Liebe Frau Dr. Suchy!

Brief an mich - Teil 19

Erkennen Sie die Ironie nicht? In der wenig begabten Mäzenin Haydns im neuen Roman Armin Thurnhers, in den moralischen Gleisen, die zu Abtreibung und KZ führen, in der Debatte um Karenz und der Vereinbarkeit der Führung einer Firma mit Babywunsch?

Sind Sie erstaunt, wenn Sie in einem neuen Musikroman von der wenig begabten Mäzenin Rebecca Schröter lesen? Behalten Sie Ihr Wissen für sich, dass die Dame eine Gastgeberin Haydns in England war, eine begabte Pianistin, Schülerin eines prominenten Komponisten und attraktive Gesprächspartnerin? Die Klavier-Trios, die Haydn ihr gewidmet hat, charakterisieren sie als eine besonders feinsinnige und verständige Empfängerin.

Lesen Sie doch nur Erich Schenks Mozart-Biografie: Bemerkten Sie nicht, wie Schenk die Frauen der Mozartfamilie ohne jeglichen Beweis mit Attributen wie "übereifrig" und "männersüchtig" und Beschreibungen wie "grollende Matronen" belegt?

Erkennen Sie die Ironie nicht?

Die Herren Musikwissenschafter wie Erich Schenk anno 1956 sprechen von den Herren Komponisten wie Leopold Mozart mit Zuschreibungen von "Meistern des harten Lebens" und vom "anstrengenden Kapelldienst". Sogar die Klagen über die verlorene Zeit bei seiner Ehefrau, wie sie Leopold Mozart äußert, bei der "Frau Wöchnerin", will der Musikwissenschaftler ihm nicht übel nehmen.

Sind Sie es nicht gewohnt, dass den Frauen, gerade den Ehefrauen und Müttern der Komponisten, herabmindernde Charakterisierungen unterstellt werden? Wie Cosima Wagner, der Oliver Hilmes eine "Stilisierung als Wagners Sprachrohr" unterstellt?

Erkennen Sie die Ironie nicht?

Halten Sie es wirklich für so wichtig, den Namen der Assistentin Edgar Varèses zu nennen? Glauben Sie nicht, dass damit das Programmheft der Salzburger Festspiele überfrachtet worden wäre? Und halten Sie es für so wichtig, dass man den Namen von Mozarts Schwägerin Sophie Haibl nennt, wenn die Wissenschaft aus ihren Aufzeichnungen Schlüsse auf Mozarts Todesursache zieht? Muss das sein, das Nennen der Frau? Beharren Sie da wirklich darauf? Geht's nicht um den Tod des Mannes?

Was stand auf den Fähnchen des Landesfestumzugs 1809-2009 in Tirol: "Mander mag man eben" - mehr, möchte ich anfügen, das hat ja der Andreas-Hofer-Umzug bewiesen!

Erkennen Sie die Ironie nicht? Wenn "moralisch die gleichen Gleise zur Abtreibung wie zu den Vernichtungslagern der Nazis führen", wie ein österreichischer Politiker einen österreichischen Bischof zitiert. Sehnen Sie sich zurück ins Jahr 1925 als in Hugo Bettauers Wochenschrift zu lesen war:

Das Einerseits und das Andererseits, das ungleiche Maß, die Ungerechtigkeit ist das Unerträgliche. Aber man wird sich für eines oder das andere entscheiden müssen, und weil man ja nicht zur offiziellen Sklaverei zurückkehren kann, wenn sie einmal überwunden ist, so bleibt eben gar nichts anderes übrig, als die Freiheit der Frauen vollkommen anzuerkennen und sie überdies instand zu setzen, dass sie von ihr Gebrauch machen können. Da sie die Bedrohten und Gefährdeten sind, so muss man sie stützen, sie müssen entscheiden dürfen, ob sie ein Kind bekommen und erhalten können, die Gesellschaft muss ihnen, wenn sie bedürftig sind, weit mehr bei der Aufzucht des Kindes helfen als sie es jetzt tut.

Das war einmal; jetzt macht der Chefredakteur einer schweizerischen Wochenschrift einer Firmenchefin blanke Vorwürfe: Ob es richtig sei, wenn die Unternehmensleiterin trotz Wirtschaftkrise ein Kind bekommt?

Erkennen Sie die Ironie nicht? Wenn er weiter schreibt: "Auf Väter können wir verzichten, Mütter sind unersetzlich."

Mit humorvollen, aber aufrichtigen Grüßen,
Ihr M. M.

Veranstaltungs-Tipp
Präsentation "Frauenmusikhandbuch des BMEIA", 24. September 2009, 10:00 Uhr, ORF KulturCafe

Inspirationsquellen
Armin Thurnher, "Der Übergänger", Zsolnay
Eva Rieger, "Leuchtende Liebe, lachender Tod. Richard Wagners Bild der Frau im Spiegel seiner Musik", Artemis & Winkler
"Der Standard", 10. und 14. September 2009