70. Geburtstag des Forschers und Dichters Rolf Schwendter
Der Reiz des unangepassten Verhaltens
Seit den 1960ern beschäftigt er sich mit Menschen, die anders sind. Und auch er selbst hat sich nie an bestehende Normen angepasst. Am Mittwoch feierte der Sozialtheoretiker, Dichter und Liedermacher Rolf Schwendter seinen 70. Geburtstag.
8. April 2017, 21:58
"Ich begann mit meiner Beschäftigung mit Subkulturen in den 1960er Jahren und da reizte mich besonders jede Art von unangepasstem Verhalten." Als Sozialtheoretiker, Dichter und Liedermacher, der seine Fähigkeiten niemals in der Dienst des Etablierten stellt, hat Rolf Schwendter die österreichische Geisteslandschaft der 1960er und 1970er Jahre stark geprägt.
Er schrieb die "Lieder zur Kindertrommel", erforschte (und organisierte) die Alternativ- und Bohèmekultur, gründete das "Erste Wiener Lesetheater und zweite Stehgreiftheater", übernahm die Präsidentschaft der Grazer Autorenversammlung und ging dem "Klassencharakter der Küche" auf den Grund.
Wenig Sympathie für Normen
Bei großem Andrang wurde am 30. September 2009 im Literaturhaus sein 70. Geburtstag begangen - mit zahlreichen Lobreden und einem Open-end-"Lesefest". Großen Beifall zollte ihm etwa sein Kollege Gerhard Ruiss. Schwendter stehe für den Aufbruch der 1960er und 70er, für eine Generation, die mit einem sehr wachen Bewusstsein an die Entwicklung der gesellschaftlichen Möglichkeiten herangegangen sei, so Ruiss.
"Die gesamtgesellschaftlichen Normen - vor allem die der Herrschenden - waren noch nie etwas, das meine Sympathie erregte - und da begann ich alles unter die Lupe zu nehmen, das sich irgendwie anders verhielt", erklärt der Jubilar selbst.
Professor der Abweichung
Wie Rolf Schwendter (auf seinen nonkonformistischen Streifzügen) einen Doktortitel nach dem anderen sammelte, verfolgte man in den linksintellektuellen Kreisen des Café Hawelka voll der Anerkennung, erinnert sich der Publizist Peter Huemer.
Wenig erstaunt war man daher auch, als Mitte der 1970er Jahre bekannt wurde, dass Dr. Dr. Dr. Rolf Schwendter nun eine Professur für Devianzforschung in Kassel innehatte. Auch wenn die meisten zunächst keine Ahnung hatten, was das überhaupt sein solle, erzählt Huemer: "Daraufhin haben wir nachgeschaut: Devianzforschung, das ist die wissenschaftliche Beschäftigung mit abweichendem Verhalten - dann haben wir gesagt, das passt."
Der Herr Doktor im Sandlerlook
Gepflegt hat Schwendter auch ein sehr deutlich von jeder bürgerlichen Norm abweichendes Erscheinungsbild, das, so Gerhard Ruiss, ein steter Quell radikaler Fehleinschätzungen war und ist - und bei so manchem akademischen Kollegen Schwendters den Eindruck weckte, vor ihm stünde die "leibhaftige Subkultur".
An einen Verwirrung stiftenden Auftritt des Professors im "Club 2" erinnert sich Laudator Josef Haslinger. Sein älterer Bruder ist Bauer im Waldviertel. Nach dieser Fernsehdiskussion über "Sandler", stellte er verwundert fest: "Das war komisch, die Sandler waren alle herausgeputzt, aber der einzige, der wie ein Sandler ausgesehen hat, war in Wirklichkeit ein Universitätsprofessor."
Erst wenn die großen Konflikte bewältigt sind
Er sei eine jener Geistesgrößen, die nicht Karriere, sondern Entwicklung verfolgten, meint Gerhard Ruiss. Sich zufrieden zurückzulehnen, scheint für Rolf Schwendter dementsprechend auch mit siebzig Jahren keine Option zu sein. Seine vor vielen Jahren für die "Lieder zum freien Gebrauch" umgedichtete Version eines wohlbekannten Rolling Stones Songs kann er auch heute noch guten Gewissens singen: "Ich bin immer noch unbefriedigt".
Das ist er und das wird er auch bleiben, ist Ruiss überzeugt: "Ich glaub, Rolf Schwendter kann nur befriedigt werden, wenn die großen Konflikte dieser Welt bewältigt wären." Und nachdem das eher unwahrscheinlich ist, fügt er hinzu: "Ich glaube, die Befriedigung des Rolf Schwendter kann nur eintreten, wenn er einmal nicht mehr ist."
Mehr zu Rolf Schwendter in oe1.ORF.at
Hör-Tipp
Leporello, Freitag, 2. Oktober 2009, 7:52 Uhr
Links
Wikipedia - Rolf Schwendter
Literaturhaus
Erstes Wiener Lesetheater