Ein Spätzünder

Joe Pass

Joe Pass machte spät Karriere. Während Altersgenossen wie Oscar Peterson und Stan Getz in den 1950er Jahren schon längst bekannt waren, war Pass ein Spätzünder. Seine "Virtuoso"-Alben brachten ihm Anerkennung als Meister der Solo-Jazz-Gitarre.

Joe Pass: "Night and Day"

Der zentrale Künstler des 1973 gegründeten Labels Pablo von Norman Granz war der Gitarrist Joe Pass. Während Altersgenossen wie Oscar Peterson und Stan Getz in den 1950er-Jahren schon längst Karriere gemacht hatten, war Pass ein Spätzünder.

Bei diesem Label fand er glücklicherweise den künstlerischen Raum, den er benötigte. Die von Norman Granz produzierten Alben "Virtuoso" brachten ihm weltweite Anerkennung als Meister der Solo-Jazz-Gitarre. Sein Spiel wird noch heute hauptsächlich mit dieser Kunst in Verbindung gebracht, Joe Pass war jedoch auch als Single-Note-Spieler Weltklasse.

Die erste Gitarre

Eigentlich hieß Joe Pass Joseph Anthony Passalaqua und wurde am 13. Januar 1929 in New Brunswick, New Jersey geboren (er starb am 23. Mai 1994). Joes Familie zog bald nach Johnstown, Pennsylvania um, wo er den Großteil seiner Jugend verbrachte. Seine erste Gitarre (eine Harmony für 17 Dollar) schenkte ihm Vater Mariano zu seinem neunten Geburtstag.

Joe liebte es, zu erzählen, dass er sich die Gitarre gewünscht habe, nachdem er einen Western mit Gene Autry gesehen hatte. Der Mann auf dem Pferd mit der Gitarre habe ihn tief beeindruckt. Eigentlich hätte er aber doch lieber das Pferd und nicht die Gitarre geschenkt bekommen. Diese Geschichte mag wie viele andere, die Joe über seine Gitarrenanfänge erzählte, falsch sein. Er dachte sich immer wieder neue Varianten für seine Interviews aus.

Repetition und Drill

Wenn es stimmt, was man über Joes tägliches vom Vater verpasstes Übepensum lesen kann, ist des Vaters Ehrgeiz (der war im übrige kein Musiker, sondern besaß ein ausgeprägtes Musikverständnis, sang ihm oft italienische Lieder vor und man hörte gemeinsam Radio!) fast mit dem Leopold Mozarts vergleichbar. Der Vater spürt das große Talent, ermuntert den Sohn, gehörte Jazzsongs abzuschreiben, auch Nicht-Gitarren-Musik für die Gitarre zu transkribieren und immer wieder: Technik zu üben, Tonleitern, modale Skalen, chromatische Folgen.

Der Druck war groß. Jeden Tag musste Joe insgesamt sechs Stunden üben. Wenn ihn sein Vater bei anderen Tätigkeiten erwischte, bekam er Tritte, weshalb er sich noch Jahre später recht eigenartig bewegte: "Ich habe ja immer meinen Hintern einziehen müssen. Dads Befehl lautete: spielen, spielen, spielen! Er war kein Musiker - er war Stahlarbeiter -, aber er schien zu wissen, was nötig war. Ich fragte zum Beispiel: 'Was soll ich denn spielen?' und er antwortete: 'Spiel doch das...' und pfiff eine kleine Melodie, die ihm gerade einfiel. Er brachte stapelweise Klaviernoten mit nach Hause und ich musste mich hinsetzen und diese Noten üben", so Pass.

"Es gab eine Radiosendung am Sonntag, und Dad ließ mich mit meiner Gitarre neben dem Radio sitzen. In dieser Sendung gab's viel wilde Flamenco-Musik und Dad sagte: 'Hör das raus und spiel das!' Das war wirklich hart, denn ich war erst elf Jahre alt. Diese sechs Stunden am Tag Übungsroutine dauerte zirka fünf Jahre. Dad stand um sechs Uhr auf, weckte mich um halb sieben und ich übte vor der Schule, die um acht Uhr anfing. Um 15:00 Uhr kam ich von der Schule, hatte etwas Freizeit, aber mein Vater kam schon um 15:30 Uhr von der Arbeit zurück und ich übte von 16:00 Uhr bis zum Abendessen. Nach dem Abendessen übte ich bis 21:00 Uhr. Am Wochenende, wenn ich nicht am nächsten Tag zur Schule musste, kam es auch schon einmal vor, dass ich bis ein Uhr nachts üben musste. Dad sagte: 'Ich mache das, damit du kein Stahlarbeiter werden musst.' Ich kam an einen Punkt, an dem ich die Gitarre wirklich gehasst habe".

Teenagerprofi

Während Gleichaltrige sich auf dem Fußballplatz vergnügten, spielte und improvisierte Joe Pass bereits als zwölf-, dreizehn-jähriger in kleinen Unterhaltungskapellen. Joe hatte Glück, denn seine Mitspieler waren erfahrene jazzorientierte Musiker. Die kannten die Musik von Ben Webster, Coleman Hawkins und Roy Aldridge in- und auswendig. Und obwohl Joe damals nicht gut auf seinen Vater zu sprechen war, hat er später erkannt, dass Mariano Passalaquas Engagement und strenge Regiment ihm das Rüstzeug für seine spätere Karriere gaben.

Die langen Übesequenzen der Kindheit hatten darüber hinaus den Vorteil, dass er sich diese Fron für später weitgehend ersparte. Pass soll später nicht mehr viel geübt haben, und wenn eine Band oder ein Musiker vor einem Konzert mit ihm proben wollten, sagte er: "Ich musste als Kind so viel spielen, ich muss nicht mehr üben." Auf Tournee konnte er sich oft über andere Musiker amüsieren, die im Hotelzimmer nebenan unaufhörlich ihre Stücke übten. Er sagte: "Hätten die mal so viel geübt wie ich, dann bräuchten sie es jetzt nicht mehr nachzuholen."

Hör-Tipp
Spielräume, Sonntag, 18. Oktober 2009, 17:30 Uhr

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