Eine Zelle ist kein Mensch

Die Reprogrammierung von Körperzellen

Seit einiger Zeit kann man ausdifferenzierte Zellen wieder in embryonale Stammzellen zurückverwandeln, aus denen man beliebige Gewebetypen bilden kann. Die Hoffnung: Erkrankungen wie Parkinson und Diabetes zu heilen, indem man Ersatzgewebe erzeugt.

Es war die Gruppe um den japanischen Arzt Shinya Yamanaka, die 2007 eine neue Ära in der Stammzellforschung einleitete. Es gelang ihr, die Hautzelle einer Maus in Zellen zurück zu verwandeln, die embryonalen Stammzellen sehr ähnlich sind. Yamanaka schleuste vier chemische Substanzen mit Hilfe von Viren in die Ursprungszellen ein. Dort knipsten die vier Faktoren Gene an, die die Lebensuhr der Zellen zurück setzten. Wenige Monate später schaffte man den Versuch auch mit menschlichen Hautzellen.

Einer der Haken bei der Sache: derart reprogrammierte Zellen sind sehr anfällig, Tumore zu entwickeln. Überraschend ist das innerhalb der Forschergemeinde nicht: Schließlich sind einige der Substanzen, die zur Reprogrammierung verwendet werden, als Krebsfaktoren bekannt.

Reprogrammierung ohne Viren

Im Februar 2009 zeigte Hans Schöler vom Max-Planck-Institut für molekulare Biomedizin in Münster, dass die Reprogrammierung auch mit nur einem Faktor gelingen kann - sie dauert halt sechs Wochen statt zwei.

Hans Schöler verwandelte adulte Nervenstammzellen zurück in ursprüngliche Alleskönner. Adulte Stammzellen, die als Vorläuferzellen für verschiedenste Gewebe in unserem Körper schlummern, sind nämlich weniger anfällig für Erbgutveränderungen.

Schon Ende April veröffentlichte Schölers Gruppe einen weiteren sensationellen Artikel. Statt Viren als Transportmittel zu nutzen, schleusten die Forscher die Reprogrammierungs-Faktoren mit Hilfe kleiner Moleküle in die Zellen ein - diesmal Hautzellen einer Maus.

Schöler stellte damit die ersten protein-induzierten pluripotenten Stammzellen her. Von Jubelschreien, man habe endlich einen Ersatzteilbaukasten für den Körper gefunden, ist Schöler aber weit entfernt - zu groß sind die Unsicherheiten.

Künstlich erzeugte Stammzellen sind noch sehr anfällig

Embryonale Stammzellen sind die absoluten Alleskönner, pluripotente haben schon ein paar Einschränkungen. Das zeigt sich auch bei einem genauen Blick auf das Genom. Embryonale Stammzellen und reprogrammierte unterscheiden sich in rund 600 Genen.

Würde man reprogrammierte Zellen nun transplantieren, damit sie zum Beispiel kaputtes Gewebe in der Bauchspeicheldrüse ersetzen: man wüsste nicht, wie sich diese Zellen verhalten. Aus diesem Grund sind die künstlich erzeugten Stammzellen kein Ersatz für jene, die aus Embryos im frühesten Stadium gewonnen werden.

Neue Anwendungsgebiete

Da viele diese Stammzellen aus den ersten Stadien eines Embryos als beginnendes Leben ansehen, wurde in den letzten Jahren weltweit eine heftige Diskussion geführt, ob Forschung daran überhaupt erlaubt sein soll. Die österreichische Bioethikkommission hat sich im März dafür ausgesprochen. Allerdings müssen die embryonalen Stammzellen aus Embryos stammen, die bei künstlichen Befruchtungen als Reserve übrig bleiben und sonst vernichtet werden würden.

Hans Schöler ist skeptisch, ob man reprogrammierte Stammzellen jemals verwenden wird können, um kaputtes Körpergewebe zu ersetzen. Er sieht ihre Vorzüge - Forscher nennen sie IPS-Zellen - in einem anderen Bereich: Mit Hilfe der reprogrammierten Stammzellen lässt sich in der Petrischale krankes Gewebe nachzüchten. Mit seiner Hilfe können die Forscher patientenspezifisch Medikamente austesten oder die Krankheit studieren.

Hör-Tipp
Dimensionen, Montag, 13. Juli 2009, 19:05 Uhr