Folteropfer in Österreich

Abgeschoben statt beschützt

Der Schutz für Asylwerbende in Österreich ist löchrig. Zunehmend gilt dies auch für Flüchtlinge, die Opfer von Folter und Gewalt waren. Österreich schiebt mittlerweile sogar schwer traumatisierte Asylwerbende im Rahmen des Dublin-II-Abkommens ab.

Auf die besondere Situation von Folteropfern und traumatisierten Asylsuchenden wird in Österreich keine Rücksicht mehr genommen. Immer häufiger kommt es vor, dass schwer traumatisierte Asylwerber und Asylwerberinnen, teilweise während einer laufenden psychiatrischen Behandlung, abgeschoben werden.

Opfer wie Verbrecher behandelt

Folteropfer, die in Österreich um Asyl ansuchen, kommen derzeit in großer Zahl aus Tschetschenien. Sie wurden von russischen Soldaten beispielsweise mit schweren Plastikflaschen geschlagen, die mit Sand gefüllt sind. Außen hinterlässt diese Foltermethode kaum Spuren, führt jedoch zu schweren Verletzungen der inneren Organe. Weiter müssen die Gefangenen Stromstöße an den Ohrläppchen und Genitalien erleiden, sie werden bis zum Hals in Erdlöchern eingegraben, die mit Schmutz und Exkrementen gefüllt sind und dort tagelang ausharren. Es werden ihnen die Fingernägel gezogen, Zehen oder Finger abgesägt, Scheinexekutionen durchgeführt. Tschetschenische Frauen erleiden Massenvergewaltigungen und grausame Misshandlungen.

Trotzdem werden solche Menschen in Österreich oft mit großer Gleichgültigkeit behandelt: Sie werden in EU-Länder abgeschoben, wo sie in Massengefängnissen ausharren müssen und keinerlei therapeutische Behandlung erhalten. Sie werden in Österreich bei Nacht und Nebel Aktionen von Polizeibeamten mit Hunden aus den Asylquartieren abgeholt, als wären sie Verbrecher und nicht Opfer.

Traumatisierung oft nicht erkannt

Bis zum Jänner 2006 wurden Schutzbestimmungen für diagnostizierte Folteropfer in Österreich noch angemessen umgesetzt. Konnten Asylsuchende ihre Traumatisierung belegen, wurden sie zum Verfahren zugelassen, auch dann, wenn aufgrund europäischer Abkommen ein anderer Staat zuständig wäre. Seit der letzten Gesetzesänderung hat sich die Situation im Zulassungsverfahren drastisch verschlechtert.

In Österreich wie auch in anderen EU-Ländern gibt es kein standardisiertes behördliches Verfahren, um bei den Asyl-Einvernahmen traumatisierte Menschen zu erkennen. Doris Rummel, Psychotherapeutin beim Verein Zebra in Graz, berichtet von einer Frau aus Tschetschenien, die seit Jänner 2007 in Österreich ist. In ihrer Heimat wurde sie in der Haft gefoltert und vielfach vergewaltigt. In Österreich wurde die Frau mehrmals in Schubhaft genommen, ihr droht die Abschiebung. Derzeit lebt die schwangere Frau mit ihren Kindern in Wien in einem Kellerraum mit Kaltwasser ohne Dusche, hat kein Geld und keine Krankenversicherung.

Von österreichischen Jugendlichen beschimpft

Auch wenn der Staat die Aufgabe hat, ein geordnetes Fremdenwesen sicherzustellen, stellt sich die Frage nach der Angemessenheit eines solchen Vorgehens. Therapeutin Cornelia Seidl-Gevers vom Klagenfurter Verein Aspis zeigt sich besorgt darüber, dass es in Kärnten zu einer völligen Entsolidarisierung mit dem Schicksal von Asylsuchenden gekommen ist: "Diskriminierungen, Beschimpfungen, ungerechtfertigte Pauschalverurteilungen von Asylwerbern und Asylwerberinnen sind in Kärnten salonfähig geworden", empört sie sich: "Eine alte Tschetschenin wird im Park täglich von Kärntner Jugendlichen wüst beschimpft. Sie hat mich gefragt, ob sie bei der Polizei Anzeige erstatten soll. Ich habe lang überlegt, und ihr davon abgeraten. Das gesellschaftspolitische Klima hat sich in Kärnten dermaßen zugespitzt, dass ich nicht einmal mehr der Polizei vertraue, wenn es um den Schutz der Rechte von Asylsuchenden geht. Das finde ich mehr als bedenklich."

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Hör-Tipp
Journal Panorama, Dienstag, 5. Jänner 2009, 18:25 Uhr

Links
Zebra - Interkulturelles Beratungs- und Therapiezentrum
Aspis - Forschungs- und Beratungszentrum für Opfer von Gewalt