Über Humor, Melancholie und Veränderungen

Ein Viertel für Ringsgwandl

Das Programm "Untersendling" soll vom Klang eines Viertels erzählen. Man findet dort Hartz-IV-Empfänger in der Grünanlage und Frührentner in der Kneipe. Es ist nicht heruntergekommen, aber auch nicht mondän. Von dort kommen Georg Ringsgwandls Impulse.

Katastrophen sind allgegenwärtig

Der Kabarettist Georg Ringsgwandl lässt jeden Abend auf der Bühne den Klang von Untersendling neu entstehen. Ein krawattenarmer Bezirk, in dem einst Albert Einstein seine Kindheit verbrachte. Würde das Wohnhaus der Einsteins noch stehen, läge es in der Lindwurmstraße 127.

Im Interview mit Silvia Lahner spricht Georg Ringsgwandl über sein aktuelles Programm, die politische Lage im Land, sowie über Humor, Melancholie und Veränderungen.

"Untersendling" - das ist der Titel Ihres aktuellen Programmes, aber auch ein Viertel in München. Inwiefern ist hat sie das Leben in Untersendling beeinflusst?
Untersendling ist ein Viertel, in dem die Mehrheit aus Minderheiten besteht, in dem es so alles Mögliche gibt: ein paar aufgebrezelte bayerische Wirtschaften, Supermärkte und einen kasachischen Hühnergrill, einen falschen Italiener.

Ich wohne in dem Viertel schon seit 30 Jahren, in der Wohnung bin ich seit 1979 mit Unterbrechungen. Alle Lieder haben wir dort geprobt und einige Geschichten kommen aus dieser Nachbarschaft, natürlich der Song vom Bäcker. Da war einmal eine alte Familienbäckerei an der nächsten Hausecke und da sind normalerweise zwei alte Verkaufsraben drin gestanden und haben seit dem Zweiten Weltkrieg die Backwaren verkauft. Eines Tages war eine Frau drinnen, die war Ende Vierzig und die hatte einen solch umwerfenden weiblichen Charme, eine wirklich warmstrahlende, anziehende Weiblichkeit, dass ich dachte, das kann doch nicht wahr sein, was ist da los. Da war ich hin und weg. Das war wirklich berührend. Da habe ich mir vorgenommen, so ab und zu dort einzukaufen wenn nur wenige Leute drinnen sind, damit ich mal unverfänglich mit ihr ins Gespräch kommen kann. Aber nach ein paar Wochen war sie wieder weg... Darauf zum Beispiel basiert der Song von der Bäckereiverkäuferin, der die ganze Gegend verzaubert. In der Geschichte geht's halt darum, dass ein Laden; der sonst keine Chance gegen die Billigbäckereiketten keine Chance hätte, plötzlich wieder boomt, weil diese Verkäuferin drinnen ist.

Wie lässt sich der moderne Alltag, das Leben in Zeiten der Krise bewältigen?
Sentimental bin ich an sich nicht, ich habe einen Hang zur Melancholie. Ich denke, man kann den Zustand der Welt nur in einer gewissen Melancholie wahrnehmen. Das ist die einzig legitime Art auf die Welt zu schauen. Und zu bewältigen ist sie nur mit einem gewissen Schuss von Humor. Die Katastrophen sind allgegenwärtig und nicht zu lösen. Das wird niemand von uns schaffen. Ich bin schon froh, dass bei mir in der Wohnung so alles halbwegs in Ordnung ist oder bei mir in der Familie keine Überkatastrophen passieren. Man kann nicht viel ändern. Es ist ja nur erträglich mit einer bestimmten Art von Wärme und Humor. Durch ernsten Zugriff und ernste Analyse ist das Leben nicht zu bewältigen. Das sieht man ja schon in der Politik. Da hocken sie herum und probieren es auf ernste Weise. Das ist zwar gut gemeint, aber so richtig funktionieren tut das nicht. Nicht, dass ich es besser könnte! Nicht, dass ich es besser wüsste! Ich bin froh, dass ich es nicht machen muss.

Wie sehr sind Vergänglichkeit und der Wandel für Sie ein Thema?
Mir sitzt der Schrecken in den Knochen, weil ich mit 18 eine schwere TBC hatte. Die habe ich knapp überlebt. Wenn man mal ein Jahr lang unter knapp Toten und Schwindsüchtigen ist, dann hat man einen bestimmten Spundus. Ich bin auch mit meinem schwerkranken Vater aufgewachsen, der im Krieg bös verletzt worden ist und dadurch habe ich einen gewissen Schrecken und weiß, dass das Leben ein sehr wertvolles Gut ist. Ich weiß das sehr zu schätzen, wenn ich mal wieder Geburtstag habe und bin sehr froh, wenn ich noch dabei bin.

