Die Malerin Gertie Fröhlich

Filme, Farben, Fabelwesen

Gertie Fröhlich kann auf bewegte, reiche Jahre als Künstlerin zurückblicken. Ihre Rolle als Impulsgeberin kann nicht hoch genug eingeschätzt werden. Sowohl das Filmmuseum wie auch die Galerie nächst St. Stephan sind untrennbar mit ihrem Namen verbunden.

Gertie Fröhlich und ihr Weg zur Kunst

Ein kleiner Junge im Matrosenanzug sitzt im Schilf und fängt mit dem Schmetterlingsnetz einen Kampflieger. Dieses Sujet sollte auf die Ausstellung "Propaganda und Gegenpropaganda im Film 1933 -45 " aufmerksam machen. Von 1964 bis 1984 hat die Künstlerin Gertie Fröhlich diese Film-Plakate für das Österreichische Filmmuseum in Wien gestaltet. Es sind Plakate, die mit Bild, Schrift, Fotografie arbeiten - und alle bleiben sie im Gedächtnis.

...hier können sehnaturen ihren netzhäuten ein vollbad gestatten. also gilt es, um mitzuhalten, o wimper, was es hält, zu trinken!

Diese Einladung zum "Vollbad der Netzhäute" stammt vom Schriftsteller Reinhard Priessnitz, nachzulesen in einem Katalog über die Plakat-Kunst von Gertie Fröhlich. Ihre Entwürfe wurden in internationalen Galerien gezeigt, sind heute begehrte Sammlerstücke.

Gertie Fröhlich war es auch, die das "graphische Haustier", das einprägsame, erste Logo des Filmmuseums auswählte- ein rätselhaftes Wesen, das aussieht wie ein wasserspeiender Wal mit scharfen Zähnen und zwei Beinen.

"Schweinefisch" nennt ihn die Künstlerin, dabei trägt das Fabelwesen den schönen Namen Zyphius. In einer Abhandlung über Fabelwesen aus dem Jahr 1558 fand sie es - neben Einhorn, Phoenix, Sphinx, Sirenen und anderen Zaubertieren. "Wir dachten, dieses kuriose Tier kann unter Wasser und auf dem Land leben. Es war also ein gutes Symbol für das Filmmuseum! Es sollte ja auch nicht untergehen", erinnert sich die Künstlerin.

Gertie Fröhlich und die Galerie St. Stephan

Das Österreichische Filmmuseum ist einer jener bekannten Orte, dem Gertie Fröhlich zu mehr Aufmerksamkeit verholfen hat. Ein anderer wichtiger Ort der Wiener Kunstszene ist überhaupt erst durch ihre Initiative entstanden - die legendäre "Galerie nächst St. Stephan."

Der Schiele-Experte Otto Kallir-Nierenstein hatte die angesehene "Neue Galerie" in der Grünangergasse 1 gegründet. 1938 musste er Österreich verlassen, im Exil in New York eröffnete er die Galerie St. Ettienne, die Künstler wie Schiele, Klimt, Kokoschka in Amerika berühmt machte.

Gertie Fröhlich war mit Eva Maria Kallir, der Tochter des Galeristen, befreundet. 1954 nahm Gertie Fröhlich über den Sommer eine Arbeit bei der Katholischen Aktion an. Als sie dort den Domprediger von St. Stephan, Monsignore Otto Mauer kennenlernte und merkte, dass er ein begeisterter Kunstkenner-und Sammler war, überredete sie ihn, doch die "Neue Galerie" in der Grünangergasse zu übernehmen.

1954 wurde die Galerie "St. Stephan" eröffnet, die bald zu einem Treffpunkt der österreichischen Avantgarde wurde. Ausstellungen von Arnulf Rainer, Josef Mikl, Wolfgang Hollegha und vielen anderen wurden gezeigt, Literaten wie H. C. Artmann, Konrad Bayer, Gerhard Rühm stellten ihre Texte vor. Wobei der Name "St. Stephan" bald in "Galerie nächst St. Stephan" umgeändert wurde.

Vertreibung 1944

Geboren wurde Gertie Fröhlich 1930 in der Slowakei. Im Alter von 14 Jahren musste sie mit ihrer Familie fliehen. Flucht, Vertreibung, plötzlich um sein Leben fürchten müssen - das sind prägende Erlebnisse, die bis heute schmerzhaft nachwirken.

Die alte Heimat ist verloren, die neue bleibt lange fremd. 1944 kommt sie mit ihrer Familie nach Vöcklabruck, zu einem Großonkel. Noch im selben Jahr muss sie in die Schule. Ab 1945 besucht Gertie Fröhlich die Lehrerbildungsanstalt in Vöcklabruck.

