Die Förderung und Hemmung von Gehirnstammzellen
Yes they can!
Die Entwicklung von Stammzellen im Gehirn lässt sich an Lichtblitzen in Mäusegehirnen beobachten. So werden Faktoren bestimmt, die die Bildung von Gehirnstammzellen anregen beziehungsweise hemmen. Schlaganfall- oder Alzheimertherapien könnten davon profitieren.
8. April 2017, 21:58
Als vor 50 Jahren einige Forscher im Gehirn Zellen entdeckten, die sich teilen können, zweifelten fast alle wissenschaftlichen Kollegen die Richtigkeit der Ergebnisse an. Die damaligen Untersuchungs- Methoden waren nicht absolut eindeutig und vor allem galt das Dogma, dass Hirnzellen nicht regenerieren. Erneuern können sich nur Körperzellen, hieß es.
Heute ist unbestritten, dass es im Gehirn sogenannte adulte Stammzellen gibt, aus denen neue Nervenzellen entstehen können. Wo, wie und warum sich Stammzellen im zentralen Nervensystem auch im fortgeschrittenen Alter bilden, ist aber trotz intensiver Forschungen erst ansatzweise bekannt.
Erstmals Entstehung von Stammzellen im Gehirn beobachtbar
Ein großes Problem bei der Beobachtung der Stammzellen des Gehirns war bisher, dass sie nur in Gewebsschnitten sichtbar gemacht werden konnten, also in toten Gehirnen. Dieses Manko ist jetzt - zumindest bei Mäusen - beseitigt.
Der Salzburger Stammzellforscher Ludwig Aigner hat als erster die Entstehung von Stammzellen des Gehirns in lebenden Mäusen sichtbar gemacht. Aigner hat dafür zunächst den Schalter für die Bildung von Stammzellen identifiziert und dann daran ein Leuchtsignal gekoppelt. Bildet sich eine Stammzelle, gibt es einen Lichtblitz. Neue bildgebende Verfahren visualisieren die winzig kleinen, extrem kurz andauernden Leuchtsignale live in Mäusen.
Wundheilungsmolekül blockiert Stammzellbildung im Gehirn
Dank der neuen Methode hat Aigner ein Molekül entdeckt, das sich hemmend auf die Stammzellbildung im Gehirn auswirkt. Es ist das bereits bekannte Molekül TGF beta 1, das bei der Wundheilung eine wichtige Rolle spielt. Während TGF beta 1 im Körper im Wesentlichen positiv wirkt, hat es für die Aktivität der Stammzellen im Gehirn negative Folgen.
Ziel für Zukunft: Stammzellbremse lösen
Ein Ziel für die Zukunft ist es daher, diese Stammzellbremse wieder zu lösen. Das müsste sich allerdings ausschließlich auf das Gehirn beschränken, denn die gute Wirkung des Moleküls im restlichen Körper dürfte nicht gestört werden.
Eine Blockade von TGF beta 1 im Gehirn könnte bei neurodegenerativen Erkrankungen wie Schlaganfall, Alzheimer oder Parkinson helfen.
Junges Blut in alten Mäusen fördert Stammzellbildung
Neueste Forschungen zeigen, dass auch Faktoren im Blut die Bildung von Stammzellen im Gehirn beeinflussen. Forscher der Stanford Universität haben zum Beispiel herausgefunden, dass junges Blut in alten Mäusen die Bildung von Stammzellen im Gehirn fördert und umgekehrt: dass altes Blut in jungen Mäusen die Stammzell-Bildung im Gehirn hemmt.
Im Experiment wurden die Blutkreisläufe der Mäuse über Wochen oder Monate miteinander verknüpft. Es wurden schon Faktoren im Blut identifiziert, die für die Stammzellbildung verantwortlich sind. Ob die gefundenen Faktoren bei Alzheimer wirksam sind, daran wird eifrig geforscht.
Hoffnungs-Molekül "Nogo"
Große Hoffnungen für die Regeneration von Zellen des zentralen Nervensystems, also von Rückenmark und Gehirn, knüpfen sich auch an das Molekül mit dem klingenden Namen "Nogo".
Es wurde in den 1990er Jahren entdeckt. Seit zwei Jahre laufen die ersten Tests in der klinischen Praxis. Nogo trägt - wie der Name schon andeutet - dazu bei, dass Patienten nach einem Schlaganfall oder Patienten mit Querschnittlähmungen nicht mehr gehen können. Es hemmt die Zellregeneration im zentralen Nervensystem, also im Rückenmark und im Gehirn.
Im peripheren Nervensystem kommt Nogo nicht vor. Das ist ein Grund, warum zum Beispiel abgetrennte Finger wieder erfolgreich angenäht werden und anwachsen können oder erfolgreich Handtransplantationen durchgeführt werden können. Deswegen lag die Idee nahe, Nogo nach Verletzungen im zentralen Nervensystem zu hemmen. Dafür wurden Antikörper gegen Nogo entwickelt, die jetzt an ersten Patienten auf ihre Verträglichkeit hin getestet werden.
Hör-Tipp
Dimensionen, Dienstag, 22. September 2009, 19:05 Uhr