Das ist das eine, das andere ist, dass auf der CD auch ein gewisses Bedauern formuliert wird, dass zum Beispiel: auch so kleine Geschäfte nicht mehr gibt. Da muss man aber auch vorsichtig sein, dass das nicht in Kitsch ausartete, denn es gibt halt Veränderungen und das schon seit der Assyrer-Zeit, wenn man ehrlich ist! Seit der Erfindung der Keilschrift verändert sich alles laufend und es ist nichts dagegen zu machen, Warum soll das plötzlich aufhören. Und viele Sachen werden besser! E-Mail ist besser als Fax keine Frage, das Handy hat gewisse Vorteile und auch Frauen sind heute besser drauf als früher. Die Frauen heute sind besser drauf als 1933 oder? Deshalb schau ich mit einem melancholischen Auge auf die Sachen, die verschwunden sind, aber es ist auch viel besser geworden. Man schaut gern auf eine Mercedes aus dem Jahr 1930, fährt aber lieber mit einem neuen Golf.

Georg Ringsgwandl Sie sind als Musikkabarettist, aber auch Mann der Wort bekannt, wie verhält es sich beim Programm "Untersendling". Wer kommt mehr auf seine Rechnung, die Musikfreunde oder die Anhänger ihrer manchmal aberwitzigen Wortkaskaden?
Es sind in dem Programm 35 Prozent Wort alleine und 65 Prozent Wort mit Musik, denn die Lieder haben ja einen poetisch gefassten Text, der die Leute bestricken soll, aber ich bin kein Kabarettist, der die Leute zwei Stunden lang zu labert. Wenn jemand sich von der Musik ergreifen lässt, dann ist es ein gutes Programm. Wenn jemand sagt, er will keine Musik hören und sich zwei Stunden zu labern lassen, dann soll er in dieses Programm nicht reingehen. Es ist ein Programm für Leute, die noch für die schönen Dinge ein offenes Herz haben. Die Wahrheit ist ja, dass ich meine meiste Zeit dafür aufwende, mit der Band zu üben und Songs zu schreiben.

Das braucht meine meiste Energie und Zeit: das Lieder Schreiben und Komponieren. Auf die Wortbeiträge, die Zwischentexte, verwende ich überhaupt keine Zeit. Die Improvisiere ich zwischen den Liedern. Ich schreibe keine Texte auf und lerne die auswendig und frage einen Regisseur, ob ich die richtig spreche. Ich erzähl' einfach, was mir so spontan einfällt. Da muss ich aufpassen, dass ich nicht zu lange labere. Wenn ich zu lange rede, dann kratzen die Musiker ungeduldig mit den Hufen und dann spielen wir wieder Musik.

Wie halten Sie es mit der Politik? In Ihren Programmen stehen üblicherweise die ganz normalen Menschen von nebenan im Mittelpunkt, Politikernamen fallen kaum.
Politikernamen fallen bei mir praktisch nicht, außer es rutscht mir mal einer raus. Ich halte da nicht viel davon. Ich bin ein Optimist und glaube an die positive Kraft der Menschheit. Ich bin davon überzeugt, dass die Menschheit ein Positives Potenzial hat und ganz allmählich doch in der Menschheit etwas entwickelt.

Welche Auswirkungen haben Ihrer Meinung nach Wahlen auf die Menschen?
Wenn in Hohenems ein Ausländer über die Straße geht, glaub ich nicht, dass der nach den starken FPÖ-Gewinnen jetzt etwas schiefer angeschaut wird, als vorher. Die Ausländer werden ja nicht von den Politikern integriert, sondern haben in einer bestimmten Gegend mit Nachbarn zu tun. Entweder man kommt mit dem Ausländer zu Recht oder nicht, aber wie die Regierung heißt hat, darauf keinen Einfluß.

Selbst im 'Dritten Reich', in dem es diese furchtbaren Umstände gab, hat es Menschen gegeben, die einem Juden, Slawen oder 'Zigeuner' Unterschlupf gewährt haben. Das hat es immer gegeben. Die Ausländerfreundlichkeit ist ja heute schon Teil der Firmenreklame. IBM, Sony und Siemens die großen Konzerne werben damit, dass sie schwarze, rote, gelbe, grüne Mitarbeiter haben. Kein weltbedeutendes Unternehmen kann sich mehr leisten, dass es einen Schwarzen oder Grünen ausschließen.

Es gibt halt Stimmungen im der Bevölkerung die man so und so bedient, denn in den Wohlfahrtsstaaten wie Deutschland, Österreich und Schweiz ist halt immer die Angst da, dass die Habenichtse kommen und ihnen was wegnehmen. Diese Angst besteht immer und damit kann man ja gut Stimmen machen.

Das Leben spielt sich individuell ab, wenn ich denke, dass in den letzten 50 Jahren irgendeine Regierung mein Leben bewusst beeinflusst hatte.

Hör-Tipp
Kabarett direkt, Freitag, 23. Oktober 2009, 20:00 Uhr

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Georg Ringsgwandl