Der Weg zur Kunst

Gertie Fröhlich entdeckt die Welt der Malerei und der Kunst. Sie besucht ab 1949 - gegen den Willen des Vaters - die Kunstgewerbeschule in Graz und studiert bei Rudolf Szyszkowitz. Das Geld zum Überleben verdient sie sich durch Strickarbeiten, sie verkauft selbst angefertigte Pullover und Dirndljacken, danach geht sie nach Wien, an die Akademie der Bildenden Künste, wo sie 1956 ihr Diplom macht, und zwar bei Albert Paris Gütersloh. Ein zweiter, hoch geschätzter Lehrer an der Akademie ist Herbert Boeckl.

An die Jahre ab 1950 in Wien denkt Gertie Fröhlich gern zurück. "Es war eine unglaubliche Aufbruchsstimmung spürbar", sagt sie, "das Leben und das Reden darüber hat nach langen, dunklen Jahren neu begonnen. Wir sind ja in einer Zeit groß geworden, in der das Schweigen wichtig war, uns wurde nichts gesagt, oft aus Angst, man durfte über nichts reden."

Nach dieser Zeit des Schweigens wollte und musste die Kunst nach 1945 umso lauter, schriller, provokanter und mutig für eine neue Sprache sorgen - ob in der Malerei, der Musik, in der Literatur, der Architektur, der Mode- überall wurden neue Wege gesucht.

1954 übernimmt der Domprediger von St. Stephan, Monsignore Otto Mauer, auf Anraten von Gertie Fröhlich die ehemalige "Neue Galerie" des Schiele-Experten Otto Kallir in der Grünangergasse. Gertie Fröhlich, in erster Ehe mit dem Maler Markus Prachensky verheiratet, stellt für die neue "Galerie nächst St. Stephan" Kontakte zu ihren Künstlerfreunden her und hilft 1954/55 beim Aufbau der Galerie, die bald zum wichtigsten Treffpunkt der österreichischen Avantgarde wird. Maler wie Arnulf Rainer oder Josef Mikl sind dort ebenso zu finden wie Vertreter der Wiener Phantasten, Architekten wie Hans Hollein und Wilhelm Holzbauer gehören zum Freundeskreis, aber auch Literaten wie Konrad Bayer, Gerhard Rühm und Oswald Wiener oder Filmemacher wie Peter Kubelka und Ferry Radax.

Die Arbeit für das Filmmuseum

Nach der Scheidung von Markus Prachensky wird der Filmemacher Peter Kubelka zum neuen Lebensgefährten von Gertie Fröhlich. Als Peter Kubelka mit Peter Kronlechner 1964 das Österreichische Filmmuseum gründet gewinnen sie Gertie Fröhlich für die Gestaltung der Plakate, ihre unverwechselbaren graphischen Entwürfe prägen wesentlich das Erscheinungsbild des Hauses.

Zwanzig Jahre lang ist Gertie Fröhlich für die Gestaltung der Plakate zuständig, hunderte von Bildern und Entwürfen entstehen, die bald in Ausstellungen in London, Los Angeles, Berlin und in vielen namhaften Galerien gezeigt werden. Sie gestaltet Wandteppiche, wird Mitarbeiterin am Ägyptologischen Institut der Universität Wien, Studienaufenthalte führen sie mehrmals nach Ägypten.

Die dritte Karriere

Die Malerin und Grafikerin ist künstlerisch vielseitig aktiv. Sie entdeckt schließlich ein neues Material - "Fröhlichs Lebkuchen Manufaktur" entsteht. "Posaunenengel, Reiter mit Pferd, Sonne und Mond, Hampelmann, Flammendes Herz" - seit über 30 Jahren entwirft Gertie Fröhlich ihre bunten Lebekuchenfiguren, die in Handarbeit hergestellt werden. Die Gesichter der Figuren sind bemalt, jedes Stück ist ein Unikat. 1987 hat sie Andre Heller mit ihren Figuren nach Hamburg für sein Programm "Luna Luna" eingeladen.

Ein Leben mit Farben, Formen und Filmen, die Begegnung mit vielen namhaften Künstlerinnen und Künstlern- Gertie Fröhlich kann auf bewegte reiche Jahre als Künstlerin zurückschauen. Und ihre Rolle als Initiatorin, Impulsgeberin, als Vermittlerin kann nicht hoch genug eingeschätzt werden. Aus einer Heimat vertrieben hat sie in Österreich - oder vielleicht doch vor allem in der Welt der Kunst? - eine neue gefunden. Im kommenden Jahr feiert Gertie Fröhlich ihren 80.Geburtstag.

Service

Buch Gertie Fröhlich, "Plakate für das Österreichische Filmmuseum 1964-1984", Galerie Ulysses, Wien 2005

Fröhlichs Lebkuchenmanufaktur