Interkulturelle Philosophie für die globalisierte Welt
Out of Okzident
Interkulturelle Philosophie hebt die Gleichheit von Kulturen in ihren jeweiligen Differenzen hervor. Ihr Ziel ist das Philosophieren mit und zwischen den Differenzen, ausgehend davon, dass kulturelle Unterschiede das interkulturelle Denken befruchten.
8. April 2017, 21:58
"Für mich war Interkulturelle Philosophie die Lösung, wenn nicht gar die Rettung", sagt Jameleddine Ben Abdel Jelil. Der Tunesier lehrt islamische Philosophie an der Universität Wien.
Philosophie hieß bis vor wenigen Jahren und bedeutet vielerorts auch noch heute abendländische Philosophie. Den Anlass für interkulturelles Philosophieren sehen Vertreter wie Jameleddine Ben Abdel Jelil in den verschiedenen Zentrismen westlicher Denktradition, "die es zu überwinden gilt."
Zentrismen
An erster Stelle wäre hier der expansive Zentrismus zu nennen, dass Bestreben die eigene Tradition zum einzig möglichen Maßstab zu erklären und nach wirksamen Mitteln zu suchen, und letztendlich diesem Maßstab universelle Geltung zu verschaffen.
Dieser kulturelle Zentrismus ist aus der Geschichte und Gegenwart des Kolonialismus bzw. der Entwicklungspolitik ebenso bekannt wie aus der religiösen Missionierung. Motto: "Gehet hin und lehret alle Völker".
Integrativ-separativ
Der integrative Zentrismus setzt auf die Vorbildwirkung der eigenen, konkurrenzlos gültigen Orientierungswerte. Die eigene gute Form des Lebens wirbt für sich selbst, sie braucht also weder auf Angst durch Drohung noch auf Hoffnung durch Versprechen zu setzen.
Hier wie im ersten Ansatz liegt theoretisch die zentrale Schwierigkeit darin, dass die grundlegende Voraussetzung der Allgemeingültigkeit des eigenen nicht in Frage gestellt werden darf. Beim dritten Ansatz, dem separativen Zentrismus, lassen die einen die anderen theoretisch in Frieden und verlangen lediglich, auch in Frieden gelassen zu werden. Hier gibt es scheinbar keine Vereinnahmung von Andersdenkenden außer natürlich gegenüber den Mitgliedern der jeweils eigenen Gruppen.
Polylog
Philosophen können sich eigentlich mit keinem dieser drei Ansätze zufrieden geben. Polylog nennt sich das philosophische Verfahren weg von einerseits universalistischen und andererseits nur in der jeweils spezifischen Kultur interpretierbaren Begrifflichkeiten.
Polylog ist auch der Titel der Zeitschrift der Wiener Gesellschaft für Interkulturelle Philosophie. Die Autoren versuchen philosophische Diskurse aus vielen verschiedenen Kulturen und Traditionen als gleichberechtigte Beiträge wahrzunehmen und zu respektieren. Es reicht ihnen aber nicht, verschiedene Philosophien vergleichend nebeneinander zu stellen.
Minimalregel(n) für Interkulturelles Philosophieren
In seinem Buch "Interkulturelle Philosophie" formuliert Franz Wimmer eine für die philosophische Praxis geltende Minimalregel. Negativ formuliert lautet sie: "Halte keine philosophische These für gut begründet, an deren Zustandekommen nur Menschen einer einzigen kulturellen Tradition beteiligt waren."
Positiv formuliert lautet sie demnach: "Suche wo immer möglich nach transkulturellen Überlappungen von philosophischen Begriffen, da es wahrscheinlich ist, dass gut begründete Thesen in mehr als nur einer kulturellen Tradition entwickelt worden sind."
Bereits die Einhaltung dieser Minimalregeln würde zu verändertem Verhalten in der Wissenschafts- Kommunikations-und Argumentationspraxis führen, ist Franz Wimmer überzeugt.
Geist der kulturellen Vielfalt
"Der Philosophie kommt in einer globalen Welt die Aufgabe zu, den Geist der kulturellen Vielfalt und Gemeinsamkeiten zu fördern", heißt es im Thesenpapier des Vortrags "Philosophie in der globalen Welt" des Lehrbeauftragten an der TU Berlin Jacob Emmanuel Mabé.
Für den Kameruner stellt Globalität einen geistigen Prozess dar, das Weltwissen realisieren sowie die Universalität der Vernunft zur Geltung bringen soll.
Ethische Erneuerung der Welt
"Die globale Philosophie soll sich darauf konzentrieren den Geist der kulturellen Vielfalt der Welt zu beleben und Lösungen für internationale und interkulturelle Erkenntnisfragen vorzulegen, auf die andere Disziplinen zurückgreifen können."
Die Erstellung eines globalen Moralkodex soll vorherrschende, ethnozentristische Ressentiments bei interkulturellen Begegnungen in den Bereichen Sport, Tourismus, Wirtschaft und Handel vermeiden helfen. Jacob Emmanuel Mabé will nichts weniger als eine ethische Erneuerung der Welt.
Hör-Tipp
Dimensionen, Mittwoch, 2. Dezember 2009, 19:05 Uhr