Die Ausnahmeregisseurin Andrea Breth
Theater ist Konflikt
"Wer überhaupt wissen will, was Theater noch kann, der kann es hier wissen", streute einst ein Kritiker Andrea Breth Rosen. Vom Wahrheitsgehalt der Aussage können sich auch heute noch zahlreiche Theaterbesucher überzeugen.
8. April 2017, 21:58
Andrea Breth gilt als Ausnahmeregisseurin. Das Besondere ihres Stils zeigt sich vor allem in der Konzentration auf die philosophischen Tiefen der von ihr inszenierten Stücke und in der Erarbeitung reicher darstellerischer Möglichkeiten. Die Inszenierungen der 1952 in Rieden/Füssen geborenen und in Darmstadt aufgewachsenen Regisseurin sind in der Regel ein Genuss für die beteiligten Schauspielerinnen und Schauspieler, sowie ein Fest für ein an feinsinnigen Figurenzeichnungen interessiertes Publikum.
Ehrenkreuz für Wissenschaft und Kunst
Erst im Juni 2009 war Andrea Breth mit dem Österreichischen Ehrenkreuz für Wissenschaft und Kunst 1. Klasse ausgezeichnet worden. Bei der Verleihung würdigte Kulturministerin Claudia Schmied Breths Karriere als "außergewöhnlich in einer Berufswelt, die den traditionellsten Regeln von Macht, Kabale und wenig echter Liebe" folge.
Regie-Kollege Sven-Eric Bechtolf schrieb in seiner Laudatio "Du hast die Begabung, taghell zu analysieren (...) und doch bei diesen intellektuellen und auch organisatorischen Glanzleistungen gleichzeitig auf den dunklen Seiten des Mondes daheim zu sein".
Durchbruch mit Lorca
Andrea Breth studierte in Heidelberg Literaturwissenschaft und begann 1972 während des Studiums eine Regieassistenz am Heidelberger Theater. 1975 konnte sie am Bremer Theater ihre erste eigenverantwortliche Inszenierung vorlegen: "Die verzauberten Brüder" von Jewgeni Schwartz.
Nach Stationen und Regiearbeiten an Bühnen in Wiesbaden, Bochum, Hamburg und Berlin ging sie 1981 nach Zürich und begann eine Ausbildung zur Schauspielerin. 1983 holte sie der Freiburger Intendant Ulrich Brecht an die dortigen Städtischen Bühnen, wo sie bis 1985 feste Hausregisseurin war. Hier gelang ihr auch der Durchbruch mit der Inszenierung von Federico García Lorcas "Bernarda Albas Haus". Diese Inszenierung brachte ihr eine Einladung zum Berliner Theatertreffen und die Auszeichnung der Zeitschrift "Theater heute" als Regisseurin des Jahres.
Vorwiegend russische Autoren
1989 - sie war inzwischen nach Bochum gewechselt - konnte sich Breth endgültig in der deutschsprachigen Theaterszene etablieren und inszenierte unter anderem Luigi Pirandellos "Die Riesen vom Berge", "Süden" von Julien Green und "Sommer" von Edward Bond. Für "Süden" erhielt sie erneut zahlreiche Auszeichnungen und wurde wieder für das Berliner Theatertreffen ausgewählt, ebenso wie ihre Inszenierung von Maxim Gorkis "Die Letzten".
Bis 1992 war sie als freie Regisseurin in deutschsprachigen Theatern tätig, danach künstlerische Leiterin der Berliner Schaubühne am Leniner Platz. Auch hier stand ihre Beschäftigung mit russischen Autoren im Mittelpunkt. "Nachtasyl" von Maxim Gorki, "Die Möwe" und "Onkel Wanja" von Anton Tschechow sind herausragende Inszenierungen aus dieser Zeit.
Dienst an der Dichtung
Seit 1999 ist Breth Hausregisseurin am Burgtheater und hat damit die Ära Bachler entscheidend mitgeprägt. Sie gehe "mit unerbittlichem Ernst" ans Werk, so Bachler: "Dieser schöne Ernst entspringt nicht dem Ehrgeiz, sondern der Sehnsucht. Spekulatives, modisches Geschäftstheater ist ihr Feind, denn sie führt den klaren Geisteskampf in leidenschaftlichem Dienst an der Dichtung."
Auch an der Burg setzt Breth in ihren Inszenierungen auf genaue Personenzeichnung, hintergründige Milieustudien und eine stets der Sprache des Dichters dienende Textbebilderung. Vielleicht ist es die radikale Verweigerung gängiger Gewalt-und Nacktorgien, die ihr immer wieder die Zuneigung des breiten Publikums garantiert.
Preis an Suppenküche gespendet
2004 und 2005 wurde Breth mit den Produktionen "Emilia Galotti" und "Don Carlos" erneut zum Berliner Theatertreffen eingeladen. 2006 erhielt die Regisseurin im Rahmen des Berliner Theatertreffens den mit 16.000 Euro dotierten "Theaterpreis Berlin". Das Geld spendete die Regisseurin einer Suppenküche in Pankow, die vom Franziskanerorden geführt wird.
In ihrer Dankesrede hatte Breth die Bedeutung eines Autors wie Friedrich Schiller betont. Bei ihm könne man noch das Weinen und politisches Denken lernen, meinte sie. Umso einschneidender war für sie der krankheitsbedingte Abbruch ihrer Probenarbeit zu Schillers "Wallenstein" am Wiener Burgtheater im selben Jahr. "Theater ist Konflikt", sagte sie und nahm ihre Arbeit so bald wie möglich wieder auf.
2010 wird Breth am Burgtheater "Quai West" von Bernard-Marie Koltès inszenieren. "Breth wird Wien erhalten bleiben, worauf ich mich freue", so Burg-Direktor Matthias Hartmann. Das Stück habe das Potenzial, ein Klassiker der Moderne zu werden, meint er.
Service
Buch Andrea Breth, "Frei für den Moment. Regietheater und Lebenskunst. Gespräche mit Irene Bazinger", Rotbuch Verlag
Buch Klaus Demutz, "Andrea Breth. Der Augenblick der Liebe", Residenz Verlag
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