtwerte/Empfehlungen formuliert sind, an die sich etwa Mobilfunk-Betreiber bei der Errichtung von Basisstationen halten sollten.
Aber diese Werte, die bei 4.500 Milliwatt pro Quadratmeter für 900 Megahertz, 9.000 bis 10.000 Milliwatt für höhere Frequenzen liegen, "kratzen" keinen Betreiber. Die Empfehlung, diese Werte nicht zu überschreiten, komme nach Hans Peter Hutter vom Institut für Umwelthygiene der Medizinuniversität Wien einer Verordnung gleich, die untersagt im Stadtgebiet schneller als mit 500km/h zu fahren.
Kein Grund zum Handeln
Jedenfalls sieht man in Österreich aufgrund der derzeitigen Datenlage in Österreich weder einen Grund, die Werte in der Ö-Norm zu senken, noch ein Gesetz zum Schutz vor nichtionisierenden Strahlen zu beschließen. Ein solches Gesetz hätte nach Hans-Peter Hutter auch nur Sinn, wenn nicht die bisher in der Ö-Norm formulierten Werte übernommen werden, sondern wenn in diesem Gesetz, ähnlich wie in Belgien, deutlich niedrigere Werte festgeschrieben werden.
Laut Infrastrukturministerin Doris Bures gibt es in Österreich keinen Handlungsbedarf, vielmehr mokiert man sich über die Untersuchung, die ja "nur eine Dissertation" und noch nicht einmal in einem wissenschaftlichen Journal publiziert worden sei. Für den Umweltmediziner Michael Kundi hebe sich diese Untersuchung hingegen von vielen früheren positiv ab, weil die Autoren (der Doktorand und die Betreuer) die Studie so angelegt haben, dass die Tiere nicht, wie es sonst in derartigen Studien üblich ist, in ihrer Bewegungsfreiheit eingeschränkt waren.
Zustimmung und Kritik
Man hat die Tiere frei herumlaufen lassen, damit sie keinen Stress haben und man Auswirkungen des Stresses nicht als Effekt der elektromagnetischen Strahlung misst. Wenn die Tiere aber herumlaufen, verändert sich auch die Feldstärke, bemängelt der Strahlenphysiker Nobert Vana das Studien-Design, und diese Dosisveränderungen habe man nicht gemessen.
Von einer dosimetrisch unanfechtbaren Untersuchung erwartet man, dass eben auch die Feldstärken-Veränderungen gemessen werden. So gesehen sei es, meint Norbert Vana, nicht nachvollziehbar, dass Belgien aufgrund dieser Untersuchung die Grenzwerte gesenkt hat.
Was nach Aussage des Umweltmediziners Michael Kundi auch nicht der Fall sei: die belgische Dissertation sei nur ein Element in der Entscheidungskette der Gremien gewesen, denn die Dissertation "ist nicht die einzige Evidenz zu gesundheitlich relevanten Wirkungen von Feldern dieser Art". Und offensichtlich hätte man in Belgien erkannt, dass man mit den von der EU empfohlenen Werten, wie sie auch in der Ö-Norm formuliert sind, "nicht auf der sicheren Seite ist".
Hör-Tipp
Dimensionen, Mittwoch, 1. Juli 2009, 19:05 Uhr